Weltweit gibt es über 300 Städte, in denen mehr als 1 Mio. Menschen leben. China plant Städte mit 60 und 80 Millionen Einwohnern. Auch wenn dies extreme Beispiele sind: Immer mehr Menschen zieht es in die Stadt – im Jahr 2050 werden 2,5 Milliarden Menschen mehr in den Städten leben als heute.
Der Megatrend Urbanisierung hat weltweit Folgen: überlastet Straßen, überfüllte Schulen, die Infrastruktur leidet. Verschärft wird dies durch neues Konsumverhalten. Das Verschmelzen von Online- und Offline revolutionieren die Versorgung – Ecommerce übernimmt das Ruder. Immer mehr Güter werden direkt nach Hause geliefert, folglich wächst der Verkehr: Dabei soll die Lebensqualität nicht leiden. Das Dilemma ist offensichtlich. Parallel dazu entwickelt sich die Experience Economy – Einkaufen und Konsum als Erlebnis. Konsumenten erwarten neue logistische Dienstleistungen, wie beispielsweise die kurzfristige Änderung der Zustellzeit und des Zustellortes. Alles soll dabei erschwinglich bleiben.
Die Antworten der Logistik sind breit gefächert: autonome Lager, elektrische Fahrzeuge und elektrisch unterstützte Lastenräder, hybride Lösungen und transparente Abläufe und Prozesse. Automatisierung und Elektrifizierung sind logistische Schlüsselentwicklungen. Einen Königsweg gibt es dabei nicht: maßgeschneiderte Kombinationen sind gefordert. Digitale Plattformen schaffen die erwünschte Nachvollziehbarkeit und Steuerbarkeit. Nachstehend 20 Entwicklungen und Konzpete die heute oder morgen die City Logistik bewegen:
- Lkw-Platoons, d.h. mehrere digital verbundene Lkw, die mit einem aktiven Fahrer an der Spitze des Konvois bereits heute im Test über die Straßen rollen. Die Platoons sparen Platz, Treibstoff, Emissionen und Personalkosten. Sie helfen, dem Fahrermangel zu begegnen und reduzieren Treibstoffverbrauch, Emissionen und das Unfallrisiko. Denn über 90 % aller Unfälle sind auf menschliches Versagen zurück zu führen. Nach Meinung vieler wird Lkw-Platooning auf der Autobahn die erste Form des autonomen Fahrens sein, auch wenn in der Stadt selbst die Fahrer wieder das Steuer in die Hand nehmen.
- Das automatisierte Lager: Immer öfter bringen Lkw Waren zu Distributionslagern, in denen Roboter und Menschen Hand in Hand arbeiten. Während immer mehr Waren von Robotern in den Lagern hin und her transportieren werden, erhöht ‚augmented reality‘ die Produktivität bei der Kommissionierung, d.h. dem Herausnehmen, Bündeln und Verpacken der Waren – beispielsweise mittels einer intelligenten Datenbrille wie Google Glass.
- Umweltfreundliche Lkw: Um den operativen und vor allem finanziellen Auswirkungen von emissionsbedingten Fahrverboten in den Städten entgegen zu wirken, sind umweltverträgliche Lösungen gefragt. Der Großteil der Waren wird aufgrund der Größe der Sendungen immer noch per Lkw ausgeliefert. Druck lastet auf den OEMs, mit Elektro-Lkw aufzuwarten, um die Logistik und den Handel zu unterstützen. Der Mercedes-Benz Urban eTruck ist in kleiner Serie für dieses Jahr geplant – Nutzlast 12,8 Tonnen. Die Herausforderung liegt bei den elektischen Schwergewichten in der Wirtschaftlichkeit, Reichweite und der Nutzlast aufgrund des hohen Gewichtes der Batterie.
- Umweltfreundliche Zustellfahrzeuge: Auch hier stehen die OEMs unter Druck. Der Logistik-Konzern Deutsche Post DHL entschloss sich zur Entwicklung einer eigenen Lösung und gab im Dezember 2014 den Einstieg bei der StreetScooter GmbH bekannt. Das in Aachen ansässige Unternehmen entwickelt seit 2010 neue Mobilitätskonzepte für Städte und Ballungszentren. Elektro-Fahrzeuge gehören bei der Deutschen Post DHL zur GoGreen Strategie.
- Rollende Hubs: Nicht nur die Zustellung und Abholung kommt ins Rollen, auch die Basen des Umschlags – zumindest Untereinheiten davon. Diese dienen den Zustell- und Abholfahrzeugen als Basis, was ihnen die Rückkehr zum entfernten Lager erspart. Dazu werden die rollenden Hubs kontinuierlich entsorgt und mit neuen Sendungen versorgt, die von dort aus zu den Empfänger transportiert werden.
