Ein Artikel der DVZ vom 29. Oktober 2018 mit dem Titel „Der War of Talents intensiviert sich“ greift die Ergebnisse einer Studie des Trendence Instituts in diesem Jahr auf, bei dem mehr als 18.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit akademischem Abschluss und bis zu zehn Jahren Berufserfahrung online befragt wurden. Davon sind 551 Befragte im Segment im Segment „Logistik und Tourismus“ tätig. Die Logistikbranche belegte im Hinblick auf die Branchenattraktivität den drittletzten Platz von 14 Branchen – unattraktiver sind nur die Medien- und Werbebranche sowie die Finanzbranche. Betrachtet man die Attraktivität der in der Studie berücksichtigten Unternehmen im Vergleich zur Vorjahresbefragung, so haben es lediglich vier von 18 Unternehmen geschafft ihre Attraktivität zu verbessern. Fünf Unternehmen haben sich sogar im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. Dieses Ergebnis legt die Vermutung nahe, dass für die Unternehmen die Attraktivitätssteigerung im Hinblick auf ihr Image und ihrer Arbeitgebermarke nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die permanente Wiederholung des Fachkräftemangels als Ursache für Rekrutierungsprobleme scheint die bequemere Lösung zu sein.
Ein gravierendes Imageproblem scheint die Führungsqualität in der Logistik zu sein. 60 Prozent der Befragten sind mit dem Führungsstil in der Logistik unzufrieden. Über alle Branchen hinweg liegt die durchschnittliche Unzufriedenheit bei ca. 30 Prozent. Schlechte Führung ist weiterhin der Grund Nr. 1 für Unzufriedenheit im Job. Andererseits ist für 94,9 Prozent der Befragten gute Führung ein entscheidendes Kriterium für die Wahl eines Arbeitgebers. Portale wie Kununu liefern heute einen öffentlichen Einblick in die Führungskultur eines Unternehmens. Zahlreiche Unternehmen ignorieren negative Kommentare gerne mit dem Hinweis auf die berühmten Einzelfälle. Studien wie die von Trendence zeigen jedoch deutlich, dass es sich um mehr als unrühmliche Einzelfälle handelt, sondern die Branche ein grundsätzliches Problem hat.
„Call of Brands“ dringender denn je!
Der „Aufruf von Marken“ spielt bereits heute eine entscheidende Rolle für jeden, der für einen Wechsel des Arbeitgebers offen ist, oder erstmals nach Schule oder Studium den Einstieg ins Berufsleben sucht. Ohne eine attraktive Brand, konkreter formuliert eine attraktive Arbeitgebermarke, ist ein „War for Talents“ aussichtslos. Wie die zuvor dargestellten Ergebnisse der Studie deutlich belegen, sind alle Unternehmen heute gefordert, eine wahrnehmbare, authentische und dennoch differenzierbare Arbeitgebermarke zu entwickeln und zu kommunizieren. Die Herausforderungen im Recruiting werden sich in den nächsten Jahren weiter zuspitzen. Vor diesem Hintergrund stehen die Unternehmen der Logistik im direkten Wettbewerb mit anderen Branchen. Mit Blick auf die Zukunft geht es um nicht weniger als die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.
4 Meilensteine zum Call of Brands
Warum wir gerade in der Logistik eine eklatante Führungsproblematik haben, wie sie die Trendence Studie aufzeigt, soll nicht Gegenstand dieses Beitrags sein. Fakt ist jedoch, dass sich die Führungsthematik bereits seit vielen Jahren wie ein roter Faden durch unterschiedlichste Publikationen und Jobportale zieht. Trotz intensiver Investitionen in Weiterbildung und Führungsseminare bleibt der Erfolg offensichtlich aus, zumindest in Bezug auf die Wahrnehmung betroffener Personen. Als Teil der Arbeitgebermarkenbildung ist Employer Branding in erster Linie ein Prozess der Identitäts-, Kultur- und Organisationsentwicklung, bei der die Führungsqualität des Managements eine Schlüsselrolle einnimmt. Hier liegen die entscheidenden Stellschrauben, die bewegt werden müssen, um die Attraktivität und das Image von Unternehmen sowie der gesamten Branche zu verändern.
Um es noch einmal zu verdeutlichen, ich spreche nicht in erster Linie von Arbeitgeberwerbung oder Personalmarketing, sondern von fundamentaler Markenbildung auf der Basis einer soliden Unternehmens- und Führungskultur.
Unabhängig davon, wo Sie heute als Unternehmen stehen, sollten Sie 4 Meilensteine erreichen, um zu einer attraktiven Arbeitgebermarke zu werden.
