Der deutsche Außenhandel hat schon bessere Zeiten erlebt. Auch wenn er sich im Vergleich zur gesamten wirtschaftlichen Entwicklung noch recht wacker schlägt, liegen die Wachstumsraten der letzten Jahre in weiter Ferne.
Die Auswertungen im Zuge des „Import-/Export-Seismografen Deutschland“ zeigen deutliche Bremsspuren. Lagen die Zuwächse im 1. Halbjahr 2018 noch bei über 3 Prozent bzw. im 1. Halbjahr 2017 bei 2,5 Prozent, sind sie im 1. Halbjahr 2019 auf rund 1 Prozent Plus nach Tonnage geschrumpft (beim Wert ist die Entwicklung noch dramatischer, wie es die Abbildung 1 zeigt).
Wachstum liegt über Erwartungen
Trotzdem liegt diese Wachstumsentwicklung bei der Tonnage noch über denen der Gesamtentwicklung nach Einschätzungen der Logistikweisen für 2019, siehe den Blog oder den Bericht zum Logistikjahr 2019. Auch wenn die Prognosen mittlerweile nach oben korrigiert wurden und ein nominales Wachstum von gut 2 Prozent zu erwarten ist, stecken in dieser Zahl viele Kostensteigerungen. Betrachtet man nur die Mengen, die Industrie und Handel der Logistik in Auftrag geben, wird eine Zuwachsrate von um die 0,5 Prozent erwartet.
Der Außenhandel wird auch weiterhin eine Stütze für das Wachstum des Wirtschaftsbereichs Logistik sein – so die Erwartungen der Logistikweisen für das Jahr 2020 – ein Ergebnis ihres Herbstgipfels.
Der Teufel steckt im Detail
Doch wie sehen die Entwicklungen im Detail aus? Die Exporte in die Länder der EU haben zwar mit 3,4 Prozent und die Exporte nach China mit 15,6 Prozent deutlich zugelegt – diese und alle weiteren Angaben beziehen sich auf Tonnage. Jedoch zeigt sich hier die Schwäche der industriellen Konjunktur in Deutschland: Ein Treiber für das starke Wachstum der Exportmengen nach China sind Lebensmittel, deren Menge um 32,8 Prozent gestiegen ist. Dies steht in starkem Kontrast zu den Abnahmen in der Automobilbranche (-5,7 Prozent) und im Maschinenbau (-13,2 Prozent). Auch bei den Exporten in die EU zeigen sich im Detail starke Unterschiede: Die Exporte in die EU insgesamt wachsen zwar weiterhin. Die Exporte nach Großbritannien brechen jedoch förmlich ein. Die Automobilindustrie exportierte 14,6 Prozent weniger, der Maschinenbau 7,1 Prozent und die Chemieindustrie 8,1 Prozent weniger auf die britischen Inseln.
Auch bei Analyse der Schlüsselbranchen Automobil, Chemie und Maschinenbau zeigt sich ein trübes Bild. Hier ist zu sehen, dass im Im- wie auch im Export ein Rückgang (bzw. bei Automotive-Importen eine Stagnation) verzeichnet wird. Dies führt dazu, dass aus logistischer Perspektive diese ehemals als Stützen des Wachstums bezeichneten Branchen in 2019 zumindest im ersten Halbjahr nicht mehr gegriffen haben. Insgesamt ist für 2019 damit mit einem Rückgang der Mengen zu rechnen.
Handelskonflikte zeigen Wirkung
Scheinbar gibt es hier nur einen Gewinner: Während die Exporte in die USA nach Tonnage im 1. Halbjahr 2019 um 1,3 Prozent abgenommen haben, legten die Importe aus den USA um 12 Prozent zu. Das Handelsbilanzdefizit gegenüber Deutschland scheint sich kontinuierlich abzubauen. Die Einzelbetrachtung nach Gütergruppen zeigt, dass die Verhandlungen zwischen der EU und den USA zur Verhinderung weiterer Strafzölle diesen Effekt deutlich unterstützt hat. So stiegen die US-Ausfuhren von Landwirtschaftsgütern nach Deutschland nach Tonnage im ersten Halbjahr um 50 Prozent, von Lebensmitteln sogar um 84,8 Prozent, Erdöl und Erdgas legten um 64 Prozent zu.
In die andere Richtung zeigte sich wiederum, wie sich die Strafzölle auf den Export auswirken: Die deutschen Ausfuhren von Metallerzeugnissen wie Stahl und Aluminium in die USA gingen um 18,5 Prozent zurück.
Deutschland glücklicherweise gut aufgestellt
In Summe zeigt sich, dass die Handelskonflikte mit den USA und der Brexit sich direkt auf die grenzüberschreitende Logistik auswirkt. Glücklicherweise hat Deutschland mit vielen Ländern stabile Außenhandelsbeziehungen, die Einbrüche auf einzelnen Relationen ausgleichen können. Hinzu kommt, dass Deutschland zu mit seiner diversifizierten Unternehmenslandschaft auf Platz 4 der komplexesten Volkswirtschaften gehört (hinter Japan, Schweiz und Südkorea, deutlich vor den USA oder China; siehe https://www.visualcapitalist.com/countries-ranked-by-their-economic-complexity/ bzw. die Originalquelle http://atlas.cid.harvard.edu/countries/61/export-complexity). Auch dies hilft dabei, einzelne Verwerfungen zu kompensieren
Danke, wie immer sehr informativ: dass der Export von Lebensmitteln nach China (sprich v.a. Fleisch – Schweinehälften) 32% zulegt, ist ebenso interessant wie bedenklich – denn er wird steigen wegen zunehmendem Bedarf, während unsere Säulen Automotive und Maschinen weiter schwächeln – mit Konsequenzen für die Industrie wie die Häfen und Übersee-Schifffahrt.
Welch Glück, dass die EU so großer, wichtigster Partner bleibt – das müssen die Kritiker realisieren!
Wolfgang Seuthe