Die Binnennachfrage einschließlich des Konsums ist aktuell die Stütze des Wirtschaftswachstums. Der E-Commerce im B2C-Bereich wartet mit großen Wachstumsversprechen auf. Wachstumspotenzial par excellence für die Logistik. Aber Schritt für Schritt.
Entwicklung des Außenhandels
Die Exporte haben bis Mai 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum nach Euro-Werten 1,5 Prozent zugelegt. „Immerhin ein Wachstum“, könnte man vor dem Hintergrund der schwächelnden, vormals boomenden BRIC-Staaten behaupten:
- Brasilien hat mit einer schweren Wirtschaftskrise zu kämpfen. Der Export nach Euro ist im Zeitraum Januar bis Mai 2016 um 16,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum eingebrochen.
- Der Export nach Russland ging um weitere 2,4 Prozent zurück, nachdem er bereits 2015 zu 2014 um 34,1 Prozent abgenommen hat.
- Für Indien ging der Exportwert um 4,8 Prozent zurück.
- Nur der Export nach China hat sich etwas stabilisiert und büßte „nur“ 0,6 Prozent ein.
Binnennachfrage stützt
Von 2014 auf 2015 lag der Zuwachs im Export im gleichen Zeitraum insgesamt bei +6,4 Prozent. Das BIP ist 2015 um 1,7 Prozent gewachsen. Die aktuellen Prognosen gehen von einer ähnlichen Zunahme in 2016 aus (je nach Institution liegen die Aussagen zwischen 1,5 und 1,9 Prozent). Da der Export als Wachstumsstütze deutlich an Relevanz verloren hat, springt hier offensichtlich Nachfrage aus dem Inland ein. Durch die niedrigen Zinsen werden vermehrt Investitionen getätigt, da das Vertrauen in die Konjunktur weiterhin hoch ist, wie der ifo-Geschäftsklimaindex zeigt. Die Privathaushalte unterstützen die Binnennachfrage ebenso, der Konsumklimaindex der GfK liegt weiterhin auf hohem Niveau. Insbesondere der Indikator zur Anschaffungsneigung ist wieder gestiegen. Dies deutet auf mehr Investitionen seitens der Privathaushalte in langlebige Güter hin (ein höherer Konsum an Gütern des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel oder Drogeriewaren ist in einem gesättigten Markt wie Deutschland eher unwahrscheinlich, wenn man von der neu hinzugekommenen Nachfrage durch Geflüchtete absieht).
Hier sticht auch das Wachstum aus dem logistisch aufwändigen E-Commerce hervor, welches laut dem E-Commerce-Verband bevh in 2016 12 Prozent betragen soll. Das klingt traumhaft. Doch Vorsicht ist geboten.
Wie stark wächst der E-Commerce wirklich?
Die Aussage des bevh muss für eine Potenzialanalyse genauer unter die Lupe genommen werden. Schon die Prognose für den interaktiven Handel inkl. TV-Shopping, Katalogbestellung und E-Commerce in Summe liegt für 2016 bei gerade mal 4 Prozent – und hier sind auch die Umsätze mit digitalen Produkten enthalten. Wie hoch ist also der Netto-Zuwachs? Dies herauszufinden gelingt einfacher in der Rückblende auf 2015, die auf der Jahrespressekonferenz 2016 des bevh ausführlich erläutert wurde (siehe https://www.bevh.org/uploads/media/160216_Pressekonferenz_Praesentation.pdf).
- Der interaktive Handel umfasst digitale Güter und Dienstleistungen sowie Waren, die über Onlinehandel oder klassische Bestellwege im Versandhandel vertrieben werden. Er ist in Summe von 60,0 Mrd. € in 2014 auf 65,3 Mrd. € in 2015 gewachsen (entsprechend +8,8 Prozent).
- In 2015 entfielen 13,0 Mrd. € auf digitale Güter und Dienstleistungen (+31,7 Prozent gegenüber 2014), 5,5 Mrd. € auf Waren über klassische Bestellwege des Versandhandels (-25,5 Prozent) und 46,9 Mrd. € auf Waren im Onlinehandel (+14,1 Prozent).
