Deutschland maritim – global, smart, green – so lautete das Motto der Nationalen Maritimen Konferenz 2019, das treffend gewählt wurde: Die drei Begriffe global, smart und green stehen für internationalen Handel und Warenverkehr, für digitale Revolution und Disruption und natürlich für Umweltschutz.
Welche Ereignisse und Bestrebungen bestimmen derzeit diese drei Felder?
1) Global
Der internationale Handel wird durch harte und weiche Faktoren bestimmt, d.h. durch Infrastruktur und Handelspolitik.
Deutschlands Wirtschaft wächst und wird dies aller Voraussicht nach auch weiterhin tun. Daran haben auch die deutschen Exporte ihren Anteil. Mit dieser Entwicklung wachsen auch die Ströme der Waren und der Daten, die diese begleiten. Dies erfordert, dass die Logistik-Kapazitäten sowie die Transport- und Kommunikationsinfrastruktur kontinuierlich ausgebaut und deren Nutzung optimiert werden.
Die Kapazitäten in den Häfen reichen aus, um zusätzliche Mengen aufzunehmen. Die Genehmigung der Fahrbahnanpassung von Elbe und Weser war diesbezüglich ein wichtiger Schritt.
Engpässe gibt es jedoch bei der Anbindung der Seehäfen.
Am deutschen Straßennetz wird gearbeitet, dies lässt sich an den vielen Baustellen erkennen. Allerdings gibt es hier auch viel nachzuholen – wie die Instandsetzung der Brücken, die beispielsweise im dicht besiedelten Rheinland zum Teil für Lkw gesperrt sind. Auch kommt es immer wieder vor, das ganze Autobahnabschnitte nicht befahrbar sind.
Auch der Ausbau der Schiene kommt in Bewegung. Allerdings ist die Erweiterung des Netzes angesichts des erforderlichen Erwerbs des Bodens ein komplexes Unterfangen. Daher ist kurzfristig an der besseren Nutzung des bestehenden Netzes zu arbeiten. Stichwort European Train Control System (ETCS). Das System erlaubt, mehr Züge bei gleichbleibendem Netz zu betreiben. Eine Erleichterung für die Bahn könnte durch die Energiewende und das Elektrofahrzeug kommen.
Binnenwasserstraßen sollten an den kritischen Stellen vertieft werden, damit auch bei Niedrigwasser der Betrieb uneingeschränkt fortgesetzt werden kann.
Bei der Handelspolitik hat sich die weltweite Lage gewandelt. Während Länder des traditionell offeneren Westens Abschottungstendenzen zeigen, fallen beispielsweise in Asien und Afrika die Barrieren. Die Entwicklung zeigt sich einerseits an Brexit und US-amerikanischer Außenhandelspolitik, und andererseits an der Integration in Südostasien in Form der ASEAN Economic Community (AEC) und der afrikanischen Freihandelszone.
Die chinesisch-amerikanischen Handelsspannungen sind in gewisser Weise ein Produkt der historischen Entwicklungen und des Wiederaufstiegs Asiens. Die Kunst ist es einerseits die amerikanische Position zur besseren Integration Chinas zu unterstützen und andererseits die chinesische Dynamik für Handel und Infrastrukturausbau zu nutzen – Stichwort Belt and Road Initiative.
2) Smart
Smart steht für Digitalisierung. Dabei geht es um die Plattformisierung und Automatisierung der gesamten Welt. Die Welt selbst wird zum Superroboter, das Smartphone zu ihrer Fernsteuerung. Durch die weitgehende Verknüpfung zunehmend intelligenter Hardware und deren Überwachung und Steuerung durch Applikationen, kurz Apps genannt, entsteht die digitale Wirtschaft und Gesellschaft. Zu dieser zählt auch der “smart port”.
Auf den digitalen Plattformen der smart ports schaffen Daten Visibility und Transparenz. Daten ermöglichen die Steuerung von Anlagen und Abläufen. Sie informieren Schiffe und Lkw über Bauarbeiten, Brückenschließungen, über die Wetterlage, über Emissionen, und über vieles mehr. Smart ports liegen im Trend. Das zu Recht. Nach einer Studie des Weltwirtschaftsforums in Zusammenarbeit mit Accenture wird in den nächsten zehn Jahren mehr als zwei Drittel des Wertes für Wirtschaft und Gesellschaft mittels plattformbasierter Transaktionen generiert.
3) Green
Der Einsatz von Technologie hat die Menschheit weit nach vorne gebracht. Mit den Technologien kamen allerdings auch unerwünschte Nebeneffekte für Umwelt, Klima sowie Wasser und schließlich für uns alle. Viel wird hier von der deutschen maritimen Wirtschaft unternommen. Sie ist führend in Sachen Umweltschutz. Aber die Herausforderung ist auch enorm.
Die Schifffahrt belastend die Ozeane mit Abfall, Ballastwasser und anderen Substanzen, die in die Meere gelassen werden.
