An dieser Stelle möchte ich den Blog für ganz persönliche Worte zum Deutschen Logistik-Kongress (DLK) 2022 nutzen. Diese Zeilen sind bewusst unwissenschaftlich formuliert. Aber dafür ist ein Blog ja auch da 😉 (schon dieses Emoji weist den Weg…).
Es ist seit Jahren der erste Deutsche Logistik-Kongress ohne Restriktionen aufgrund der COVID19-Pandemie. Sie können sich vorstellen, wie elektrisiert ich war, wie sehr ich mich auf diesen Kongress gefreut habe: Endlich wieder mit Expertinnen und Experten, mit Entscheiderinnen und Entscheidern der Logistik zusammenzustehen, auf hohem Niveau ungezwungen über die aktuellen Entwicklungen zu diskutieren und als „Theoretiker“ den „Puls der Praxis“ zu spüren. Eines kann ich schon an dieser Stelle schreiben: Der Puls war ruhig, gleichmäßig. Keine Lamenti oder ausufernden Befürchtungen über die derzeitige oder zu erwartende Lage im Wirtschaftsbereich Logistik. Die letzten Jahre haben die Unternehmen offensichtlich gestärkt, die Akteure der Logistik haben Selbstbewusstsein entwickelt und sind sich sicher: Wir können Krise.
Diese Stimmung konnte in jedem Winkel wahrgenommen werden. Nicht jammern, sondern sich den Herausforderungen stellen, das war das Motto. Sicher: Wer auf dem Kongress anwesend ist, ist in dieser Hinsicht oft nicht repräsentativ. Denn tendenziell sind diejenigen nicht auf solchen Veranstaltungen, die aufgrund von akuten Herausforderungen im Betrieb anderweitig gebunden sind. Nun darf ich aber schon seit 20 Jahren den Kongress besuchen – und daher weiß ich: Da waren schon ganz andere Stimmungen wahrzunehmen. Dabei rede ich nicht von 2008 und 2009, als die Finanzkrise ausbrach bzw. in vollem Gange war. Vielmehr haben insbesondere die Logistikdienstleister noch bis 2018 über Preiskämpfe und Kostendruck geklagt – obwohl die Inflation niedrig war.
Und heute? Ja, über steigende Kosten wird gesprochen. Engpässe bei Fachkräften und Transportkapazitäten sowie explodierende Energiekosten treiben die Inflation. Sicherlich wird die Zeit nicht leichter. Wie schreibt Ralf Busche in der aktuellen Studie zum Einkauf in der Chemielogistik treffend? Die aktuelle „Situation wird kritische Diskussionen zwischen Logistikdienstleistern und Verladern im Rahmen anstehender Tender bewirken.“ Im Gegensatz zu vergangenen Krisenjahren wird aber mehr über Lösungen diskutiert. Denn die Logistik hat in den letzten Jahren viel zu deutlich erkennen können: Ohne uns kann die deutsche Wirtschaft nicht an die Erfolge der Vergangenheit anknüpfen. Nur mit uns können die Wünsche der Kundinnen und Kunden erfüllt werden. Wir sind systemrelevant.
Es besteht trotzdem die Gefahr, dass dieses Selbstbewusstsein in Überheblichkeit kippt. Das konnte ich auf dem Kongress jedoch nicht wahrnehmen. In der Grundeinstellung haben bei den Logistikdienstleistern die Kundenorientierung und die partnerschaftliche Zusammenarbeit überwogen. Dies wird hoffentlich seitens Industrie und Handel erkannt.
Nun sind immerhin drei Jahre seit dem letzten Kongress in „normalen“ Zeiten vergangen. Trotzdem: Es war und ist wie „nach Hause kommen“. Alles ist irgendwie vertraut, der Einstieg ist unmittelbar, Orientierung nicht notwendig. Was mir auch aufgefallen ist: Ich bin älter geworden. Oder positiver ausgedrückt: Ich bin mit dem Kongress gewachsen. Ebenso habe ich bemerkt, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer strukturell verändert haben. Ja, manche sind mit mir gealtert (den meisten sieht man es natürlich nicht an). Als ich vor fast 20 Jahren das erste Mal auf den Kongress gehen durfte, war ich grün hinter den Ohren, alles war aufregend, faszinierend. Die Logistik hatte damals noch nicht den Stellenwert wie heute. Der DLK war einer der wenigen ernst zu nehmenden Kongresse insgesamt – und in der Logistik gab es keinen vergleichbaren. Deshalb haben sich hier die „Großen“ des Wirtschaftszweigs getroffen. Das ist heute noch so. Und das ist aus meiner Sicht das große Alleinstellungsmerkmal. Auch wenn es einige neue und auch interessante Veranstaltungsformate gibt, die für die Akteure der Logistik eine Plattform des Austauschs bieten wollen: Kein anderer Treffpunkt hat (bislang) eine vergleichbare Anziehungskraft für die aktuellen Lenkerinnen und Lenker, die Entscheiderinnen und Entscheider in der Logistik – schauen Sie sich einfach mal das Programm und die Teilnehmerliste an.
Jetzt kommt eine neue Generation nach. Nicht nur jüngere Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren zugegen – dafür hat die BVL immer gesorgt, dass Studierenden die Möglichkeit der Teilnahme gegeben wird (wovon auch unserer Schwerpunkt Logistik der Hochschule Würzburg profitieren konnte). Auch zeigt sich mittlerweile, dass Frauen größeres Interesse an diesem Wirtschaftszweig haben. Der höhere Frauenanteil in den Studiengängen, bspw. im Schwerpunkt Logistik bei uns an der Hochschule, macht sich bemerkbar. Die durch die Pandemie und ihre Auswirkungen auf die Arbeitswelt geprägte neue Generation blickt mit anderen Augen auf die Möglichkeiten des Netzwerkens und des Austauschs in der Logistik. Sie suchen Veranstaltungen gezielter aus. Auf jeder Konferenz, auf jedem Symposium, auf jeder Messe zu sein ist kein Automatismus mehr. Dafür gibt es nicht zu viele. Auch hat das veränderte Selbstverständnis von Familie und Beruf den Effekt, dass selektiver auf Reisen gegangen wird – insbesondere, wenn diese mit Übernachtungen einhergehen.
Solange der DLK „Talk of the Town“ ist, hat er eine hohe Relevanz. Weil er die Kernbotschaft vermittelt, weil er das Bild und den Wert der Logistik für Deutschland, seine Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt herausstellt und einen Weg für die Zukunft aufzeigt, damit der Standort Deutschland trotz der Herausforderungen und Entwicklungen führend bleibt. Und diese Relevanz hat der DLK – gegen alles Lamentieren und Kritisieren. Er hat einen harten Markenkern, der herausgearbeitet werden kann, damit auch die „Top Shots“ von morgen sich den Termin dick im Kalender anstreichen.
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