Europa und insbesondere die EU haben eine überwältigende Bedeutung für die Logistik. Bei Betrachtung der Export-, aber auch der Importmengen wird deutlich, dass der Handel mit China, USA und Russland zwar wichtig ist – im Vergleich zur EU hat dieser jedoch eine weitaus geringere Relevanz. So haben die Waren aus den USA nach Gewicht nur einen Anteil von 3,3 % an allen Importen, aus China 2,1 % und Russland 15,8 % (hierin enthalten ist ein großer Anteil an Rohstoffen). Die Importe aus der EU belaufen sich auf 53,9 %. Bei den Exporten sind sich die Zahlen noch eindrucksvoller: Während der Anteil der Exporte in die USA nach Gewicht bei 2,4 %, nach China bei 2,0 % und Russland bei 0,9 % liegt, hat die EU einen Anteil am Export in Höhe von 77,9 %. Das unterstreicht, wie wichtig offene Grenzen in Europa sind, um den Wirtschaftszweig Logistik weiter prosperieren lassen zu können. Qualitativ ist dies eine Binsenweisheit, quantitativ ist es jedoch beeindruckend.
Auf den Brexit vorbereitet
Entsprechend wirft der Brexit zahlreiche Fragen dazu auf, inwieweit er dem Wirtschaftszweig schaden wird bzw. welche Auswirkung er haben wird. Auch im Expertenkreis der Logistikweisen haben wir bei unserer Frühjahrssitzung darüber diskutiert, welche Auswirkungen zu erwarten sind. So gehen wir davon aus, dass der Brexit einen vergleichsweise geringen Einfluss auf die Gesamtentwicklung der Logistik haben wird. Dies hat nicht nur damit zu tun, dass von dem 78-Prozent-Kuchenstück nur ein kleiner Teil der Tonnage, nämlich 4,0 %, nach Großbritannien befördert wird. Auch haben sich viele Unternehmen ausreichend früh darauf vorbereitet. Einige Unternehmen haben ihre Supply Chains angepasst oder werden dies dann anstreben. Diese Veränderungen werden auch im Falle einer Einigung Bestand haben und nicht zurückgenommen. Selbst wenn ein ungeordneter Brexit gravierende Auswirkungen bringen würde, werden die zusätzlich notwendigen Dienstleistungen in der Logistik die möglichen Volumeneinbrüche kompensieren und damit das Gesamtsaldo ausgeglichen bleiben – manche Bereiche werden profitieren, andere werden sich leicht rückläufig entwickeln. Wir hoffen und appellieren an die Politik, dass die schlimmsten Beeinträchtigungen durch pragmatische Grenzabfertigungen abgefedert werden.
Insgesamt ist jedoch eine deutliche Abkühlung in der Logistik zu spüren. Nicht nur der Frühindikator Luftfracht-, sondern auch die Seefrachtmengen sinken stetig. China als ein wichtiger Handelspartner zeigt eine verhaltene bzw. sogar rückläufige Nachfrage. Ebenso wird der Handelskonflikt (bzw. laut dem Handelsblatt bereits Handelskrieg) seinen Schatten auf die Wirtschaft Europas werfen – sie wird aber durch den starken und gut vernetzten Binnenmarkt insgesamt keine solch großen Verwerfungen zeigen wie in den USA.
Gesamtkonjunktur nicht mehr so rosig
Nichtsdestotrotz: In Deutschland hat sich schon seit Sommer 2018 die Gesamtlage als schwierig dargestellt, was sich in den hohen Lagerbeständen bei Industrie und Handel widerspiegelt. Nicht nur die Nachfrage in der Schlüsselbranche Automobil nimmt ab, sondern auch die nach Gebrauchs- und Konsumgütern, wichtigen Stützen der Konjunktur. Dies bestätigen auch die Logistikunternehmen, die sinkende Transportmengen verzeichnen.
Auch in Europa zeigt sich die Gesamtkonjunktur nicht mehr so rosig wie in den letzten Jahren (insgesamt geht die EU von einem Wachstum in Höhe von 1,1 % aus, für den wichtigsten Handelspartner Frankreich in Höhe von 1,3 %, Deutschland weist den zweitniedrigsten Wert von 0,5 % auf – nur für Italien wird mit 0,1 % ein niedrigeres Wachstum prognostiziert). Das Wachstum der Nachbar- und Partnerländer Deutschlands kann jedoch als wichtige Stütze für die Entwicklung der Logistik herausgestellt werden, die immer wichtiger wird. Denn der Sendungsstruktureffekt in Richtung kleinerer Sendungen, der der Logistik kontinuierlich Wachstumsimpulse beschert hat, findet nur noch punktuell statt. Einzig im E-Commerce ist deutliches Wachstum zu verzeichnen, was jedoch mit unter 10 Prozent nur ein kleines Segment im Wirtschaftsbereich Logistik darstellt. Ein weiterhin positiver und breit wirkender Effekt, der unabhängiger von konjunkturellen Entwicklungen ist, ist die Verlagerung von bzw. die Nachfrage nach Mehrwertleistungen.
