In meinem Blog „Das Supply Chain-Management in der Organisation: Praktiker, Taktgeber oder Think-Tank?“ habe ich die in der Supply Chain anfallenden Aufgaben strukturiert und mögliche Alternativen der Aufbauorganisation aufgezeigt und bewertet (https://www.bvl.de/blog/scm-in-der-organisation/). Unabhängig von der gewählten Konfiguration und dem Verhältnis Eigenleistung / Fremdvergabe sollten Unternehmen das Design ihrer Supply Chain regelmäßig hinterfragen, bewerten und ggfs. optimieren. Dies dient beispielsweise der Anpassung an neue Kunden- bzw. Marktanforderungen, an veränderte Lieferanten- und Beschaffungsstrukturen oder an neue Produkte und Produktionsprozesse – oder allgemeiner gesagt: der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit.
Design und Optimierung der Supply Chain (bzw. – hier synonym gebraucht – Logistik) werden typischerweise in Projekten durchgeführt. Dabei kann es aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein, temporär auf externe Unterstützung zuzugreifen:
- Effekt durch „Außensicht“ (z.B. Benchmarks und Innovationen aus der gleichen oder – noch besser – aus anderen Industrien),
- Zugewinn von Fachkompetenz (z.B. Ermittlung der Planungsgrundlagen, Entwicklung und Bewertung technischer Lösungen, Erstellung Masterplan),
- Zugewinn von Prozess- und Methodenkompetenz (beim Projekt- oder Change Management, bei der Moderation von Analyse- und Kreativitäts-Workshops etc.),
- Ergänzung von Personal-Kapazitäten und operativer Support,
- gezieltes Training interner Projekt-Mitarbeiter für künftige Projekte bzw. operative Aufgaben,
- Gewährleistung von Neutralität im Projektverlauf,
- interne Akzeptanzerhöhung („der Prophet im eigenen Lande…“).
Bevor man sich nun auf die Anbieter dieser Leistungen stürzt, sollte man sich zunächst über die Art und Weise der erwünschten Unterstützung im Klaren sein: Welche Rolle soll der Externe übernehmen, wie soll das Zusammenspiel mit den eigenen Führungs- und Fachkräften aussehen? In diesem Blog werden die Optionen Berater, Fachplaner und Coach gegenübergestellt.
Berater für Supply Chain-Management: Der Blick von außen
Ein guter Berater liefert als Experte Fach- und Methodenkompetenz, er gibt damit Orientierung und Sicherheit. Häufig ergänzt er auch fehlende interne Kapazität. Der Berater erschließt vor allem unternehmens-externe Ressourcen. Er soll Überblick und Neutralität gewährleisten, wohlklingende Namen fördern bisweilen die Akzeptanz im Top-Management bzw. bei Eigentümern.
Die Fragestellungen an den Berater können sehr allgemein sein, z.B. die Senkung von Kosten oder Beständen in der Supply Chain um x Prozent: Eine Herausforderung auch für diejenigen, die für diese Aufgaben im Unternehmen „eigentlich“ verantwortlich sind. Speziellere Aufgabenstellungen sind z.B.
- die Entwicklung unternehmens-, bereichs- und marktbezogener Logistikstrategien,
- die Operationalisierung neuer Technologietrends für das eigene Unternehmen („Logistik 4.0“),
- die (Grob-) Planung von Netzwerken, Lieferketten und Prozessen („Masterplan Logistik“),
- die Durchführung von Ausschreibung und Vergabe von Logistiksystemen /-leistungen,
- die Vorbereitung und Begleitung von Realisierung und Roll-out.
Die Bearbeitung erfolgt häufig in gemischten Projektteams von Berater und Kunde, dies bedingt eine genaue Klärung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen im Vorfeld und im Projektverlauf.
Fachplaner für Logistik: Nutzung von Spezialwissen
Wo gebaut, installiert und realisiert wird, schlägt die Stunde der Fachplaner: Die Planung mit ihren spezifischen Phasen und Inhalten ist integraler Bestandteil der Gesamtlösung. Oder: logistische Prozessveränderungen bedingen häufig komplexe IT-Projekte, angefangen mit der Erstellung des Lastenheftes bis hin zu Tests, Schulungen und zum Go-live. In jedem Fall wird spezielles Know-how benötigt. Dieses ist bei unabhängigen Fachplanern vorhanden, wird aber auch von den Anbietern der entsprechenden Systeme angeboten bzw. vermittelt. Erstere haben den Vorteil der Unabhängigkeit von Lösungen, Techniken und Systemen sowie Herstellern. Sie können später Realisierungspartner sein und im Kundenauftrag die Tests und Abnahmen durchführen.