- Analysieren: Transparenz für den gezielten Blick nach vorne
Unabhängig davon, ob Sie mit Ihrem Unternehmen bereits Employer Branding betreiben – Imagestudien, Arbeitsmarktanalysen, Wettbewerbsbetrachtungen bilden die Basis für eine permanente Analyse der aktuellen Situation. Neben der wiederkehrenden Analyse der Attraktivitätsfaktoren als Arbeitgeber und der Kommunikationsdurchdringung ist eine Panel-Befragung der eigenen Zielgruppe ein empfehlenswertes Instrument, um zu erfahren, wie Sie als Arbeitgeber tatsächlich wahrgenommen werden. Fragen Sie doch auch einmal Ihre Mitarbeiter nach ihren Erlebnissen und Erfahrungen. Strukturierte Fragebögen helfen Ihnen jedoch nur bedingt bei einer ehrlichen Analyse. Mitarbeiterinterviews durch erfahrene externe Spezialisten, die das richtige Gespür mitbringen, können dies eher leisten. Wichtig ist, aus der permanenten Analyse eine zukunftsbezogene Sollperspektive zu entwickeln, die sich an der Unternehmens- und Markenstrategie orientiert. Hierin müssen Fragen der Unternehmens- und Führungskultur nicht nur eingebunden werden, sondern bilden den Kern der Arbeitgebermarke. Die Kommunikation mit dem passenden Arbeitgeberversprechen muss ehrlich und realitätsgetreu stattfinden, mit Verzicht auf die üblichen Floskeln. - Positionieren: die Unternehmens-DNA als Differenziator
Eine klare Positionierung der Arbeitgebermarke ist der wichtigste Meilenstein auf dem Weg zum attraktiven Arbeitgeber. Mit einer professionellen Arbeitgeberpositionierung, auch „Employer Value Proposition“ genannt, erfüllen Sie im Wesentlichen zwei Qualitätskriterien: Sie stärken die Identifikation der Mitarbeiter und Sie verdeutlichen für Interessenten und potentielle Bewerber, was Sie als Arbeitgeber besonders macht und unterscheidet (Differenziator). Gerade eine eindringliche Differenzierung mit dem Wiedererkennungswert einer starken Marke braucht den Mut der Unternehmensleitung, sich für Botschaften zu entscheiden, die nicht alltäglich sind. Hierin liegt eine der größten Hürden auf dem Weg zur differenzierbaren Arbeitgebermarke. Viele Unternehmen werben noch immer mit austauschbaren Versprechen. Mit Allgemeinplätzen wie Karrierechancen, Work-Life-Balance, persönliche Entwicklung, gutes Klima und attraktiven Aufgaben beschreiben Sie lediglich die Grunderwartung der meisten potentiellen Bewerber. Damit werden Sie jedoch nicht zur unverwechselbaren Arbeitgebermarke. - Erzähl was in Dir steckt: Mit Authentizität und Offenheit mehr Recruiting-Effizienz
Der vereinzelte Einsatz von Stock-Fotos in Verbindung mit Produkt-News auf allen Social-Media-Kanälen, und dies alle paar Tage einmal, ist zwar ein Zeichen guten Willens, wird aber nicht zu einem dauerhaften Erfolg führen, wenn Sie langfristig als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden wollen. In einer vernetzten Welt ist eine kluge, wechselnde und dennoch langfristig angelegte Content- und Channel-Strategie wichtiger als die einmalige Kampagne. Der „Call of Brands“ ist kein Sprint, sondern eher ein Marathon. Nur mit einer zielgruppenorientierten Content-und Social-Media-Strategie, für die videobasierte Stories rund um das Unternehmensgeschehen, die Unternehmenskultur und die Mitarbeiter das Fundament bilden, erhalten Sie Aufmerksamkeit und steigern den Bekanntheitsgrad. Erzählen Sie, was Ihr Unternehmen ausmacht, transportieren Sie in Geschichten die Botschaften Ihrer Unternehmens-DNA und Sie werden die Effizienz des Recruitings langfristig erheblich verbessern. - Informieren: Wirtschaftsmacher und Logistikhelden sind gefragt
Neben der Entwicklung und Kommunikation der eigenen Arbeitgebermarke ist die Berücksichtigung der allgemeinen Branchen-Wahrnehmung ein wichtiger Aspekt, um eine langfristige Image-Verbesserung zu erzielen. Eine Beteiligung und Unterstützung branchenspezifischer Initiativen ist eine sinnvolle Ergänzung der eigenen Markenarbeit, gutes Beispiel sind die “Wirtschaftsmacher“, mit der Kampagne der @Logistikhelden.
Wenn Sie diese 4 Meilensteine erreicht haben, dann haben Sie gute Chancen beim „Call of Brands“ mit aufgerufen und berücksichtigt zu werden. Damit ist der Prozess jedoch nicht abgeschlossen. Mit guten Controlling-Instrumenten, wie einer Arbeitgebermarken-Scorecard, gilt es, Erfahrungen und Zielerreichung immer wieder zu hinterfragen, sprich mit dem Analysieren von vorne zu beginnen.
Weitere Anregungen und Ideen zur Gestaltung und Kommunikation einer attraktiven Arbeitgebermarke finden Sie auch in meinem aktuellen Buch „Employer Branding für die Logistik – mit Social Media eine attraktive Arbeitgebermarke entwickeln“.
Sehr interessant geschrieben.
Als Arbeitnehmer innerhalb der Logistikbranche, muss ich sagen, und ich halte es mal allgemein, dass es für motivierte MA oft keine Möglichkeit gibt ins Geschehen der Führung einzugreifen, geschweige dem Management Ideen zu unterbreiten. Was aber meiner Meinung nach absolut effizient wäre, da man an der Basis arbeitet und einen gänzlich anderen Überblick hat vom allgemeinen Geschehen. Paart Man nun diesen Überblick mit privatem Interesse an übergreifenden Themengebieten, wird man abgewürgt. Dann hat das Management plötzlich Angst. Sicher ist dies nicht überall der Fall, aber eben doch die Realität. Wenn man dann noch als Frau dar steht und einer Führung vormacht wie man Zahlen errechnet, Kapazitäten errechnet und vorhandenes Potential effektiv einsetzen kann – hat Frau verloren.
Um ein Unternehmen für einen MA attraktiv zu gestalten, bedarf es eines Managements, dass sich traut zuzuhören und eventuelle Verbesserungen tatsächlich anzunehmen, statt diese als Bedrohung der eigenen Position zu sehen. Leider ist dies nicht all zu oft der Fall und damit verkümmert Potenzial auf allen Ebenen.
Solange die Auftragslage stabil ist und bleibt, ist ein Verändern nicht notwendig.