Im Zuge der Vorbereitungen zum kommenden Gipfeltreffen wurden die Logistikweisen zum aktuell schwelenden Handelskonflikt zwischen den USA und China befragt. Im Folgenden werden die Rückmeldungen zusammengefasst. Dies ist ein Auszug aus dem derzeitigen Stand des Expertenaustauschs. Eine abschließende Aussage zu dem Thema Welthandel wird auf dem Deutschen Logistik-Kongress in Berlin veröffentlicht.
Kontinuierlich wächst der Konflikt zwischen den USA und China. Trotzdem sollte zur Deeskalation von dem Begriff „Handelskrieg“ oder noch stärkeren Ausdrücken an dieser Stelle abgesehen werden. Auch ist die EU mit möglichen Strafzöllen auf Automobile und andere europäische Waren bei Trump und seiner Regierung nicht mehr im Fokus, weshalb die Logistik des Standortes Deutschland weniger betroffen ist. Trotzdem können sich indirekt Effekte auf den Wirtschaftsraum der EU und auch den Wirtschaftsbereich Logistik in Deutschland ergeben.
Aber zunächst die Antwort auf die Frage:
Wie wirkt sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China auf die weltweiten Transportströme aus?
Die Logistikketten sind weltweit vernetzt, weswegen Störungen an einer Stelle selbstverständlich Auswirkungen auf die Transportströme insgesamt haben – die Frage ist nur, wie stark fällt diese aus? Im Moment beschränken sich die gegenseitigen Zölle zwischen den USA und China auf wenige, spezielle Produkte. Gerd Hailfinger geht entsprechend noch davon aus, dass die Effekte auf beiden Seiten kalkulierbar sind, da der relevante Warenwert sich derzeit noch in Grenzen hält. Dafür hat sich die Globalisierung zu sehr in Weltproduktion und Welthandel etabliert.
Auch Wolfgang Lehmacher geht von geringeren Auswirkungen des Handelskonfliktes aus: Der Port of Los Angeles verzeichnete mit mehr als 833.000 TEU den besten Juli und den viertbesten Monat seiner Geschichte. Ob und in welchem Maße Unternehmen beeinträchtigt sind oder werden, ist unter anderem abhängig von Branche und Wettbewerbssituation, Beschaffungsmärkten sowie Kunden – auch von der Frage, ob diese aufgrund der neuen Lage mehr oder weniger verkaufen und dadurch stärker oder weniger stark selbst Produkte nachfragen. Weiterhin spielt der Wechselkurs eine Rolle – zum Beispiel der sich abschwächende RMB macht chinesische Produkte günstiger und wettbewerbsfähiger. Ein Motor für chinesische Ausfuhren. Hinzu kommen die Aktivitäten Chinas bei dem Ausbau der Seidenstraße, die die Abhängigkeit von den USA und anderen großen Exportpartnern reduzieren soll.
Risiko eines Ungleichgewichts
Ein Aufschaukeln erscheint jedoch nicht mehr unwahrscheinlich. Daraus könnte sich sehr schnell ein weltweiter Handelskonflikt entwickeln, in welchen auch andere Länder unmittelbar mit einbezogen werden. Das würde bedeuten, dass die heute sehr stabile und gut funktionierende weitweite Supply Chain ins Wanken gerät und ein internationales Ungleichgewicht der Waren- und Transportströme entstehen würde. Die Auswirkungen daraus sind unweigerlich auf der einen Seite Kapazitätsengpässe und auf der anderen Seite eine Überkapazität. Das bedeutet dann auch Auswirkungen auf Laufzeiten und generiert unweigerlich Versorgungslücken, nicht nur zwischen den USA und China, sondern im gesamten Welthandel. Am Ende des Tages wird sich diese Problemstellung auch negativ auf die Frachtraten auswirken.
Tendenz zur Regionalisierung
Folglich macht es für Unternehmen Sinn, ihre Beschaffungs- und Distributionsstruktur zu überdenken. Inwieweit es sich für US-amerikanische Unternehmen weiterhin lohnt, chinesische Komponenten zu beschaffen, wird entsprechend geprüft. Wie in der Vergangenheit werden Alternativen aufgebaut oder Lösungen entwickelt, damit die Auswirkungen nicht zu groß sein werden. Zusatzkosten in der aktuell diskutierten Größenordnung kann auch laut Frauke Heistermann zu einem Umweg führen: „Ich könnte mir vorstellen, dass man versuchen wird, die Importe aus China künstlich über andere Länder laufen zu lassen, um Zölle zu umgehen, wodurch Transportstrecken und Lieferzeiten länger werden.“ Oder es werden Produktionsstandorte verlagert.