Der Fachplaner stellt dem Kunden effektiv und effizient spezialisiertes Know-how zur Verfügung, dessen interner Aufbau sich für ein Unternehmen aufgrund der Einmaligkeit der Aufgabenstellung und der geringen „Halbwertszeit“ (aufgrund des technischen Fortschritts) nicht lohnt. Durch Erfahrungen aus einer Vielzahl vergleichbarer Projekte reduziert der Fachplaner damit die Projektrisiken. Beispielhafte Aufgabenstellungen sind
- Errichtung, Erweiterung oder Erneuerung von Logistik- und Distributionszentren, Umschlagpunkten sowie allgemein Lager- und Materialflusssystemen,
- Detailplanung von Prozessen und Umsetzung in Lastenhefte für die Abbildung im ERP- oder speziellen Logistik-IT-Systemen.
Die eigentliche Bearbeitung erfolgt oft unter Federführung des Fachplaners mit definierten Schnittstellen zu Abteilungen und Mitarbeitern des Kunden.
Business Coach: Hilfe zur Selbsthilfe
Mit dem Einsatz von Beratern oder Fachplanern wird primär externes Wissen genutzt. Häufig existieren jedoch Fragestellungen in SCM und Logistik, bei denen die Erschließung unternehmens-interner Ressourcen zu besseren Ergebnissen führt. Beim Coaching-Ansatz definiert der Kunde nicht nur das Ziel, sondern auch die Lösung selber. Damit können Identifikation und Akzeptanz und auf diese Weise die Nachhaltigkeit der Umsetzung ein deutlich höheres Niveau erreichen.
Coaching ist Hilfe zur Selbsthilfe. Es erfordert auf Seiten des Coaches eine entsprechende Haltung, insbesondere den Berater in sich „zum Schweigen“ zu bringen, sowie geeignete Techniken und Methoden, um den Prozess zu steuern. Der Coach steht für Methodenkompetenz, er ist aber nicht für das Ergebnis verantwortlich. Verfügt der Coach über Fach- und Industriekompetenz, erleichtert dies die Kommunikation, erhöht die Akzeptanz des Coaches und letztlich die Effizienz des Prozesses.
Ein Business-Coach kann dem „Coachee“ (oder den Coachees) auf Kundenseite dabei helfen, Abstand vom Alltagsgeschäft zu gewinnen und die Zukunft in den Blick zu nehmen, also „raus aus dem Problemsumpf“. Ziel ist es, dass der Coachee selber Optionen entwickelt, bewertet und umsetzt (und damit gleichzeitig seine Problemlösungskompetenz erhöht).
Fragestellungen im Coaching gehen davon aus, dass der Kunde ohnehin der wichtigste Wissensträger ist, dass dieses Wissen aber erschlossen werden muss. Das können dieselben Fragestellungen wie in klassischen Beratungsprojekten sein, z.B. die Entwicklung von Logistikstrategien oder die Umsetzung von Trends für das eigene Unternehmen. Besonders vom Coaching-Ansatz profitieren Themen wie
- die Erschließung von Verbesserungspotenzialen im Produktionsprozess,
- die interne Organisation von Teams und Abteilungen oder
- die Lösung von Konflikten zwischen diesen.
Klassisch wird das Coaching im Zusammenhang mit der Entwicklung von Nachwuchs- und Führungskräften angewandt oder beim Umgang mit Konfliktsituationen und Veränderungsprozessen.
Fazit
„Wir haben ein Problem und brauchen externe Unterstützung“ – am Anfang sollten diese Fragen stehen: Wollen wir eigenes oder fremdes Wissen nutzen? Wie weit sollen interne Ressourcen aktiviert und mobilisiert werden? Ist das benötigte Wissen eher allgemein und damit universell nutzbar oder sehr spezialisiert?
In der Praxis werden die beschriebenen Rollen Berater, Fachplaner und Coach häufig kombiniert angeboten und im konkreten Projekt auch angewandt. Viele Berater führen selber Fachplanungen durch. Andererseits haben Fachplaner den Anspruch, auch bei grundlegenden Fragestellungen umfassend und neutral zu beraten. Ein fachlich kompetenter Coach kann bei Bedarf in eine „Beraterrolle“ wechseln, z.B. beim Einbringen von externen Benchmarks in eine Organisationsentwicklung. Wenn sich Berater (auch) als Coach verstehen und „Beratung ohne Ratschlag“ erteilen (so ein Buchtitel von Sonja Radatz), kann dies den Umsetzungserfolg spürbar und nachhaltig erhöhen. Denn jeder Berater weiß: Verkauft der Kunde die Lösung im Unternehmen als seine eigene, dann war das Projekt ein Erfolg…
Sehr tolle Unternehmensberatung. Sollte jeden Unternehmen lesen.