Von den Ursprüngen unserer Städte sind heute nur noch Spuren erkennbar: Reste von Stadtmauern oder unter Denkmalschutz stehende alte Gebäude. Ähnlich grundlegend hat sich unsere Art zu kommunizieren gewandelt: Telefonzellen haben Seltenheitswert, stattdessen sind wir mit dem Smartphone ständig online. Wir leben heute – zehn Jahre nach der Einführung des ersten iPhones – in einer hochintegrierten Welt, die für unsere Eltern noch undenkbar gewesen wäre. In ihrer Zeit verlief der Wandel weitestgehend innerhalb der Branchen. Auch dies hat sich radikal geändert: Die Technologien der Vierten Industriellen Revolution lassen die Grenzen zwischen den Branchen verschwimmen – zwischen Logistik, Transport, Handel und Produktion, und Erschütterungen in einer Branche wirken sich direkt auch auf die benachbarten Branchen aus.
Die Vierte Industrielle Revolution steht für die rasante Entwicklung und das gegenseitige Beeinflussen neuer Technologien sowie die vollkommene Vernetzung der physischen, digitalen und biologischen Welt. Sie folgt der Dritten Industriellen Revolution, die Großrechner, Personal Computer und das Internet brachte, der Zweiten Industriellen Revolution, die das Zeitalter der Massenproduktion einläutete, und der Ersten Industriellen Revolution, die mechanische Innovationen, einschließlich der Dampfmaschine, hervorbrachte. In der Vierten Industriellen Revolution leben wir im vernetzten System der Systeme, in einer Welt, in der die Flugzeuge nicht nur mit Lkw und Bahn, und in Zukunft auch mit Drohne und Hyperloop verbunden sind, sondern in der Flughäfen mit Logistikzentren, mit Industriegebieten, mit Städten, sowie Verkehrsmittel mit Straßen, Gebäuden und Geschäften vernetzt sind.
Welt 4.0 lebt von der Vernetzung von Mensch und Maschinen
Die Welt 4.0 wird mit dieser Entwicklung Realität: Unsere Smartphones kommunizieren mit unseren PCs ebenso wie mit unserer Garagentoren, Rollläden, Haushaltsgeräten und Heizanlagen. Dank Blockchain und intelligenter Verträge sowie Cryptocurrency tätigen Maschinen bereits heute selbsttätig Geschäfte mit anderen Maschinen. Das sich selbst verwaltende Haus, mit selbst einkaufenden Kühlschränken und Waschmaschinen, die eigenständig den Wartungsservice rufen, bevor ein Teil ausfällt, erscheinen am Horizont. Vernetzte Teile werden überwacht, aus der Distanz gewartet und zurückgeordert, wenn sie nicht mehr funktionsfähig sind. Damit ist das vernetzte logistische Eco-System auch ein zentraler Bestandteil der Kreislaufwirtschaft – einer Wirtschaft, in der möglichst alles im Kreislauf bleibt und unbedenklich für Mensch und Umwelt immer weiter fließt.
Unsere Mobilität, d.h. die Bewegung von Menschen und Waren, wandelt sich ebenfalls. Getrieben von Urbanisierung und steigenden Ansprüchen. Das eigene Auto befindet sich im Rückzug. Mobilität als Service ist zunehmend gefragt. Wir erwarten, dass Transportmittel bequem zu erreichen und regelmäßig im Einsatz sind. Auch dass die logistische Maschinerie hinter unseren Online-Einkäufen funktioniert. Und das wir nahezu alles und jedes auf unseren vernetzen Geräten buchen, verfolgen und beeinflussen können – sei es den Fortschritt unserer Reise oder die Auslieferung unserer Bestellungen.
