„Es gibt kein Handbuch Digitalisierung, mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung wie beim IKEA-Regal“, warnte im vergangenen Jahr Roger Heidmann, Managing Director der LSA Logistik Service Agentur in Bremerhaven. Allein die große Komplexität und der unsichere Ausgang überfordere viele Logistiker. Trotzdem organisiert und steuert sein Unternehmen Großaufträge in der Schwerlastlogistik, unter anderem in der Offshore-Windenergie, mit digitalisierten Prozessen. Dabei helfen gemeinsam mit Partnern entwickelte Tools, die für die notwendige Transparenz in der Lieferkette sorgen.
Paradigmenwechsel in der Logistikbranche
Kurz vor Jahresende 2016 kam nun doch ein „Handbuch Digitalisierung“ frisch aus der Druckerei. Es versteht sich allerdings nicht als „Kochbuch“ mit detaillierten Rezepten für die digitale Transformation. Sondern das erste gemeinfreie Open-Content-Werk in Deutschland stellt auf über 260 Seiten in Form von Gastbeiträgen, Interviews und Fallbeispielen die Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf Unternehmen und Wirtschaft vor. Zielgruppe sind vor allem mittelständische Unternehmen, die sich bereits auf den Weg der digitalen Transformation gemacht haben oder intensiv darüber nachdenken.
Ihnen gibt zum Beispiel Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer, Vorsitzender der BVL-Geschäftsführung, Hinweise zum anstehenden Paradigmenwechsel in der Logistikbranche durch Industrie 4.0 – insbesondere im Supply-Chain-Management. Dabei verschweigt er nicht die aktuellen Hemmnisse auf diesem Weg: „In den Unternehmen werden zum Teil sehr individuell und evolutionär entwickelte IT-Strukturen beim Übergang zu neuen Prozessen zur Herausforderung. Zunächst gilt es, Altlasten und Schnittstellenprobleme zu beheben und eine durchgängige Datenhaltung durchzusetzen.“
Doch habe man das erreicht, entstehe durch die notwendigen strategischen Investitionen langfristig einen Wettbewerbsvorteil. Allerdings seien dann weitere Aufgaben anzupacken: „Ist die Datenbasis geschaffen, kommt dem Datenaustausch eine zentrale Rolle zu. Transportdaten, Bedarfsprognosen, Daten über Materialflussstörungen und Kostenstrukturdaten sind gute Beispiele. In vielen Fällen müssen sie zunächst standardisiert werden, um mit mehreren Akteuren entlang von Wertschöpfungsketten geteilt werden zu können“, so Prof. Wimmer.
Praxisbeispiele aus dem Kombinierten Verkehr
Eingeleitet wird das Logistik-Kapitel im „Handbuch Digitalisierung“ mit einem Überblick zu „Logistik 4.0: Trends“ und einem „Expertenpanel“. Darin wird unter anderem beschrieben, wie eine Cloud-Plattform Kollaboration und Abwicklung in Logistikketten revolutioniert und Transparenz schafft. Auch das Dortmunder Start-up catkin ist mit einem Beitrag zu seiner offenen Logistikplattform und drei Fallbeispielen vertreten. Am Beispiel von DB Cargo BTT, TX Logistik und der Spedition Kloiber Transporte wird gezeigt, welche Vorteile ein neutrales Auftragsportal mit sich bringt und wie die Digitalisierung in Angriff genommen werden kann.
Das Besondere an diesem Handbuch: Wichtige und aktuelle „Querschnittsthemen“ von Big Data bis Cloud-Computing werden mit Querverweisen miteinander ins Verhältnis gesetzt. Etwa, wenn es um das Internet of Things (IoT) und Supply Chain Visibility geht. Dazu heißt es in dem Buch beispielsweise: „Autonome Lieferketten – vernetzt im IoT – sind dann erreicht, wenn sich das Paket selbst liefern wird. Informationsquellen im Internet, wie Verkehrsinformationen, Track-and-Trace-Informationen, Wetterinformationen oder Bestandsdaten der Lieferanten, können dann in Realtime bedarfsorientiert abgefragt werden“.
Um diese Datenmengen für operative Entscheidungen nutzen zu können, müssten diese nahezu in Echtzeit und bedarfsgerecht aggregiert werden. „IoT bedeutet jedoch nicht, nur Daten auszulesen, sondern auch die autonome Kommunikation zwischen Geräten. Aufgrund immer aktueller Kontextinformationen kann ein Steuergerät dann z.B. eigenständig Entscheidungen treffen“, wird ein weiterer Aspekt angesprochen.
Neue digitale Geschäftsmodelle
Wichtig war der Buch-Redaktion auch das Hervorheben neuer Geschäftsmodelle, die durch die Digitalisierung für Unternehmen entstehen. Hier sorgen dynamische Start-Ups auch in klassischen Branchen wie der Logistik vielfach für disruptive Entwicklungen mit neuen Ideen und cleveren Lösungen für Effizienzvorteile und Kosteneinsparungen.
„Die Themenkonvergenz der Digitalisierung hat uns dabei am meisten beschäftigt“, schreibt die Redaktion im Vorwort. Das Handbuch werde auf der digitalen Plattform http://www.handbuch-digitalisierung.de regelmäßig aktualisiert und stehe dort auch zum kostenfreien Download bereit. Wer ganz klassisch ein Printexemplar bestellen und gemütlich auf dem Sofa lesen möchte, kann dies mit der ISBN-Nummer 978-3-9818482-0-5 über den Buchhandel oder bei Amazon für 35,70 Euro tun. „Bezahlt wird nicht der Inhalt, sondern nur das Papier“, sagen die Herausgeber.
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