Die weltweite geopolitische Lage hat sich über die letzten Jahre zugespitzt. Dies zeigt sich am Grenzkonflikt im Himalaya zwischen der Volksrepublik China (China) und Indien, an den Entwicklungen im südchinesischen Meer oder dem technologischen und handelspolitischen Wettstreit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und China. Neben der sicherheitspolitischen Verschärfung, hat sich allerdings auch ein globaler Klimawettlauf entwickelt. Die Europäische Union (EU) will mit Hilfe des EU Green Deals bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden. Daneben haben sich circa 60 Staaten bis zum Jahr 2050 zur Klimaneutralität verpflichtet und China strebt diese bis 2060 an.
Was sind die Wechselwirkungen zwischen Sicherheitspolitik und Klimapolitik und wie wirken sich die derzeitigen geopolitischen Entwicklungen und insbesondere der Krieg in der Ukraine sowie die Sanktionen gegen Russland auf die Klimapläne aus? Was wird diese weitere große menschliche Katastrophe, die sich vor unseren Augen abspielt, in Bezug auf die Klimapolitik auf lokaler und globaler Ebene bewirken? Die Antwort hierauf sucht dieser Beitrag zu geben.
Russland gehört zu den drei weltweit größten Lieferanten fossiler Treibstoffe. Dazu gesellen sich die geopolitischen Dauerbrenner Iran und Venezuela, die aufgrund ihrer Erdölreserven auch Einfluss auf das Klimakalkül nehmen. Das größte Ölexportland ist Saudi-Arabien, das mit der Intervention in Jemen, die nach Einschätzung der Vereinten Nationen aktuell größte humanitäre Katastrophe zusammen mit anderen Staaten herbeiführte. Angesichts der Einkünfte aus Produktion und Verkauf fossiler Energien und der Wichtigkeit der Energieversorgung, wundert es kaum, dass Klimapolitik höchst politisiert ist, was den Kampf gegen den Klimawandel erschwert.
Klimaaufbruch trotz negativer (geo-)politischer Tendenzen
Die globale Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 beendete eine Phase des Aufschwungs. Die Krise hat einigen Staaten erheblich geschadet, insbesondere den USA und Ländern in Osteuropa. Noch wichtiger jedoch ist, dass die ärmeren sozialen Schichten primär betroffen waren. Einige Ländern entwickelten durch die Krise ein neues Selbstbewusstsein, beispielsweise China und Indien. Egal ob vermeintliche Gewinner oder Verlierer, einige Staaten verzeichneten im Nachgang zur Finanzkrise einen Aufstieg populistischer Parteien, die der Wirtschaft möglichst freien Lauf geben möchten und der Klimapolitik daher eher ablehnend gegenüberstehen. Die Tatsache, dass neue Wege auch neue Einnahmequellen mit sich bringen, stößt dort auf den Widerspruch etablierter Spieler. Das Transitionen Investitionen erfordern, gilt für die Energiewende genauso wie für anderen Umbrüche, wie beispielsweise die Digitalisierung. Es geht um langfristige Weichenstellungen.
Trotz des Aufstiegs der populistischen Kräfte kam es mit dem Pariser Klimaabkommen zum Durchbruch. 2015 einigten sich 196 Staaten auf einen Vertrag zur Drosselung der Erderwärmung. Diesem folgten weitere Abkommen in Luft- und Seefahrt, zwei Bereiche, die vom Pariser Klimaabkommen ausgenommen waren. Branchen und Länder erhöhten ihre Anstrengungen die Wirtschaft und den Logistik- und Transportsektor zu dekarbonisieren. Auf der Klimakonferenz in Glasgow wurden weitere Fortschritte erzielt, die dem Markt für Klimalösungen Auftrieb gaben. Zu den COP26 Initiativen gehört u.a. die Absichtserklärung wesentlicher Hersteller und Flottenbetreiber im Schwerlastverkehr auf der Straße den Dieselmotor auslaufen zu lassen. Kurz vor Toresschluß verkündeten China und die USA eine Kooperation im Bereich Klimaschutz. All dies ereignete sich trotz erheblicher geopolitischer Spannungen.
Energiesicherheit ist wieder politisches Thema
Am 24. Februar 2022 drangen russische Truppen in die Ukraine ein, was einen weltweiten Energienotstand auslöste und die Preise explodieren ließ. Die westliche Welt fühlte sich auf einmal erpressbar. Europa ist derzeit von russischen Öl- und Gaslieferungen abhängig. Die EU deck 23% und Deutschland sogar 42% seines Erdölbedarfs durch russische Einfuhren. Dies möchten die Entscheider ändern. Die EU strebt eine erhebliche Senkung der russischen Energieeinfuhren bis 2027 an. Erneuerbare Energien sind Teil des EU-Kalküls. Aber auch die Erhöhung der Erdgasimporte aus alternativen Ländern, wie Qatar, den USA und Westafrika.