Dabei stehen Mensch und Umwelt merklich unter Stress. Mobilität erfordert daher für viele Bürger und Konsumenten auch, dass diese umweltverträglich ist; d.h. leise und sauber. Zudem fehlt es an Platz – laut einer Studie von INRIX suchen Autofahrer in deutschen Städten durchschnittlich 41 Stunden pro Jahr nach einem Parkplatz. Bis Ende 2025 fehlen zudem rund 13.000 Stellplätze für Lkw, so die Prognosen. Fieberhaft wird nach neuen Konzepten gesucht. Auch hier kommen die vernetzten intelligenten Dinge ins Spiel. So beispielsweise beim Lkw-Platoon, bei dem mehrere Lkw digital verbunden sind. Daher brauchen die Schwergewichte beim Fahren weniger Platz. Zudem wird durch das Fahren im Windschatten weniger Treibstoff verbraucht und sie verursachen weniger Unfälle. Die Arbeitswelt ändert sich. Nur der Fahrer im führenden Fahrzeug ist aktiv, sei es steuernd oder im autonomen Fahrzeug in überwachender Funktion. Natürlich kann der Lkw auch ein Bus sein: somit wird das Prinzip des Schienenverkehrs auf Autobahnen und Bundesstraßen übertragen.
Auch der Verkehr in den Städten steht im Wandel. Während die autonome Welt noch etwas in der Ferne liegt, werden die bestehenden Transportmodi immer stärker und enger vernetzt. Dies ermöglicht den weitaus reibungslosen Wechsel von einem Modus zum anderen, vom Flugzeug, zur Bahn, zum Robotaxi – wenn dieses einmal im größeren Stil im Einsatz sein wird. Und warum nicht auch zum elektrischen Fahrrad? Dies erfordert, dass die Dinge uns mitteilen wo sie sind und digitale Plattformen uns unsere Optionen aufzeigen. Bessere Mobilität durch Apps. Städte wie Helsinki und Boston arbeiten an derartigen Mobilitätskonzepten. Die mobile Welt wird grenzenlos: Aus dem Flugzeug Waren bestellen und sie dort zustellen lassen, wo es uns gerade genehm ist, ist bereits Wirklichkeit. Und falls wir uns um entscheiden, teilen wir dies via App einfach mit. Damit wir dabei auch das richtige Hemd auswählen, probieren wir dieses und auch anderes schnell noch in der digitalen Umkleidekabine von unserem Sitz aus an. Zeekit ist eine App, die dies ermöglicht.
Natürlich kann diese integrierte Mobilitätswelt, die für Menschen wie Güter die idealen Wege sucht – auch reibungslos in die Gesamtwirtschaft integriert werden: die Vernetzung mit Restaurants, Geschäften, Online-Shops, Werkstätten und Ladestationen für unser Elektrofahrzeug ist mehr als naheliegend. Alles wird angezeigt. Dabei entspricht die Welt, die wir sehen, zunehmend (nur) unseren Vorlieben.
Intelligente Infrastruktur für mehr Lebensqualität
Auch die Infrastruktur wird intelligent. Straßen kommunizieren mit Fahrzeugen und Gebäude mit Energieerzeugern – beispielsweise um mit zu teilen, wie viel von der vom Solardach erzeugten Energie ins Netz gespeist wurde – natürlich erst, nachdem der Bedarf des Haushalts abgedeckt ist und die Elektrofahrzeuge geladen wurden. Häuser können dem Kurier melden, ob jemand zuhause ist, um die bestellten Waren in Empfang zu nehmen, ein Paketkasten zur Verfügung steht oder der bevorzugte Zustellpunkt die nahegelegene Packstation sein soll. Die Ware kann allerdings auch in den Kofferraum des vor dem Haus geparkten Fahrzeugs geliefert werden – ein Konzept, welches gerade von der DHL und VW getestet wird. Dabei kann der Kurier durchaus auch ein rollender Roboter der Firma Starship Technologies oder eines anderen Anbieters sein. Der Automat kann auf dem Hinweg auch noch die vom Apotheker bestellten Medikamente abholen und auf dem Rückweg die schmutzige Wäsche mitnehmen, um sie gleich bei der Reinigung wieder abzugeben. Auch Drohnen können in die vernetzte Welt der Mobilität integriert werden. Die schweizerische La Poste setzt diese gerade in Zusammenarbeit mit dem Startup Matternet zur Bedienung schwer zugängiger Gebiete, beispielsweise in den Bergen, ein. Die Vorteile der vernetzen Welt werden zunehmend deutlich: Bequemlichkeit, Schnelligkeit, Kosteneffizienz und, wenn richtig eingesetzt, Umweltfreundlichkeit.
