Eine Situationsanalyse mit Empfehlungen zur Stärkung der Digitalisierungsfähigkeit
Ein Bundesminister betont Deutschlands Führerschaft bei der Künstlichen Intelligenz (KI). Vielleicht ist da auch etwas dran, aber in der deutschen Wirtschaft sieht man davon eher wenig. Die digitalen Vorreiter kommen aus den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und der Volksrepublik China (PRC). Deutsche Unternehmen schätzen ihre Bemühungen im Bereich der Digitalisierung moderate ein und liegen damit hinter den Kategorien Frontrunner und starke Digitalisierer. Dies besagt der im EIB-Bericht der Europäischen Investitionsbank (EIB) enthaltene EIB-Index. Warum diese Selbsteinschätzung? Ist es der Mangel an Talenten oder die Angst vor Datenaustausch? Oder werden Veränderer zur Ausnahmeerscheinung in der übersättigten Wohlstandsgesellschaft? Liegt es am Mangel an Kapital oder in der fehlenden Unterstützung seitens Gesellschaft und Politik? Oder behindert die unzureichende digitale Infrastruktur, eine schnellere Digitalisierung?
Die Treiber der Digitalisierung
Digitalisierung ist Neugestaltung, sie ist Innovation zur digitalen Transformation. Innovation und damit auch die Digitalisierung beginnt bei den Rahmenbedingungen. Gemeint sind u.a. Förderungs-Programme und Massnahmen, wie beispielsweise die Finanzierung digitaler Projekte, oder rechtliche Sonderregelungen, um bspw. das Experimentieren mit und den Einsatz von neuen Technologien und Lösungen zu erleichtern. Geleitet und getragen werden die Programme von klaren Zielsetzungen und entsprechenden Budgets. Es bedarf auch einer breiten Unterstützung der Bürger. Denn sonst wird den Vorhaben schnell ein Ende bereitet.
Eine gute Qualifizierung des Nachwuchses und Weiterbildungsangebote für die aktiven Kräfte sind ebenfalls wichtig. Allerdings bringen die sogenannten «digital natives» bereits viel digitales Know-how mit. Sie sind digital aufgewachsen. Was sie aber brauchen sind digitale Geräte und Infrastruktur. Ob etablierte Unternehmen, Startups oder Erfinder, alle benötigen ein Eco-System. Ein Umfeld von Gleichgesinnten, die sich gegenseitig bei der Digitalisierung helfen. Sie bestehen aus Startups, innovativen Grossunternehmen, Experten, Inkubatoren, Akzeleratoren, Mentoren und Berater, sowie Kapitalgebern und Investoren.
Dabei geht es um Know-how Transfer und um Kooperation, bspw. zur Realisierung eines sogenannten «proof of concept», dem Beweis, dass das was angedacht ist auch funktioniert.
Ein Blick auf die Champions
Weltweit ist es nur China, dass ein durchgängiges Digitalisierungskonzept umgesetzt hat. Singapur kommt China noch am nächsten. Dies ist wichtig, denn Digitalisierung ist ein durchgängiges Konzept, dass nur durch die ganzheitliche Vernetzung seinen vollen Nutzen generiert. Dies erfordert, dass jedes Ministerium, jede Provinz etc. das Thema Digitalisierung abgestimmt angeht. Ziel ist die digitale Integration aller Teile einer Nation in sich und mit seinem Umfeld, wie bspw. Europa oder die Welt.
Startup-Unternehmer sind die Innovatoren der Wirtschaft. Sie können entweder mittels alternativer Modelle neue Grossunternehmen schaffen, wie es Jeff Bezos mit Amazon vorgemacht hat, oder bestehende Unternehmen bei der Digitalisierung unterstützen. In den USA sind die digitalen Grossunternehmen ein grosser Anreiz für innovative Unternehmer, dies durch die Exit-Möglichkeit, das heisst die Aussicht seinen erfolgreichen Startup an Google, Apple oder andere Software- oder Technologie-Konzerne verkaufen zu können.