- In der Logistik spielen die digitalen Güter und Dienstleistungen eine kleine, wenn nicht sogar gar keine Rolle. Entsprechend ist der relevante Markt (Onlinehandel plus klassische Bestellwege im Versandhandel) von 50,2 Mrd. € in 2014 auf 52,4 Mrd. € in 2015 gewachsen, was einer Wachstumsrate von 4,4 Prozent entspricht.
- Welche Prognose sich daraus für den KEP-Markt ergibt, dessen B2C-Anteil rund 50 Prozent beträgt, werde ich in einem späteren Blog-Beitrag erklären.Wenn ich die Zahlen des bevh nicht falsch interpretiert habe, kann der Unterschied zwischen den gerne veröffentlichten zweistelligen Wachstumsraten des E-Commerce zu den bereinigten Netto-Zuwächsen, die auch den Wechsel von klassischen Bestellwegen auf Online berücksichtigen und entsprechend nur als „Linke-Tasche-Rechte-Tasche“ zu verstehen sind, durchaus als deutlich bezeichnet werden.
Wenn ich die Zahlen des bevh nicht falsch interpretiert habe, kann der Unterschied zwischen den gerne veröffentlichten zweistelligen Wachstumsraten des E-Commerce zu den bereinigten Netto-Zuwächsen, die auch den Wechsel von klassischen Bestellwegen auf Online berücksichtigen und entsprechend nur als „Linke-Tasche-Rechte-Tasche“ zu verstehen sind, durchaus als deutlich bezeichnet werden.
Qualität statt Quantität
Um auf den Anfang dieses Beitrags zurückzukommen: Der Außenhandel hatte in 2015 einen Zuwachs von 6,4 Prozent (gegenüber den oben hergeleiteten 4,4 Prozent im interaktiven Handel). Und hier reden wir von einem Wert in Höhe von über 1.000 Mrd. €, nicht von gut 50 Mrd. € wie im interaktiven Handel, der zu rund 90 Prozent von E-Commerce geprägt ist.
Natürlich bietet das Segment des interaktiven Handels enorme Potenziale für die Logistik – auch um neue Kunden zu gewinnen und zusätzliche Umsätze zu generieren. Denn hier kann sie ihre Möglichkeiten und Stärken ausspielen (und ist entsprechend marketingträchtig). E-Commerce braucht aufgrund der stärkeren Kundenorientierung, der kleinen Sendungsgrößen, der schnellen Reaktionszeiten und dem hohen Handlingaufwand effiziente, effektive, individuelle, flexible operative Prozesse, die eng mit dem Informationsfluss und den IT-Systemen verknüpft sind. Digitale Kompetenz kann in diesem Segment entwickelt werden, bevor sie in vielen anderen Branchen der weitaus größeren (Export-) Industrie zum Einsatz kommt.
Vom E-Commerce lernen
Zu beobachten ist das am besten in der E-Commerce-Szene, die durch Startups und Innovationsprojekte der etablierten Unternehmen geprägt ist. Während viele Startups zunächst selbst versuchen, ihre Logistik zu lösen, suchen sich insbesondere Hersteller für ihre Direktvermarktung und kleinere Handelsunternehmen für ihre Multi-Channel-Lösung einen spezialisierten Logistikpartner. Dass hier viel passiert, ist nicht von der Hand zu weisen. Man könnte so weit gehen, den E-Commerce als Nukleus für die Digitalisierung der logistischen Prozesse in anderen Branchen zu bezeichnen: Wer E-Commerce und dessen IT-, Kundenorientierungs-, Logistik- und Service-Anforderungen verstanden hat, kann von diesen Erfahrungen für Lösungen in traditionelleren Branchen profitieren.
In diesem Blog sollen Sie einen Einblick in die Entwicklung der unterschiedlichen Segmente der Logistik bekommen. Da die Logistik eine Querschnittsfunktion durch alle Branchen ist, finden Sie hier monatlich wechselnde Schwerpunkte, die sich einerseits aus den Kurzfristprognosen speisen, die wöchentlich in der DVZ veröffentlicht werden, und andererseits aus aktuellen Veränderungen und Geschehnissen. Informationen werden also in den Kontext ihrer Auswirkungen auf die Entwicklung der Logistik in Deutschland gestellt.
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