Pferdefleisch in der Rinder-Lasagne, Esel im Rinder-Hackfleisch und Fuchs als Eselfleisch-Snack? Beim Griff in die Tiefkühltruhe im Supermarkt sieht die Welt noch in Ordnung aus, doch manchmal hält die Liste der Zutaten nicht so ganz, was sie verspricht. Wenn selbst Reineke Fuchs zu Hackfleisch verarbeitet wurde, dann heißt es: Willkommen im Dschungel intransparenter Supply Chains – eine Folge intransparenter Planung, begleitet von teuren, undurchsichtigen und unkontrollierten Prozessen. Wie lässt sich aber Transparenz im Supply Chain Management umsetzen?
Die jüngsten Lebensmittel-Skandale verdeutlichen die Problematik intransparenter Supply Chains. Auch wenn die Skandale neu sind, ist die Frage nach Transparenz in den Supply Chains keine neue. Lange richtete sich die Analyse der Transparenz auf alles, was im eigenen Unternehmen vor sich ging. Aufgrund der verschiedenen Skandale und der veränderten Kundenerwartungen ist es aber für Unternehmen auch wichtig geworden zu sehen, was außerhalb der eigenen vier Wände passiert. Transparente Prozesse helfen nicht nur an dieser Stelle, sondern können auch von eigenem Vorteil sein. Laut einer Verbraucherbefragung wünschen sich 82% aller Kunden mehr Transparenz von Unternehmen – zwei Drittel aller Einkäufer bevorzugen transparente Hersteller beim Kauf gleichwertiger Waren.
Im Supply Chain Management kann Transparenz von drei verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet und umgesetzt werden:
- mit Blick auf zunehmende Informationsmengen in der Supply Chain: hier geht es um Wirtschaftlichkeit, denn die Supply Chains werden immer komplexer – die Entscheider brauchen Transparenz über ihre eigenen Prozesse, um Planungssicherheit gewährleisten zu können.
- mit Blick auf die Beschaffung: um zu gewährleisten, dass die eingekauften Produkte auch die Qualität haben, die das Unternehmen erwartet.
- mit Blick auf die Kunden: hier geht es um die moralische Verantwortung und das Image des Unternehmens. Durch die Transparenz der Prozesse nach außen kann das Vertrauen der Kunden in das Produkt gestärkt werden.
Interne Transparenz durch Ausnahmenmanagement
Die Supply Chains vieler Unternehmen werden immer komplexer – das hat verschiedene Gründe, zu denen die Globalisierung, kürzere Reaktionszeiten und veränderte Produktlebenszyklen zählen. Zusammengefasst treffen stetig zunehmende Informationsmengen auf den Druck, immer schneller entscheiden zu müssen. Ohne ausreichende Transparenz wird die Adressierung dieser Herausforderungen praktisch unmöglich. Falsche Entscheidungen sind die Folge – Und wer systematisch falsche Entscheidungen trifft, kann mittelfristig nicht wettbewerbsfähig sein.
Transparenz bedeutet in diesem Fall aber nicht pauschal „alles im Blick“ zu haben. Ob sie den Lichtschalter in ihrem Zentrallager mit 100.000 Positionen betätigen, ist für das manuelle Auffinden einer speziellen Schraube vielleicht nicht ganz so wichtig. Wichtiger ist es zu priorisieren und sich nur um die wirklich wichtigen Aufgaben oder Entscheidungen im Supply Chain Management zu kümmern. Management-by-Exception lautet dieses Prinzip oder zu gut deutsch: Ausnahmemanagement. „Ausnahme“ impliziert dabei, dass der größte Teil der Entscheidungen nicht selbst getroffen wird.
Doch wie kommt man an diesen Punkt? Hilfestellung leistet hierbei Software basierend auf Operations-Research-Algorithmen. Diese liefern mit praxiserprobten Prognose- und Optimierungsverfahren die Grundlage für optimale, automatische Entscheidungen und liefern die notwendigen Informationen, um auch in kritischen bzw. Ausnahmesituationen den richtigen Weg einzuschlagen. Wichtig dabei ist, dass die Systeme nicht wie eine Black-Box agieren – sonst ersetzt Vertrauen die Transparenz – sondern alle Entscheidungen bei Bedarf nachvollziehbar machen.
Die zunehmende Informationsflut spielt den Systemen dabei in die Karten, denn die Entscheidungen werden besser, je mehr Informationen als Grundlage zur Verfügung stehen. So ist die Integration der Lieferanten in das Planungssystem sicherlich eine Herausforderung – aus Optimierungsperspektive aber der nächste logische Schritt. Wenn Sie sich gefragt haben, was Big Data mit Logistik zu tun hat – an dieser Stelle offenbart es sein Potenzial.
Externe Transparenz durch Öffnung
Oft geraten vor allem externe Schnittstellen von Unternehmen mit Subunternehmen in das Licht der Öffentlichkeit, wie die jüngsten Fleischskandale verdeutlichen. Ein typisches Beispiel dafür ist die vielmals komplizierte Lieferanten-Sublieferanten-Struktur, die bei verschiedenen Skandalen immer wieder aufgedeckt wird. So war es auch bei der „Lasagne Bolognese“ eines deutschen Einzelhändlerverbunds. Es war am Ende aber nicht das Unternehmen selbst, sondern ein Lieferant, der eine mögliche Beimischung von Pferdefleisch nicht ausschließen konnte. Die Beziehung zu Subunternehmen kann aber auch einen positiven Unterschied ausmachen: Ein recht beliebtes Getränk im Winter ist z.B. die heiße Trinkschokolade. Wenn die Kunden nun aber noch wissen, dass die deutschen Milchbauern und die afrikanischen Kakaobauern faire Preise für ihre Produkte erhalten und dass der Transport umweltschonend erfolgt, so wird ein wachsender Teil der Bevölkerung diesen Umstand positiv in den subjektiven Geschmack einfließen lassen. So schmeckt der Kakao aufgrund der moralisch-ethischen Komponente dann einfach doppelt so gut und wertet die Marke entsprechend auf. Transparenz kann also für die moralische Verantwortung und das Image bewusst eingesetzt werden und durchweg positiv wirken.
Wenn sich Unternehmen nicht öffnen, greift der Kunde im Zweifel auf andere Informationsquellen zurück, denn „der Kunde empfindet eine transparente Kommunikation inzwischen als eine Art Grundrecht. Er ist nicht mehr willfähriger Empfänger, sondern sich seiner Macht bewusst.“, wie Christiane Langrock-Kögel und Marc Winkelmann über Transparenz als Grundrecht des Kunden schreiben. Zudem werden Unternehmen, die sich nach außen öffnen, als innovativer und nachhaltiger wahrgenommen als andere – das gilt für kleine Unternehmen genauso wie für Global Player.
P.S. Es gibt sogar ein Ranking für die Top 10 der intransparenten Unternehmen. Im Zweifel gilt also: Trauen Sie sich! Werden Sie transparent und öffnen Sie ihre Supply Chains! Damit Esel, Esel und Pferd, Pferd bleibt. Aber vor allem Rindfleisch auch aus Rindfleisch besteht.
Was ist für Sie die größere Herausforderung – interne oder externe Transparenz? Ich freue mich auf Ihre Antworten!
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