Schiffe verursachen 13 Prozent der weltweiten Emissionen.
Die Weichen sind gestellt. Ab 2020 dürfen in der Schifffahrt global nur noch Treibstoffe eingesetzt werden, die maximal 0,5 Prozent Schwefel enthalten. Damit steht nach Expertenmeinung eine jährliche Rechnung von USD 50 Milliarden ins Haus. Wer diese zu begleichen hat, ist noch offen. Mit dem am 13. April 2018 verabschiedete Abkommen der Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO) hat sich die Industrie auch dazu verpflichtet, ihren Beitrag zur Lösung der Klimakrise zu leisten. Kollaboration ist entscheidend um die herausfordernden Ziele zu erreichen.
10 Aktionsparameter zur Zukunftsgestaltung
Was können wir in Zukunft noch erwägen, um Handel, Digitalisierung und Umweltschutz zu fördern? Nachfolgend 10 Überlegungen, die zum Denken anregen sollen.
1) Weitere Stärkung Europas
Deutschland hat ein großes wirtschaftliches und soziales Interesse an Europa und seiner Integration in die Weltwirtschaft. Deutschland braucht ein starkes Europa. Ein starkes Europa kann zum Nutzen und im Interesse seiner Mitgliederstaaten gestaltenden Einfluss auf die Weltpolitik in den Bereichen global, smart und green nehmen.
Die Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran durch die derzeitige US-Regierung hat deutschen und europäischen Unternehmen geschadet – kurzfristig und in Bezug auf ihre künftige strategische Position. Derzeit versucht Deutschland in der Angelegenheit zu schlichten. Wie erfolgt hier die Abstimmung und Koordination mit der Europäischen Union (EU)?
Eine Frage, die sich Deutschland und andere EU-Staaten stellen sollten, ist, ob Brüssel ausreichend mit Mandaten, Kompetenzen und Mittel für die Vertretung der Interessen der EU-Mitglieder aber auch des Kollektivs ausgestattet ist.
2) Ausbau der europäischen Logistikplattform
Die europäische Infrastruktur muss weiter ausgebaut werden. Hierbei geht es nicht nur um die bessere Anbindung der deutschen Industrieregionen an die deutschen Häfen, sondern auch um die optimale Anbindung der deutschen Wirtschaft an alle Gateways Europas.
Deutschland ist gefordert, seine Infrastruktur im Rahmen eines europäischen Gesamtkonzeptes kontinuierlich anzupassen. Europa sollte beim Ausbau der Logistikplattform alle zur Verfügung stehenden Kräfte nutzen.
3) Die Belt & Road Initiative
Genau diese kann zur Stärkung der europäischen Logistikplattform beitragen. Duisburg, der größte Binnenhafen Europas, hat durch die Neue Seidenstraße zusätzlich an Bedeutung als innereuropäische Drehscheibe gewonnen.
Die Belt & Road Initiative ist das größte Entwicklungs- und Infrastrukturprojekt aller Zeiten. Angesichts dieser Tragweite solle die Vorgehensweise auf EU-Ebene koordiniert werden. Koordination kann nicht nur helfen, entscheidende Infrastrukturlücken schneller zu schließen. Sie kann auch sicherstellen, dass Umweltschutz ausreichend Beachtung findet. Aber vor allem verbessert sie die Verhandlungsposition Europas und die seine Mitgliedsstaaten.
Deutschland sollte zum einen seine Beziehungen mit China weiter pflegen, aber auch vor allem die koordinierte Vorgehensweise der EU-Staaten in Bezug auf die Belt and Road Initiative voran treiben.
4) Förderung des Mittelmeerraums
Die deutsche Wirtschaft, einschließlich der deutschen Häfen, profitiert von Stabilität und Kaufkraft anderer Länder.
Ein Projekt zur Förderung der gesamten Mittelmeerregion würde die Regionen Maghreb und Levante stabilisieren und neue Märkte schaffen – Stichwort Wiederaufbau von Syrien und Irak. Dies würde den im Mittelmeerraum lebenden Menschen neue Zukunftsperspektiven geben und Kaufkraft schaffen. Entwicklungspolitik kann so zu Wirtschafts- und Immigrationspolitik werden. Eine derartige Initiative könnte auch mit der Belt and Road Initiative koordiniert werden.
Deutschland kann eine wichtige Rolle bei Entwicklung und Umsetzung einer solchen Strategie übernehmen.
5) Digitalisierung der Transportwirtschaft
Maersk gibt jährliche eine Milliarde US Dollar für die Beförderungen von Leercontainern aus. Dies ist zum einen die Folge unausgeglichener Warenströme, aber auch eine Herausforderung an die Steuerung. Die Ausrüstung der Transportmittel mit Geräten des Internets-der-Dinge, die wichtige Daten für Planung und Steuerung generieren, kann hier helfen. Durch Künstliche Intelligenz verbesserte Entscheidungen sind mittels der Daten ebenfalls möglich. Damit nicht genug: Digitalisierung muss end-to-end gedacht und umgesetzt werden, um maximale Renditen zu erzielen.
