„Angst kann mehr Schaden anrichten als der Virus selbst”, sagt Singapurs Ministerpräsident Lee HsienLoong angesichts des Ausbruchs des neuen Coronavirus.[1]
Doch woher kommt diese Angst?
Tagtäglich erreichen uns neue Schreckensmeldungen über das Ausmaß des Ausbruchs des neuen Coronavirus in China und dem Rest der Welt. Und dies nun schon seit Ende Dezember – zu diesem Zeitpunkt hat die chinesische Regierung die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über die neue „mysteriöse“ Lungenkrankheit informiert.
Die Geschäftswelt ist ebenso besorgt. Der Luftraum wird eng, da viele Linienflüge gestrichen wurden. Bis auf den Binnenhafen Wuhan arbeiten alle anderen Häfen noch. Allerdings ist viel weniger zu transportieren, denn die Produktionsmaschine Chinas ist noch nicht wieder angelaufen.
Die Zahl der Infizierten ist stetig gestiegen – zumindest in der Provinz Wuhan, wo es noch im Januar den ersten Toten gab. Stand heute (14.02.2020) sind weltweit mehr als 64.000 Fälle gemeldet. Dabei sind 1.383 Menschen verstorben.[2] Während im Krisengebiet die Zahl der Infizierten weiter steigt, stabilisiert sich die Lage im Rest des Landes.
Das Geschäftsleben ist dennoch stark beeinträchtigt. Die Auflagen erschweren die Arbeit. Beispielsweise sind Masken für Flüge Vorschrift; nur sind in China keine zu bekommen. Selbst in Tokio und Seoul nicht – denn die Chinesen kaufen die Bestände überall auf.
In Deutschland stehen zurzeit 14 Menschen, bei denen der neue Virus nachgewiesen wurde, unter Quarantäne.
Angst macht das neue Virus vor allem, weil es eben neu ist. Weil es noch keine Impfungen, keine Medikamente dagegen gibt. Und weil es wieder einmal zeigt, dass über die globalen Verbindungen weitaus mehr ausgetauscht werden kann, als nur Waren.
Aber ist dieses neue Virus wirklich so viel gefährlicher, so viel bedrohlicher als andere? Beispiel Ebola: Allein im Kongo sind 2018/19 etwa 3.000 Menschen an Ebola erkrankt, 2.000 von ihnen sind gestorben.[3]
Während in Deutschland äußerst ängstlich auf die 14 Patienten geschaut wird, die sich mit dem Coronavirus angesteckt haben und denen es nach Auskunft der Ärzte gut geht, sind zwischen Ende November 2019 bis Ende Januar 2020 beim Roland Koch-Institut (RKI) 35.712 Grippe-Erkrankungen labordiagnostisch bestätigt worden. Dabei sind 57 dieser Menschen an der Influenza gestorben.
Die Auswirkungen der Handelsspannungen zwischen den Vereinigten Staaten und China sind keineswegs Historie – der Technologiekrieg setzt sich fort. Auch der Brexit ist keinesfalls überstanden und die Folgen zeigen sich in den Büchern der Unternehmen. Bei alledem drohen auch noch Klimawandel und die Zerstörung der Meere. Am Ende wird es schwer, den ökonomischen Schaden der richtigen Ursache zuzuordnen.
Was sagt uns das? Von dem Coronavirus gehen neue Risiken aus – das ist unbestritten. Diese sind jedoch in Europa keinesfalls so groß, wie der Medien-Hype es vermuten lässt. Und auch wenn es in China weiterhin neue Fälle gibt und geben wird, hat die Regierung – auch wenn sie aus Sicht einiger spät reagiert hat – die Situation wahrscheinlich besser im Griff, als viele glauben.
Der Coronavirus zeigt geringe Auswirkungen auf die Logistik
Seit Anfang Februar taucht vermehrt ein wirtschaftlicher Aspekt in der Diskussion um den neuen Virus auf: Die Anfälligkeit unserer Supply Chain. Tatsächlich ist der Warenaustausch zwischen China und Europa zurückgegangen. Der Grund dafür liegt auch am chinesischen Neujahr, das dieses Jahr auf den 25. Januar gefallen ist. Zur Zeit des Neujahrs werden Unternehmen in China traditionell geschlossen. Es wird also auch für eine Weile nicht produziert. Erst Anfang Februar wäre die Produktion normalerweise wieder aufgenommen worden. Diese Zeitspanne wurde in 14 Provinzen, die für Zweidrittel der chinesischen Produktion stehen, aufgrund der aktuellen Situation verlängert. Mitarbeiter arbeiten von zuhause aus und Reisen sind, wie bereits gesagt, mit Auflagen verbunden. Auch besondere Meldepflichten für Unternehmen wurden eingeführt. Die damit befassten Mitarbeiter müssen sich ständig auf dem laufenden halten.
