Die Globalisierung und die damit einhergehende Arbeitsteilung sowie die Ausnutzung von Skalen-effekten hat in den letzten Jahrzehnten zu weltumspannenden Lieferketten geführt. Die dadurch entstandenen Vorteile dürfen jedoch nicht auf der Ausnutzung von Arbeitsbedingungen oder der Ausbeutung von Arbeitnehmern in Schwellen- und Entwicklungsländern beruhen. Regelungen wie der 2016 von der Bundesregierung eingeführte Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP), der keinen verpflichtenden Charakter hatte, haben in der Vergangenheit nicht zu einem Umdenken bei Unternehmen geführt. Eine Erhebung der Bundesregierung (https://www.csr-in-deutschland.de/SharedDocs/Downloads/DE/NAP/dritter-zwischenbericht-nap-monitoring-2020.html?__blob=publicationFile) kam zu dem Ergebnis, das die Ziele zur Stärkung der Menschenrechte in Lieferketten des NAP bei sehr wenigen Unternehmen umgesetzt wurden.
Darüber hinaus findet ein gesellschaftlicher Wandel statt. Kunden wünschen zu erfahren, unter welchen Umständen die bezogenen Waren produziert wurden und welche Rohstoffe dafür zum Einsatz kamen. Seit 2011 wurden vor diesem Hintergrund weltweit Richtlinien und Gesetze verabschiedet, so z.B.
- 2011: VN Leitprinzipen Wirtschaft und Menschenrechte
- 2016: Deutscher Nationaler Aktionsplan (NAP) Wirtschaft und Menschenrechte
- 2017: EU-Konfliktmineralien-Verordnung
- 2017: Loi de vigilance – LkSG Frankreich
- 2019: Niederlande: Gesetz gegen Kinderarbeit
- 2021: Deutsches LkSG
- 2022: EU-Gesetzgebungsvorschlag zur nachhaltigen Unternehmensführung (EU- LkSG).
Dieser globale Trend wird sich nicht mehr umkehren, sondern in den kommenden Jahren noch weiter an Bedeutung gewinnen. Das zeigt sich durch die steigende Aufmerksamkeit der Themen Nachhaltigkeit, Klimawandel und faire Arbeitsbedingungen.
Wen betrifft das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und ab wann?
Alle Unternehmen mit Sitz in Deutschland oder ausländische Unternehmen mit einer Zweigniederlassung in Deutschland, die ab 2023 mehr als 3.000 bzw. ab 2024 mehr als 1.000 Mitarbeiter/-innen in Deutschland beschäftigen. Bei Konzernen werden auch die Tochtergesellschaften berücksichtigt. Darüber hinaus betrifft es indirekt alle Zulieferer von Unternehmen, welche die Kriterien erfüllen.
Worauf sind die Sorgfaltspflichten anzuwenden?
Auf die Lieferkette, welche laut Gesetz (LkSG §2 (5)) durch „alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistung erforderlich sind, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu der Lieferung an den Endkunden“ beschrieben ist.
Die Sorgfaltspflichten des LkSG in der Übersicht:
1. Einrichtung eines Risikomanagements (§4 Absatz 1)
Das Unternehmen hat ein Risikomanagement einzuführen, welches menschen- und umweltrechtliche Risiken in der Lieferkette zu erkennen und zu verhindern hat. Erkannte Risiken sind zu minimieren oder zu beseitigen. Die Geschäftsführung muss über das Risikomanagement im Bilde sein und sich mindestens einmal im Jahr darüber informieren.
2. Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit (§4 Absatz 3)
Unternehmen müssen festlegen, wer für die Überwachung/Einhaltung des Gesetzes zuständig ist, z.B. ein Menschenrechtsbeauftrager.
3. Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen (§5)
Regelmäßige Analysen sind im eigenen Geschäftsbereich (alle eigenen Betriebsstätten/Niederlassungen im In- und Ausland) und anlassbezogen in der gesamten Lieferkette vorgeschrieben. Mindestens einmal im Jahr muss eine Risikoanalyse (menschen- und umweltrechtliche Risiken) mit den unmittelbaren Lieferanten durchgeführt werden (regelmäßige Analyse). Darüber hinaus muss bei der Einführung eines neuen Geschäftsbereiches, bei der Einführung neuer Produkte, bei Kenntnisnahme von Missständen (substantiierte Kenntnis) oder einer wesentlichen Änderung der Risikolage in der Lieferkette eine Risikoanalyse über das gesamte Lieferantennetzwerk (Tier 1-n) erfolgen.