- POS Logistik: Am Point-of-Sale (POS) kann die Logistik enormes leisten. Denn im Zeitalter der Digitalisierung kommt es zur zunehmenden Verschmelzung von Logistik und Handel. Warum sollte nicht das gesamte sogennte Back-end des Handels von der Logistik gepowered werden?
- Laden mit Logistikfunktion: Der Einzelhandel kämpft mit Leerstand. Gleichzeitig wird der Platz in der Stadt rar – es fehlt an logistischen Flächen zur Lagerung und Sortierung. Im Zeitalter des E-Commerce kommt dem Einzelhandel eine neue Aufgabe zu: Neben der Rolle als Showroom und Beratungsstelle, kann der traditionelle Laden auch als Durchgangslager für Zustellung und Abholung genutzt werden. Dies schafft neue Marktchancen für traditionellen Einzelhandel und Logistik.
- Mikro-Depots: Mikro-Depots sind klein, über die Stadt verteilte Läger, um Platzmangel und Stoßverkehr zu entgehen und flexible in den urbanen Räumen agieren zu können. DHL kombiniert Mikro-Depots mit Lastenräder und Klein-Containern (1 Kubikmeter Volumen und 125 kg Ware). In Mikro-Depots, d.h. den kleinen Konsolidierungs- und Distributionsorten, werden bis zu vier Container stationiert und mittels vierrädrigen, elektrisch unterstützer Lastenräder auf der letzten Meile eingesetzt; für Zustellung und Abholung. Jedes Mikro-Depot ersetzt bis zu zwei Zustellfahrzeug und spart so jährlich über 16 Tonnen CO2 sowie weitere Emissionen ein.
- Lastenräder: Neben der DHL nutzt auch das Express-Unternehmen UPS Lastenräder im kombinierten Konzept. UPS nutzt allerdings abgestellte, im Fernverkehr eingesetzte Wechselbrücken als Mikro-Depot. Das Konzept wurde in Hamburg erfolgreich getestet und bereits auf Paris übertragen.
- Paketshop: An der Tankstelle, im Laden oder in der Filiale des Transportunternehmens erleichtern Paketshops die Empfangnahme und das Versenden von Waren für kleinere Geschäftstreibende und Privatpersonen. Eine gute Lösung für Click-and-Collect, d.h. die online bestellte Ware wird vom Kunden an einem vorbestimmten Ort abgeholt.
- Packstation: Nicht alle Paketshops sind rund um die Uhr geöffnet. Die Packstation bietet daher eine Lösung, die es berufstätigen Konsumenten ermöglicht, zu jeder Zeit online bestellte Ware entgegen zu nehmen. Dort lassen sich auch Retouren verschicken.
- Rollende Packstation: Das E-Commerce Unternehmen Amazon hat ein Patent für eine rollende Packstation angemeldet. Diese ist insbesondere dann eine interessante Lösung, sollten sich die autonomen Fahrzeuge in der Stadt durchsetzen.
- Paketkasten: Wer es ganz individuell möchte, kann sich einen Paketkasten vor dem Haus aufstellen (lassen). Die Paketdienste bieten dabei verschiedene Modelle an – Eigenentwicklungen, Lösungen Dritter oder in Kooperation entwickelte Paketkästen.
- Rollende autonome Zusteller: Die rollenden Roboter, beispielsweise bei Hermes in Hamburg im Test, können beispielsweise die beim örtlichen Händler online gekauften Hemden ausliefern – und auf Wunsch einen Umweg über die Apotheke machen, um Medikamente abzuholen. Auf dem Rückweg könnten sie dann die schmutzige Wäsche mitnehmen und bei der Reinigung anliefern bevor sie zur Basis zurückkehren, um dort die nächste Bestellung zu übernehmen. Natürlich kann der Roboter bei der Zustellung auch warten, bis der Konsument die Hemden anprobiert hat, um ggf. unpassende Ware gleich wieder mit zu nehmen.
- Multifunktionale Logistikfahrzeuge: Die rollendenden Roboter können auch von Fahrzeugen aus starten und den Boten bei der Zustellung und Abholung unterstützen. Mercedes-Benz und Starship Technologies haben einen ersten gemeinsam entwickelten Prototyp 2016 vorgestellt: ein Mercedes Benz Sprinter, der als mobiles Lade- und Transport-Hub, mit 8 rollenden Robotern ausgestattet ist. Und mit seinem Vision Van hat Mercedes-Benz eine Lösung entwickelt, die erlaubt, Matternet Drohnen von einem Fahrzeug aus einzusetzen. UPS testet den Einsatz von Drohnen aus den eigenen Fahrzeugen heraus mit dem Ziel die Zustellproduktivität zu erhöhen.