Zudem bringt die digitale Integration hochpersonalisierte Produkte und Dienste. Hersteller greifen auf Daten der Konsumenten zurück oder binden diese direkt in den Produktionsprozess mit ein – als Designer sozusagen. Das verringert den Abfall: denn es wird produziert, was gefällt. Auch die Nachfrage nach individueller Funktionalität steigt: Das Fahrrad für den Radweg oder die Berge, Schuhe die auf unser Gewicht und unseren Laufstil abgestimmt sind. Mit Vernetzung einfach darstellbar: alle Teile erscheinen anschaulich auf dem Bildschirm und werden mit Klicks individuell vom Konsumenten zusammengestellt. Die Wartezeit bis zur Lieferung hält sich in Grenzen. Dank 3D-Druck wird auch personalisiert produziert – und dies sobald der Auftrag abgesendet wurde. Die Auslieferung erfolgt zügig.
Risiken der vernetzten Welt gegen Vorteile abwägen
Was ist der Preis dieser Welt? Investitionen in die Digitalisierung und den Ausbau des Internets sind erforderlich. 100 Milliarden Euro für den Breitbandausbau hat Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits im Juli 2017 für diese Legislaturperiode zugesagt.
Das intelligente Eco-System kommt auch nicht ohne Risiken. Cyberkriminalität ist der neue Alptraum von Politikern und Wirtschaftskapitänen. Einerseits können kriminelle durch ungeschützte digitale Türen in Fabriken, Steuerungszentralen und unsere Wohnhäuser gelangen und dort großen Schaden anrichten, wie uns Cyberattacken a la WonnaCry und Petya in der ersten Hälfte des Jahres 2017 eindrucksvoll zeigten. Andererseits können sensible Informationen, wie Bankverbindungen und Daten von Patienten in die Öffentlichkeit gelangen und Unternehmen wie Individuen erheblichen monetären und persönlichen Schaden beibringen. Das Cyberrisiko wird von der Agenda der Führungsgremien kaum verschwinden.
Aber auch wir Menschen müssen uns schützen. Dabei ist jeder Einzelne von uns mitverantwortlich, achtsam mit der vernetzen Welt umzugehen. Dies betrifft insbesondere auch den Umgang mit den sozialen Netzwerken: Die auf uns zunehmend ganz individuell zugeschnittene Welt kann große Teile der Realität ausblenden und so zur Blase werden. Gepaart mit „fake news“ kann diese zu erheblichen Trugschlüssen und Fehlentscheidungen führen.
Der Weg zurück in die analoge Welt ist weder gewünscht noch ratsam. Unser Lebensstil, unsere Lebenserwartung ist von Fortschritt und Digitalisierung bestimmt. Moderne Konzepte und individualisierte Lösungen sind analog gar nicht mehr darstellbar. Vom personalisierten Medikament, das auf Basis von individuellen, mittels Wearables erhobenen Daten produziert wird, bis zum Mikro-Depot, das dank spezieller Container und elektrounterstützter Lastenräder die leise und saubere Zustellung dieser Arzneien ermöglicht. Alles erfordert moderne Technologie.
Die intelligent vernetzte Welt wird von Menschen für Menschen geschaffen. Dies sollten wir im Sinn behalten, sei es wenn wir über deren Ausgestaltung nachdenken oder uns Bedenken über die Sinnhaftigkeit des Ganzen in den Kopf kommen. Dabei bedarf es allerdings nicht nur Unternehmer, Designer und Programmierer, sondern auch vorausschauender und kompetenter Politiker und Beamte. Diese müssen uns Menschen helfen, uns in dieser Welt zu bewegen und uns zur Gesellschaft 4.0 zu entwickeln. Denn die Vorzüge sind überzeugend, die Risiken handhabbar. Und während vielerorts viele Menschen noch mit der Welt 2.0 ringen, denkt Japan bereits an die Gestaltung der Gesellschaft 5.0, an die Entwicklung der super-intelligenten Gesellschaft.
Literaturtipp:
Digital einkaufen: Warum wir unsere Wohnzimmer in Marktplätze verwandelt haben, Springer Gabler, 2017 von Wolfgang Lehmacher, Director Supply Chain and Transport Industries beim World Economic Forum
ISBN: 978-3658147327, 14,99 Euro
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