Die Russland-Ukraine Krise kann zu positiven und negativen Entwicklungen in Bezug auf die Klimapolitik führen. Während einige Experten von einer Beschleunigung der Transition durch verstärkte Investitionen in erneuerbare Energiequellen sprechen, oder gar von einer möglichen tektonischen Verschiebung, warnen andere vor katastrophalen Folgen. Dies beispielsweise durch Störungen in der Verfügbarkeit von kritischen Metallen, die für grüne Technologien, wie Solar- und Windanlagen oder Batterien für Elektrofahrzeuge benötigt werden. Russland und die Ukraine sind Schlüssellieferanten solcher Rohstoffe. So deckt Russland 7% des weltweiten Nickelbedarfs. Kurz nach Ausbruch des Krieges erhöhte sich der Nickelpreis um 250%. In Europa führte der Ukraine Krieg zu einem Anstieg der Kohleimporte und in Australien verlangt die Kohlelobby die Aufschiebung der Klimaneutralität, die dort für 2050 angestrebt wird.
Auch Befürworter der Klimawende verstärken ihre Bestrebungen Bevölkerung, Wirtschaft und Politik auf die Gefahren und Risiken von Verzögerungen bei den Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen hinzuweisen. Zu den Stimmen gehören die Vereinten Nationen. Aber auch viele regionale und lokale Interessenvertretungen sprechen sich für die Beibehaltung des grünen Kurses aus. Unter den Regierungen wird die EU neben Kalifornien weltweit als führend in Sachen Klimapolitik angesehen. Aber auch China wird eine hohe Kompetenz und Entschlossenheit auf diesem Gebiet zugesprochen.
Zwischen globalen Notwendigkeiten und regionalen Abkopplungen
Während auf der einen Seite die globale Klimabewegung ihren Lauf nimmt, koppeln sich einzelne Staaten und Blöcke immer mehr vom Weltgeschehen ab. Dies ist der Klimapolitik insofern nicht zuträglich, da Branchen wie See- und Luftfahrt global sind und daher internationale Regelungen benötigen. Insellösungen bringen erheblichen administrativen Aufwand und technische Herausforderungen mit sich. Während geographische «Inseln» die globale Zusammenarbeit erschweren, sind deren Regierungen hochmotiviert energieunabhängig zu werden. Ein Vorteil der kleineren Gruppierungen ist auch ihre höhere Flexibilität und die schnellere Entscheidungsfindung. Insgesamt jedoch wirkt sich eine geographische Fragmentierung, die mit der derzeitigen geopolitischen Situation einen Schub erhalten kann, negative auf die Klimapolitik aus. Denn die mangelnde internationale Kooperation mit fehlenden Standards für grüne Technologien und der eingeschränkte Wissens- und Erfahrungsaustausch werden die Investitionen in und den Einsatz von umweltfreundlichen Technologien eher bremsen. Das Idealszenario ist eine kollaborative an Klimazielen und dem Allgemeinwohl ausgerichtete Weltgemeinschaft.
Während Wirtschaftsunternehmen nach mehr Regulierung, beispielsweise bei grünen Betriebsstoffen in der Seeschifffahrt als klares Nachfragesignal, rufen, spielt die Politik den Ball zurück und verweist auf die Privatwirtschaft als die richtungsweisende Instanz. Hier besteht Abstimmungsbedarf. In der Zwischenzeit ergreifen Pionieren die Chance und beginnen die Standards selbst zu setzen, um die Entwicklung zu beschleunigen und ihre Position auszubauen. Dies vollzieht gerade beispielsweise Maersk, eine der weltweit größten Containerschifffahrtslinien, mit der Bestellung von 12 Methanol-betriebenen Schiffen. LNG hat sich bereits als Zwischenlösung etabliert. In der Kurzstreckenschifffahrt werden als Regionallösung Biokraftstoffe eingesetzt.
Abschlussgedanken
Die geopolitische Lage hat uns aufgerüttelt. Abhängigkeiten können durch erneuerbare Energien reduziert werden. Dabei werden aber neue Abhängigkeiten entstehen, denn nicht jedes Land verfügt über ausreichend Wind oder Sonne. Dennoch ist der Weckruf Anstoß über das Energiemix nachzudenken. Die EU hat als Reaktion auf die Russland-Ukraine Krise die Weichen bereits in Richtung erneuerbare Energien gestellt.
Die Zukunft liegt in den Händen der Politiker. Diese sind aber nicht nur auf eine erfolgreiche Wirtschaft, sondern auch auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. Damit liegt ein erheblicher Teil der Verantwortung bei uns Bürgern. Daneben sollten Unternehmen auch ihren Beitrag leisten. Zeit zum Zögern haben wir nicht. Bereits vor der Russland-Ukraine- Situation lagen Solar- und Windanlagen bereits 30% unter dem, was zur Erreichung der Klimaziele in dieser Dekade nötig ist. Die Energiewende ist nach Meinung von Experten technologisch machbar und bezahlbar. Die aktuellen geopolitischen Probleme könnten den Ausgangspunkt einer entschlosseneren Klimapolitik markieren. Dies aber nur, wenn wir die Herausforderung annehmen. Die Umstände dazu waren noch nie so förderlich wie heute.
Dieser Beitrag ist zunächst erschienen auf trans.info:
https://bit.ly/3nUVPa0
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