Eine europäische standardisierte digitale Plattform zum Austausch der Daten ist wünschenswert.
6) Innovation im multi-modalen System
Zur kontinuierlichen Verbesserung der europäischen Plattform gehört auch das Experimentieren mit neuen Technologien, wie beispielsweise mit Lkw-Platooning und Hyperloop.
Der Hyperloop ist ein vom Erfinder und Unternehmer Elon Musk entwickeltes Konzept, das es ermöglicht, Personen und Waren nahezu mit Schallgeschwindigkeit zu befördern. Die Strecke zwischen Hamburg und Friedrichshafen ließe sich damit theoretisch in weniger als 60 Minuten zurücklegen – und dies energiepositiv. Eine neue Qualität von europäischem Hafennetzwerk könnte entstehen. Der Hamburger Hafen hat mit Hyperloop Transportation Technologies (HTT) ein Kooperationsabkommen geschlossen.
Deutschland sollte alternative Technologien untersuchen und in die mittelfristige Verkehrsplanung miteinbeziehen. Auch im Hinblick auf den Ausbau von Straße und Schiene.
7) Cybersicherheit durch Cybernetzwerke
2017 wurden APM Terminals, ein Unternehmensteil der Maersk Gruppe, wie auch TNT, eine FedEx Unternehmung, durch die Cyberattacke Petya erheblich getroffen. Das Jahresergebnis von Maersk wurde mit USD 200 Million belastet.
Künstliche Intelligenz (KI), beispielsweise in Form intelligenter Agenten in allen Geräten, kann helfen, sich gegen derartige Angriffe zu schützen. Cyberschutz hat allerdings nicht nur eine technische Dimension. Mitarbeiter im Unternehmen, aber auch bei Dienstleistern und Partnern mit Zugriff auf EDV-Systeme, sind ebenfalls Bestandteil des Riskokalküls. Wichtig ist auch der Aufbau von internationalen Cyber-Netzwerken. Zu wichtigen Mitgliedern zählen dabei Organisationen wie Europol und Interpol.
Deutschland sollte zum Aufbau dieser Netzwerke beitragen und alle Maßnahmen ergreifen, Systeme abzusichern – dazu gehört auch das alle Branchen alte System in Wirtschaft und Verwaltung durch neuere sichere auszutauschen.
8) Reform von Bildung, Forschung und Innovation
Die entscheidendste Disruption muss im Kopf erfolgen. Digitalisierung erfordert die Fähigkeit, die digitale Zukunft zu denken. Dies ist zu schulen. Digitales Lernen ist die beste Vorbereitung für digitales Arbeiten. Lehrinhalte und Inhaltsvermittlung sind insgesamt auf die digitalen Erfordernisse anzupassen. Wissen, Know-how und Patente sind heute mittels “crowed-sourcing” schnell und umfassend verfügbar. Bildung, Forschung und Innovation sind als Systeme aufzusetzen und als Plattformen zu gestalten.
Wo steht Deutschland diesbezüglich?
9) Förderung europäischer Unternehmen
Angesichts der Vierten Industriellen Revolution sowie dem Aufstieg der Technologiegiganten in den USA und zunehmend auch in China, ist es wichtig, europäische Unternehmen zu fördern. Geplante Vorhaben von Unternehmenszusammenschlüssen sollten daher nicht mehr nur unter dem Gesichtspunkt des Konsumentenschutzes, sondern auch aus Sicht der globalen Wettbewerbsfähigkeit betrachtet werden. Durchaus ein guter Grund, die von Brüssel abgelehnte Fusion von Siemens und Alstom zur Schaffung eines europäischen Zugchampions gegebenenfalls neu zu betrachten.
Allerdings ist Größe nicht alles. in Deutschland ist insbesondere der Mittelstand zu fördern, um in den Zeiten der Vierten Industriellen Revolution schritthalten zu können.
10) Stärkung des kollektiven Verantwortungsbewusstseins
Wir brauchen eine Ethik, einen Code-of-Conduct, der das Handeln derjenigen limitiert, die das Wohl der Menschheit gefährden. Deutschland und die maritime Wirtschaft sind gefordert, Vorbild zu sein.
Als Entscheider haben wir die Aufgabe, die in weiten Teilen digitale, Zukunft zu denken und zu gestalten. Als Führungskräfte und Mitarbeiter müssen wir uns darauf einstellen lebenslang zu lernen. Als Konsumenten haben wir die Verantwortung bei der Realisierung der Kreislaufwirtschaft mitzuwirken.
Schlussendlich ist ein globales smartes Verantwortungsbewusstsein gefordert – im Interesse von Mensch und Umwelt.
Dieser Text beruht auf dem Impulsvortrag von Wolfgang Lehmacher bei der Nationalen Maritimen Konferenz 2019.
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