Fazit: Kosten rücken in den Fokus
In Summe bleibt als Konsequenz, dass trotz steigendem Stellenwert der Logistik als Wettbewerbsfaktor die Kosten wieder in den Fokus rücken. Es wird erwartet, dass sich die Lage bei Transport- und Lagerkapazitäten im Laufe des Jahres entspannen wird. Dies hat jedoch weder mit einem wachsenden Angebot, noch mit den Möglichkeiten der Digitalisierung zu tun, sondern mit der Entwicklung der Nachfrage.
Eine Herausforderung bleibt das Personal bzw. die Fachkräfte, was auch zu höheren Kosten in diesem Bereich führen wird. Der Mangel bleibt nicht nur im operativen, sondern auch in anderen Bereichen wie der IT prägend. Eine Konsequenz ist auch, dass relevante Projekte aufgrund der Personalsituation nicht umgesetzt werden können, was eine Hypothek für die Zukunft bedeutet. Zusammenfassend stellen wir fest, dass sich der Wirtschaftsbereich Logistik in 2019 so entwickelt wie im Herbst bereits erwartet.
Dem kann man nur vollinhaltlich zustimmen:
darum bleibt die EU so wichtig, wie der Brexit nachrangig,
darum muss der Wirtschaftsbereich Logistik – vor allem bei den KMU – noch mehr investieren in IT und Personal-Entwicklung.
Es ist ein daher auch ein Unding, dass die gerade erfolgte, von den Auftraggebern akzeptierte, Kosten/Erlös-Verbesserung wegen leichter “Nachfrage-Entspannung” von einigen Beteiligten schon wieder gefährdet wird.
Wolfgang Seuthe
Ich stimme dem Autor voll und ganz zu, möchte aber eine ergänzende Kommentierung bzw.. einen Lösungsansatz zur Aussage am Schluss des Beitrages [ Eine Herausforderung bleibt das Personal bzw. die Fachkräfte, …… Eine Konsequenz ist auch, dass relevante Projekte aufgrund der Personalsituation nicht umgesetzt werden können, was eine Hypothek für die Zukunft bedeutet] geben:
Insbesondere mittelständische Logistikdienstleister, die die Zeichen der Zeit erkannt haben, bauen aufgrund der Probleme in der Personalsuche eine gezielte, auf die veränderten Rahmenbedingungen ausgerichtete interne Personalentwicklung auf und implementieren Trainings- und Kompetenzcenter, die von einem speziell hierfür abgestellten Trainerteam betreut werden. Trainings- und Kompetenzcenter werden sowohl von neuen Mitarbeitern als Erstqualifikationsmaßnahme durchlaufen, als auch von Stammmitarbeitern, die auf ihre künftigen Aufgaben systematisch vorbereitet werden. Fahrpersonal wird ausgebildet und trainiert, sowie Mitarbeiter in Fachbereichen wie Wareneingang, Leitstand oder Reklamationsbearbeitung. Parallel hierzu werden auch Trainee-Programme zur individuellen Förderung von Nachwuchskräften und Führungsseminare und -workshops zur gezielten Förderung von Führungskräften angeboten und absolviert. Eine interessante Personalentwicklungsmaßnahme bieten Trainings- und Kompetenzcenter vor allem für junge Mitarbeiter, die sich z. B. in ihrer Ausbildung zur Fachkraft für Logistik befinden. So werden sie gezielt auf die Prozesse in der Lagerlogistik vorbereitet, im Umgang mit Störungen, Notfallszenarien und Konfliktsituation trainiert, aber auch im persönlichen Kompetenzbereich, wie respektvoller Umgang mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden oder Offenheit und Transparenz bei Arbeitsfehlern, Schäden und Reklamationen, gecoacht.
Das Herzstück des Trainings- und Kompetenzcenters bildet die Einübung und Vertiefung theoretischer Kenntnisse im Rahmen praxisnaher Ausbildungs- und Trainingseinheiten innerhalb des Seriengeschäftes. Das heißt, die Prozesse im Tagesgeschäft werden im Trainings- und Kompetenzcenter 1:1 nachgestellt und abgebildet. Auch die im jeweiligen Kundenauftrag eingesetzten IT-Systeme, Transportmittel und Werkzeuge werden den Mitarbeitern als Lern- und Arbeitsmodule zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise wird nicht nur eine hohe Effektivität und Effizienz in den Lernergebnissen sichergestellt, sondern das Unternehmen erhält aus den Trainingseinheiten gleichzeitig eine Vielzahl von Anregungen und Ideen zur Verbesserung der Prozesse, Systeme und Arbeitsplätze. Trainings- und Kompetenzcenter sind damit eine wirksame Möglichkeit, dem Personalproblem wirksam entgegenzuwirken und Mitarbeiter aus den eigenen Reihen für höher qualifizierte Aufgaben zu fördern.