Der Deutsche Logistik-Kongress kann als großer Erfolg bezeichnet werden. Im Wirtschaftsbereich Logistik ist eine Dynamik zu spüren, die von mir bisher so noch nicht wahrgenommen wurde. Anders als bspw. in den Boomjahren bis 2006 bis 2008 steht nicht nur „Mehr“ im Mittelpunkt, sondern auch „Anders“. So war es damals das reine Wachstum, was die Unternehmen beflügelte. Aktuell ist es zusätzlich der Drang nach Veränderung. Die Digitalisierung wird nicht als Gefahr wahrgenommen, sondern als Möglichkeit der Neuorientierung und als Quelle vieler neuer Potenziale, um besser zu werden. Das hat nicht erst dieses Jahr begonnen, sondern hat sich etabliert. Trotzdem könnte ein Skeptiker, der ich nicht selten bin, auch behaupten: Es besteht die Gefahr der Überzeichnung. Dazu muss es nicht kommen, wenn nüchtern, rational und auf Basis von Fakten die Potenziale bewertet werden. Aber dies ist ein anderes, sicherlich an dieser Stelle noch weiter diskutiertes Thema.
Neues Wachstum erwartet
Der Optimismus ist gestützt von der sehr positiven Entwicklung des Wirtschaftsbereichs Logistik. Die Hochrechnung für 2017 in Höhe von 1,9 Prozent könnte noch nach oben korrigiert werden. Auch für 2018 erwartet der Kreis der Logistikweisen ein Wachstum von 2,2 Prozent. Auf dieser Basis kann die viel verändernde Digitalisierung optimistischer angegangen werden.
Konsequenterweise war dieses Thema auch Bestandteil der Diskussionen und Analysen auf dem letzten Gipfel der Logistik. Insgesamt wurden fünf Themenbereiche auf ihre Wirkung auf den Wirtschaftsbereich Logistik geprüft (ein ausführlicher Artikel dazu wurde in der DVZ am 25.10.2017 veröffentlicht):
- Rolle der Logistik: Wie wird sich die Rolle der traditionellen Logistik und ihrer Akteure in der Wertschöpfungskette verändern? Bewertung der Auswirkungen von aktuellen Entwicklungen auf das Geschäftsmodell der Logistik, deren Relevanz und Bewertung der Veränderung der Wertschöpfung sowie der resultierenden Marktstruktur (Konsolidierung vs. Fragmentierung) mit Schwerpunkt 2018
- Politik: Welche politischen Veränderungen sind 2018 mit Wirkung auf die Entwicklung der Logistik zu erwarten? Bewertung der Auswirkungen durch Brexit, Politik Trumps, Wahlen in Europa und Entscheidungen in der Verkehrspolitik
- Personal: Was kann getan werden, um (gutes) Personal zu gewinnen, zu halten und zu entwickeln, was muss geeignetes Personal mitbringen und mit was ist bei der Umsetzung zu rechnen? Bewertung der Ansätze der Personalgewinnung und -entwicklung, Integrationsmaßnahmen, notwendige Mittel, Maßnahmen und Kompetenzen mit Auswirkung auf die Logistik in 2018
- Digitalisierung: Wie entwickeln sich die Investitionen in die Digitalisierung und was ist operativ als Effekt zu erwarten? Bewertung der Veränderung des Anteils der Digitalisierungsprojekte am Budget sowie der positiven und negativen Effekte auf die logistischen Prozesse in 2018
- Urbane Logistik: Welche quantitativen und qualitativen Effekte sind durch die Urbanisierung zu erwarten? Bewertung von Lösungen und Anpassungen des gesetzlichen Rahmens hinsichtlich qualitativer und quantitativer Auswirkungen mit Wirkung in 2018.
Dazu wurden Einflussfaktoren des jeweiligen Themas bestimmt, die unter definierten Prämissen eine Wirkung auf Kennzahlen der Logistik und in Summe auf den gesamten Wirtschaftsbereich Logistik in 2018 haben. Einige der Ergebnisse sind keine Überraschungen. Insbesondere bei den Logistikkennzahlen ist es nicht verwunderlich, dass mit steigenden Sendungsmengen, IT-Investitionen, Personalkosten, Ausgaben für Logistikimmobilien und Komplexitätskosten zu rechnen ist. Aber auch die Effizienz sowie die Margen in der Logistik sollen wachsen.