Ideen zur Digitalisierungsbeschleunigung
Deutschland war konzeptuell ein Vorreiter der Digitalisierung. Und zwar mit dem Konzept «Industrie 4.0». Aber die Umsetzung dauerte und andere Staaten, wie die USA und China, zogen an Deutschland vorbei. Entscheidend sind Strategie, Kapital und Taktik.
- Implementierung einer digitalen Strategie
Die Strategie beginnt mit der Zielsetzung. Digitalisierung ist so zentral, dass sie nicht an allen möglichen Stellen angeflickt werden kann, sondern ganzheitlich zu denken und zu realisieren ist. Hilfreich ist ein eigenes digitales Ministerium; mit transversalen Befugnissen. Es ist zu definieren was Digitalisierung bedeutet. Wie viele digitale Grossunternehmen Deutschland oder besser noch Europa anstreben sollte, um im Rennen zu bleiben. Auch, wie ein deutscher digitaler Mittelstand geschaffen werden kann? Denn kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind wichtig, sind sie doch oft die Lieferanten der Grossen. Welche übergeordneten Konzepte sind erforderlich, auch auf europäischer Ebene, und welche digitale Infrastruktur. Aber auch, wie Deutschland und Europe bei aller Integration ihre Unabhängigkeit behalten.
- Bereitstellung von Entwicklungsbudgets
Soll der Plan Erfolg haben, sind entsprechende Mittel bereitzustellen. Einige Regierungen gewähren Steuervorteile für digitale Technologien. Digitalisierung kann bürokratische Prozesse und Strukturen national wie international durchbrechen. Richtig eingesetzt amortisieren sich digitale Investitionen in kurzer Zeit: dies durch Kostenreduzierungen und Effizienzsteigerungen.
- Taktische Unterstützungsmassnahmen
Die Umsetzung einer digitalen Strategie erfordert eine Breitenkampagne, um Unterstützung seitens der Bevölkerung sicherzustellen. Es fehlt an digitaler Dynamik und an einem nationalen – mit internationalen Strukturen vernetzten – Eco-System. Bspw. verankert in Basen in allen Wirtschaftszentren, wie Manufacturing USA. Damit können digitale Projekte unterstützt werden. Das Bildungssystem ist auch zu digitalisieren. Denn Digitalisierung vermittelt sich am besten digital.
Kernnutzen der Digitalisierung ist die Ressourcenoptimierung. Damit liegt Digitalisierung auch sehr nahe bei Klima- und Umweltschutz. Das entsprechende Konzept ist die Kreislaufwirtschaft, oder «circular economy». Diese hat zum Ziel Ressourcen so lang als möglich im Wirtschaftskreislauf zu halten. Zudem sollten die Ressourcen weitestgehend klima- und umweltneutral in Produkte gewandelt werden. Die Nutzung der Produkte soll ebenfalls den Kreislaufprinzipien folgen.
Die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft erfordert neues Design, neue Produktionsverfahren und eine ganz neue Transparenz entlang der Wertschöpfungsketten und Nutzungszyklen. Hersteller müssen wissen woraus ihre Produkte bestehen und festhalten, wie diese in ihrer Gesamtheit beschaffen sind. In Anbetracht des enormen Datenvolumens kann dies nur mittels digitaler Strukturen und Informationsflüsse erfolgen. Damit ist Digitalisierung nicht nur für die heutige Wirtschaft und Gesellschaft, sondern auch für zukünftige Generationen von Bedeutung. Die EIB fand heraus, dass die EU-Firmen gegenüber ihren US-Pendants gerade hierbei führend sind, nämlich bei der Schnittstelle grüner/digitaler Technologien.
Dieser Beitrag ist
zunächst erschienen im trans.INFO Online-Magazin (S.6):
https://bit.ly/transINFO-Magazin-2-2021
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