Ermittelte Risiken sind zu gewichten und zu priorisieren, Maßnahmen zur Beseitigung einzuleiten und die Ergebnisse an den Vorstand/Geschäftsführung und die Einkaufsabteilung zu kommunizieren.
4. Abgabe einer Grundsatzerklärung (§6 Absatz 2)
Wurde eine Risiko erkannt, hat die Geschäftsführung öffentlich an den Betriebsrat, die Beschäftigten und die unmittelbaren Lieferanten eine Grundsatzerklärung abzugeben. Diese gibt die priorisierten Risiken, eingeleitete Maßnahmen, Erwartungen an Beschäftigte und Lieferanten und die wesentlichen Inhalte der entwickelten Menschenrechtsstrategie wieder. Die Grundsatzerklärung ist ein dynamisches Dokument und laufend anzupassen.
5. Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich (§6 Absatz 1 und 3) und gegenüber unmittelbaren Zulieferern (§6 Absatz 4)
Präventionsmaßnahmen beziehen sich auf die eigene Beschaffungsstrategie, Schulungen (intern und bei Lieferanten), Audits (angekündigt/unangekündigt) und vertragliche Vereinbarungen.
6. Ergreifen von Abhilfemaßnahmen (§7 Absatz 1 und 3)
Abhilfemaßnahmen sind zu treffen, wenn Risiken oder Verletzungen der Sorgfaltspflichten bekannt werden. Dies können zum Beispiel Konzepte/Pläne sein, die mit Lieferanten entwickelt werden und die erkannten Risiken/Verletzungen beheben sollen. Des Weiteren gibt es Brancheninitiativen denen beigetreten werden kann, um beispielsweise die Arbeitsbedingungen oder die Arbeitssicherheit von Produktionsstätten im Ausland zu verbessern.
Sollten die ergriffenen Abhilfemaßnahmen nicht zum Erfolg führen ist die letzte Möglichkeit der Abbruch der Geschäftsbeziehung.
7. Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (§8)
Alle vom LkSG betroffenen Unternehmen haben ein Beschwerdeverfahren einzurichten, welches für alle Arbeitnehmer der zugehörigen Lieferkette erreichbar zu sein hat. Das Beschwerdeverfahren muss öffentlich und barrierefrei zugänglich gemacht werden und in Textform erläutert werden. Daneben haben betroffene Unternehmen die Möglichkeit, sich an einem externen Beschwerdeverfahren (z.B. von Branchenverbänden) zu beteiligen.
8. Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern (§9)
Erfährt das Unternehmen wie unter Punkt 3 beschrieben von Missständen bei mittelbaren Lieferanten, hat es eine anlassbezogene Risikoanalyse durchzuführen und entsprechende Präventions- und Abhilfemaßnahmen umzusetzen.
9. Dokumentation (§10 Absatz 1) und Berichterstattung (§10 Absatz 2)
Das Unternehmen muss fortlaufend seine Aktivitäten zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten dokumentieren. Darüber hinaus hat es spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres einen Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten des vergangenen Geschäftsjahres zu veröffentlichen. Dieser Bericht muss für mindestens sieben Jahre öffentlich zugänglich gemacht werden.
Das Kontrollgremium auf Seiten der Bundesregierung ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Was sieht der EU-LkSG-Entwurf im Vergleich zum deutschen LkSG vor?
Der Richtlinienentwurf vom 23.02.2022 der EU-Kommission (https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/doing-business-eu/corporate-sustainability-due-diligence_de) sieht zwei wesentliche Verschärfungen im Vergleich zum deutschen LkSG vor. Der erste Bereich bezieht sich auf die umfangreicheren Anwenderkriterien, bei denen zwischen zwei Gruppen unterschieden wird. Gruppe eins sind Unternehmen mit 500 Mitarbeiter/-innen und einem weltweiten Umsatz über 150 Mio. Euro.
Für Unternehmen aus Branchen, welche in Risikosektoren im Hinblick auf Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit tätig sind, sieht der Entwurf bereits eine Gültigkeit ab einer Unternehmensgrüße von 250 Mitarbeiter/-innen mit einem Umsatz über 40 Mio. Euro vor. Dazu zählen die Branchen der Textil-/Fashionindustrie, Landwirtschaft/Ernährung sowie Unternehmen im Bereich Rohstoffabbau, -verarbeitung und -großhandel.