Im Spannungsfeld von Fachkräftemangel und Digitalisierung
Bei den Einflussfaktoren standen an vielen Stellen die Fachkräfte im Mittelpunkt. So befindet sich die Logistik aktuell in einem besonderen Spannungsfeld: Sie muss auf der einen Seite kurzfristig dem Fachkräftemangel z.B. über höhere Bezahlung oder mehr Ausgaben in die Rekrutierung begegnen. Auf der anderen Seite sind jetzt jedoch auch Investitionen in die Zukunft notwendig, um langfristig den Fachkräftemangel z.B. durch mehr Automatisierung und Digitalisierung zu lösen. Somit kommen zu den kurzfristigen Kostensteigerungen weitere notwendige Investitionen in die Digitalisierung.
Insbesondere die Digitalisierung ruft auch einen Wandel in der Unternehmenskultur hervor, der für die Zukunftsfähigkeit von Logistikakteuren überlebenswichtig wird. Dies adressiert nicht nur „technische“ Prozesse, sondern ganz besonders die Menschen, die in diesen Logistikprozessen tätig sind. Somit werden Investitionen in den „Change“-Prozess steigen, um das Personal nicht nur zu halten, sondern auch für zukünftigen Wandel zu rüsten. Denn die Anforderungen an Personalführung und Mitarbeiter verändern sich durch Digitalisierung deutlich. Organigramme und Job-Beschreibungen verändern sich schneller als früher. Der Arbeitsplatz, wie er heute gestaltet ist, sieht in den seltensten Fällen in fünf oder zehn Jahren immer noch so aus – insbesondere in der Logistik. Als Konsequenz braucht Personalbindung und -findung neue Ansätze, die nachhaltige Personallösungen beinhalten. Die Mitarbeiter sind als langfristige Investition zu verstehen. Erst dann kann der heute drückende Fachkräftemangel in der Logistik mittel- und langfristig gelöst werden.
Eine Veränderung, die aktuell besondere Aufmerksamkeit erhält, sind Daten, die offensichtlich einen klaren Mehrwert generieren. Um diesen Schatz auch in der Logistik heben zu können, ist der Fokus auf die Datenqualität, -verfügbarkeit und -sicherheit zu legen. Auf dieser Basis kann die Logistik sich kontinuierlich weiter zu einem Enabler für den Erfolg ihrer Kunden entwickeln. Schon heute ist sie (fast) gleichwertiger Akteur in der Supply Chain.
Herausforderung Urbane Logistik
Dies ist insbesondere in der urbanen Logistik zu erkennen. Dort ist weiterhin eine stark zunehmende Zahl an Lieferverkehren zu erwarten, die zu Restriktionen durch die Städte führen wird. Konsequenterweise wird die Stadtbelieferung damit anspruchsvoller und teurer, aber auch ein Innovationstreiber in der Logistik (wie sich an der Vielzahl an Startups in diesem Bereich erkennen lässt). Im Gegensatz zu dieser hohen Dynamik in Städten und Kommunen werden wenig Impulse durch den Regierungswechsel in Deutschland für 2018 erwartet. Erst mittel- bis langfristig könnten Entscheidungen zur Verkehrswende deutliche Effekte auf die Logistik zeigen, da diese Kostenrisiken beinhalten, deren Bewertung noch nicht ausreichend vorgenommen wurde.
Diese Thesen wurden über 20 Prämissen getroffen. So gehen wir u.a. davon aus, dass Russland, Brexit und auch die Trump-Politik im Jahr 2018 keine relevanten Effekte auf die Logistik haben werden. Einzig die Situation in der Türkei wird unsicherer, was in Summe jedoch wenig Einfluss auf die Gesamtentwicklung haben wird. Weiterhin gehen wir davon aus, dass die neue Regierung Integration fördert. Das Ressourcenproblem wird nicht gelöst sein, so dass der Kosten- und Veränderungsdruck weiter wächst. Auch erwarten wir neue und deutliche Restriktionen in Großstädten bereits in 2018. Um die aus unserer Sicht existierenden Potenziale in der Digitalisierung und den Mehrwert der Daten nutzen zu können, sollte die Datenqualität und -verfügbarkeit grundsätzlich gegeben sein. Wichtig ist, dass der Mindset sich bei allen Stakeholdern ändert, was dann auch zu mehr Offenheit gegenüber Digitalisierung/ Datenaustausch führt. Die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit nimmt damit konsequenterweise zu, was auch Logistikdienstleister – unterstützt durch Digitalisierung – innovativer macht.
Dies kann nur eine Zusammenfassung der komplexen Ergebnisse sein (die auch hier mit ergänzenden Informationen sowie die bisherigen Berichte heruntergeladen werden können). Entsprechend erstellen wir, die Logistikweisen, wieder einen ausführlichen Bericht, der 2018 dem Bundesverkehrsministerium übergeben wird.
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