Wie sich das Coronavirus auf die Logistik auswirkt, wird sich bald zeigen. Denn gelegen im geographischen Herzen des Landes ist Wuhan das größte Wasser-, Land- und Luft-Hub Zentralchinas. Ideal gelegen erreichen Menschen und Waren von hier aus innerhalb von 1000 Kilometern Peking, Shanghai, Guangzhou, Chendu und Xi’an. In Wuhan kreuzen sich die Hochgeschwindigkeitsstrecke der Beijing-Hongkong Bahn und die Shanghai – Wuhan-Chengdu Passagierlinie. Innerhalb des 1000 km Radius um Wuhan leben über 1 Milliarde Menschen und findet 90 % der chinesischen Wirtschaft statt. Das Coronavirus hat also eine Hauptschlagader Chinas getroffen.
Viele Waren nach und aus China werden über den Luftweg transportiert – meist als Beifracht in Passagierflugzeugen. Bleibt es dabei, dass Lufthansa und andere Fluggesellschaften keine Flüge zwischen China und Europa anbieten, müssen für den Warentransport andere Wege gefunden werden – aber auch die internationalen Bahnverbindungen wurden suspendiert.
Die Zwangsferien und Auflagen werden zu Engpässen führen. In welchem Umfang wird sich zeigen – derzeit ist das chinesische Neujahr noch nicht lang genug her. Sollten weitere chinesischen Häfen geschlossen werden oder sich wie die Philippinen noch mehr Länder dazu entschliessen den Schiffen das Einlaufen in deren Häfen zu verweigern, die innerhalb der letzten 14 Tage – der Inkubationszeit – in einem chineischen Hafen angelegt haben, was eine signifikante Umschichtung der Sequenzen nach sich ziehen würde, kämen die globalen Lieferketten unter erheblichen Druck.
Ist Europa auf Störungen der Supply Chain vorbereitet?
Störungen der Lieferkette aufgrund von Naturkatastrophen oder anderer Ereignisse sind keine Seltenheit. Mit der zunehmenden engen Verzahnung müssen Unternehmen in der Lage sein, schnell und flexibel zu reagieren, wenn es zu einem Vulkanausbruch, einem Orkan, einer anhaltenden Dürre oder auch einem Terroranschlag kommt. Der Coronavirus mit seinen Folgen für Wuhan und die chinesische Wirtschaft ist dabei nur ein potenzieller Auslöser. Ob und inwieweit er die europäische Wirtschaft trifft hängt dabei auch von unseren Strategie ab, nicht alleine von denen der chinesischen Regierung. Es liegt an uns, Möglichkeiten des Warenaustausches zu schaffen, ohne eine weitere Verbreitung des Coranavirus zu unterstützen. Der bereits angesprochene Flugverkehr zu ausgewählten chinesischen Flughäfen, die nicht im Zentrum der Epidemie liegen, ist ein Ansatz dazu.
Vermeiden sollten wir, den Warenverkehr zwischen China und Europa bis zur Eindämmung der Epidemie ganz einzustellen. Denn das schwächt nicht nur Chinas Wirtschaft – es wird auch Europas Wirtschaft schaden. Und es ist – zumindest aus heutiger Sicht – auch unnötig. Denn trotz aller Risiken und Unwägbarkeiten, die der Coronavirus aktuell noch mit sich bringt, gibt es entlang der Supply Chain und speziell auch in Europa und Deutschland weit aus höhere Risiken. Risiken, über die hier kaum jemand spricht und die von vielen auch nicht als solche wahr genommen werden. Dazu zählen unter anderem die jährlich 20.000 bis 25.000 Grippetoten allein in Deutschland. Oder Versorgungsengpässe aufgrund Niedrigwassers in wichtigen Flüssen, so wie es 2018 und 2019 der Fall war. Dabei scheint angeraten, Extreme wie Panik und Ratlosigkeit bei Epedemien und Umweltkatastrophen doch besser zu vermeiden.[4]
Die Frage, wie Europa und Deutschland sich auf mögliche Störungen von Supply Chain und Versorgung vorbereiten können, geht also weit über das neue Virus hinaus. Studien zeigen, dass aber genau diese Vorbereitung nicht gegeben zu sein scheint. Gemäss einer Umfrage der Personalberatung Odgers Berndtson unter 700 britischen Führungskräften im Finanzbereich legte offen, dass 80 % der Befragten glauben, dass gut ausformulierte Strategien zum Umgang mit den Klimarisiken – beispielsweise – fehlen. Erkenntnis ist wie bekannt der erste Schritt zur Besserung.
[1] https://www.bloomberg.com/amp/news/articles/2020-02-10/as-asia-panics-one-country-wins-praise-for-approach-to-virus
[2] Laufende Aktualisierung der Zahlen unter https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/aktuelle-ausbrueche-epidemien/novel-cov.html
[3] https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/aktuelle-ausbrueche-epidemien/ebola-rdc.html
[4] https://www.deutschlandfunkkultur.de/folgen-des-duerresommers-wie-der-klimawandel-die-wirtschaft.976.de.html?dram:article_id=458970
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