Dies kann mittelfristig dazu führen, dass der Warenaustausch sich auf Regionen konzentriert. Arnold Schroven ist davon überzeugt, dass, wenn alles wie angekündigt auch umgesetzt wird, sich die weltweiten Warenströme ändern und sich speziell die großen Distanzen verringern werden.
Wie stark beeinflusst der Konflikt die Logistikströme von Unternehmen in Deutschland?
Es gibt viele deutsche Unternehmen, welche in direkten Handelsbeziehungen mit USA als auch China stehen. Diese werden automatisch mit in den Konflikt einbezogen. Die Automobilindustrie ist ein gutes Beispiel. Sie verkauft in beiden Ländern Fahrzeuge und unterhält Produktionsstätten in den USA, welche Stand heute direkt nach China exportieren. Dies sind jedoch Logistikströme von deutschen Unternehmen außerhalb Deutschlands.
Die Logistikströme in, von und nach Deutschland bleiben davon eher unberührt, sind maximal indirekt und auch noch nicht aktuell betroffen. Andreas Backhaus kann noch keine Effekte sehen, es wächst jedoch die Unsicherheit. Denn die Unternehmen, die in die Supply Chains von betroffenen Waren für USA bzw. China eingebettet sind, müssten bei Ausweitung des Konflikts gegebenenfalls Maßnahmen treffen. Viele Unternehmen halten noch an den getroffenen Entscheidungen über Investitionen in den jeweiligen Ländern fest. Generell warten laut Wolfgang Lehmacher Unternehmen jedoch eher auf die Entscheidungen der Politik. Damit führt der Faktor Unsicherheit tendenziell zu Investitionsstau.
EU sollte als geschlossene Einheit auftreten
Andere Effekte der US-amerikanischen (Handels-) Politik könnten dabei überwiegen, denn China ist nicht das einzige Land, welches im Fokus der Außenpolitik der Weltmacht liegt. So sind hier bspw. der Außenhandel mit der Türkei (siehe Beitrag in der DVZ vom 29.8.2018) und laut Hans-Jörg Hager insbesondere mit dem Iran zu nennen, mit dem Deutschland in den vergangenen Jahren stetig wachsenden Handel betrieben hat. Dies unterstreicht Wolfgang Lehmacher mit der Aussage, dass China seine Chancen nutzen und vom Westen freigegebene Märkte besetzen wird – der Iran könnte nach Afrika schon bald zu diesen Beispielen zählen. In der aktuellen Konstellation der Weltmächte wird es immer wichtiger, dass die EU als geschlossene Einheit bei den Verhandlungen auftritt.
Die Logistikweisen setzen sich zurzeit folgendermaßen zusammen:
Dr. Andreas Backhaus (BASF SE), Berit Börke (TX Logistik AG), Dr. Andreas Froschmayer (DACHSER Group SE & Co. KG), Dr. Christian Grotemeier (BVL e.V.), Hans-Jörg Hager, Gerd Hailfinger (Geberit Logistik GmbH), Frauke Heistermann, Dr. Christian Jacobi (agiplan GmbH), Prof. Dr. Christian Kille (Initiator), Matthias Klug (STILL GmbH), Matthias Kootz (Mondelez Deutschland Services GmbH & Co. KG), Wolfgang Lehmacher (World Economic Forum), Markus Meißner (Initiator), Michael Müller (Müller – Die lila Logistik AG), Dr. Alexander Nehm (Logivest Concept GmbH), Klemens Rethmann, (Rhenus AG & Co. KG), Andreas Roth (Commerzbank AG), Dr. Torsten Rudolph (Rudolph Logistik Gruppe GmbH & Co. KG), Prof. Dr.-Ing. Thorsten Schmidt (Technische Universität Dresden), Arnold Schroven (AS Log Innovation GmbH), Martin Schwemmer (Fraunhofer SCS), Harald Seifert (Seifert Logistics GmbH), Lars Siebel (EDEKA Aktiengesellschaft), Prof. Dr. Wolfgang Stölzle (Universität St. Gallen), Daniel Terner (AEB GmbH), Jürgen Vedie (windeln.de AG), Dr. Steffen Wagner (KPMG AG), Patrick Wiedemann (Reverse Logistics Group), Prof. Dr. Peer Witten (LIHH).
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