- Drohnen: Auch hier sind die Einsatzmöglichkeiten vielfältig: Drohnen können vom Distributionslager, dem Mikro-Depot, dem traditionellen stationären Laden oder vom Fahrzeug aus starten und nach erfolgter Zustellung wieder zur Basis zurück kehren, um dort wieder für den nächsten Einsatz beladen zu werden. UPS, DHL, DPD und Amazon führen Tests durch. Die schweizerische La Poste setzt Drohnen in Zusammenarbeit mit dem Startup Matternet zur Bedienung schwer zugängiger Gebiete – beispielsweise in den Bergen – ein
- Rollende Fabrik: Die Produktion in die Nachbarschaft eines jeden Kunden zu bringen, ist Traum der Chief Supply Chain Officers – am liebsten auch noch Fertigung nach Maß. Möglich wird dies durch Fahrzeuge, die mit 3D-Druckern ausgestattet sind. Auch dazu hat Amazon entsprechende Patente angemeldet. Zur breiten Anwendung muss sich der 3D-Druck allerdings noch viel weiter entwickeln. Die Speedfactory von Adidas ist ein Schritt in diese Richtung. Und vielleicht stellen Hersteller kleine Roboter-Textilfabriken gar in unsere Garagen, da wir diese in der autonomen Zukunft nicht mehr brauchen werden, da Mobilität als Service und im Sharing-Modus genutzt wird.
- Reverse Logistik: Im E-Commerce sind die Retouren eine große Herausforderung. Aber auch gesetzliche Bestimmungen und moralische Verantwortung der Konsumenten verlangen im Interesse von Mensch und Umwelt nach Weiterführung von Ressourcen (defekte und nicht mehr gewünschte Teile und Geräte), um diese im Kreislauf zu halten. Das digitale Kaufhaus, in dem wir heute shoppen, erleichtert dank verfügbarer Daten die Steuerung dieser Prozesse: So können Konsumenten direkt angesprochen und in den Rückführungsprozess aktiv eingebunden werden. Erreicht ein Produkt das Ende des jeweiligen Verwendungszyklus, kann der Kunden den Hersteller oder aber auch der Hersteller den Kunden ansprechen. Dann muss nur noch die Logistik stimmen.
- Verpackung: Nahezu alles, was zugestellt und abgeholt wird, bedarf einer Verpackung. Nicht erst seit dem Boom des E-Commerce wachsen uns die Müllberge über den Kopf. Es beginnt mit der Wahl der Verpackung: Wiederverwendbare Verpackung scheint die Ideallösung – aber ist dies praktikabel und ökonomisch? Aufgrund der Komplexität der Steuerung ist ein Kraftakt der Reverse Logistik nötig – digitale Plattformen helfen.
- Nacht-Logistik: Zur Entlastung der Städte und urbanen Ballungsräume bietet die Nacht ein vielversprechendes Experimentier- und Aktionsfeld. Durch die Zustellung in der Nacht kann die urbane Infrastruktur erheblich intensiver genutzt werden: dies erschließt 20-30 % mehr Kapazität. Dabei geht es allerdings nicht um die schlichte Erweiterung der Tagesaktivität, sondern um spezielles neue logistische Konzepte. Dies beinhaltet den Einsatz geräuscharmer Fahrzeuge ebenso wie die Nutzung spezieller Lade- und Entlade Hilfsmitteln. Auch die Lager- und Ladentüren müssen entsprechend geräuscharm gestaltet und das Personal im Fahrzeug und den stationären Einheiten auf die Nachtarbeit und deren Erfordernisse geschult sein.
Keine Stadt gleicht der anderen. Gefragt sind intelligente Kombinationen, die digital gesteuert werden: Das Zusammenspiel von Internet der Dinge, Künstlicher Intelligenz, Cloud, Wearables etc. wird die Mobilität der Zukunft bestimmen. Blockchain und Intelligente Kontrakte werden das Niveau der autonomen Lösungen erhöhen, denn dadurch können Maschinen mit Maschinen Geschäfte eigenständig betreiben. Der Mensch greift dann nur dort ein, wo es die Maschinen alleine nicht mehr schaffen. Dies wird insbesondere dann notwendig sein, wenn die Fahrzeuge in unseren Städten das alleine Fahren lernen müssen.
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