Der zweite Bereich betrifft die Haftung. Das deutsche LkSG sieht keine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen vor, die Richtlinie der EU-Kommission hingegen schon. Damit ist es möglich, dass Unternehmen für Schäden, die durch Nichtergreifen von Abhilfe-/Präventionsmaßnahmen entstanden sind verklagt werden können.
Das EU-LkSG berücksichtigt mittelbar betroffene KMU. Vertragliche Regelungen bzw. Verpflichtungen müssen verhältnismäßig und nichtdiskriminierend sein. Darüber hinaus sollen anfallende Zertifizierungskosten nicht von den KMU selbst getragen werden müssen. Somit können die betroffenen Unternehmen nicht die gesetzlichen Anforderungen an die Lieferanten weiterreichen, sondern müssen KMU bei der Umsetzung unterstützen.
Was bedeutet das für den Wirtschaftsbereich Logistik und Logistikdienstleister?
Eine pauschale Antwort lässt sich hier nicht treffen. Große Logistikdienstleister sind direkt vom LkSG betroffen, sofern sie mehr als 3000 Mitarbeiter/-innen in Deutschland beschäftigen bzw. 1000 ab 2024. Nun sind viele Logistikdienstleister deutlich kleiner und trotzdem betroffen, da sie die Transport-, Umschlag- und Lagerprozesse großer direkt betroffener Unternehmen übernehmen. Für die KMU-Logistikdienstleister bedeutete das, dass sie zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten durch Verträge verpflichtet werden können. Sie unterliegen jedoch keinen Berichts- und Dokumentationspflichten gegenüber der BAFA (https://wirtschaft-entwicklung.de/wirtschaft-menschenrechte/fragen-und-antworten/#faq-answer-8).
Eine Unterscheidung nach Tier-Level ist an dieser Stelle nicht zielführend. Zwar unterscheidet das deutsche LkSG nach unmittelbaren Zulieferern und mittelbaren Zulieferern, doch wird es in den Lieferketten zu einer Kaskadierung bzw. Weitergabe der Nachweispflichten durch vertragliche Regelungen der direkt betroffenen Unternehmen kommen. KMU-Logistikdienstleister sind in der Pflicht, nachweisen zu können, dass sie die Menschenrechte achten, gute Arbeitsbedingungen bieten und Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Sie sollten ihrerseits Risikoanalysen sowie Audits und Schulungsmaßnahme für ihr eigenes (Sub-)Lieferantennetzwerk entwickeln oder nachweisen können.
KMU-Logistikdienstleister sollten die Chancen, die sich mit dem LkSG bieten nicht unterschätzen. Gut aufgestellte Logistikdienstleister können sich einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten, indem sie sich für Themen wie faire Arbeitsbedingungen oder Nachhaltigkeit einsetzen und über ihre Tätigkeiten und Erfolge berichten. Reputation ist hier das Stichwort. Wer nachweislich Einsatz zeigt, wird dafür auch belohnt. Wer versucht sich besser darzustellen verspielt Vertrauen, was einen großen Imageschaden nach sich ziehen kann. Die Hersteller werden in Zukunft sehr genau darauf achten, wer für sie Dienstleistungen erbringt und wie es um die Reputation des Dienstleisters steht.
Welche Hilfestellungen stehen zur Verfügung?
Der Bund stellt Informationen zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten für alle Unternehmen zur Verfügung. Einen Überblick finden Unternehmen beim Bundeministerium für Arbeit und Soziales und dem zugehörigen Helpdesk für Wirtschaft und Menschenrechte unter https://www.csr-in-deutschland.de/DE/Wirtschaft-Menschenrechte/Umsetzungshilfen/umsetzungshilfen.html . Eine weitere hilfreiche Orientierung bietet der KMU Kompass der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung unter https://kompass.wirtschaft-entwicklung.de/ oder der neu entwickelte Praxislotse Wirtschaft und Menschenrechte unter https://bhr-navigator.unglobalcompact.org/?lang=de.
Benötigen Sie Hilfe bei der Umsetzung oder sind Sie auf der Suche nach einem passenden Tool?
Zur Erfüllung der Anforderungen des Gesetzes gibt es nicht die eine Lösung. Die Lösung beziehungsweise Umsetzung muss am Reifegrad des zu betrachtenden Unternehmens ausgerichtet werden. Cassini Consulting kann Sie dabei gerne unterstützen. Darüber hinaus werden weiterführende und kostenfreie Vorträge zur Umsetzung des LkSG angeboten. Den Link dazu finden Sie unten angehängt. Sollten Fragen offenbleiben oder Sie möchten uns Ihren Bedarf schildern, kommen Sie gerne auf uns zu.
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