Der Zusammenbruch der südkoreanischen Reederei Hanjin Shipping ist bei weitem die größte Pleite in der Geschichte der Containerschifffahrt. Dabei sollte die Insolvenz der weltweit siebtgrößten Schifffahrtslinie keineswegs überraschen: Eine Industrie, die mit fast jedem Euro Umsatz Verluste einfährt, ist reif für eine Korrektur.
Allein in diesem Jahr hat Hanjin anscheinend etwa 100 $ pro Container verloren. Zudem leidet das Geschäft unter langfristigen Charterverträgen sowie dem Widerstand der Vercharterer, die Preise zu senken. 61 der 96 Schiffe der Hanjin Flotte sind von verschiedenen Eignern gechartert und Spotmarktraten liegen heute bis zu 50 Prozent unter dem Niveau, welches vor einigen Jahren erzielt werden konnte.
Hanjin steckt nicht allein in der Krise: Von 12 Reedereien, die ihre Umsatzzahlen für das letzte Quartal bekanntgegeben haben, vermeldeten 11 hohe Verluste. Ein Grund dafür sind die niedrigen Frachtraten, die aufgrund des schleppenden globalen Handels bereits seit langem unter Druck sind. Auch der Kapazitätszuwachs durch effiziente Megaschiffe hat zur Verschärfung der Situation beigetragen. Wie kann die Branche diese Krise beenden? Da Allianzen nicht zum Abbau der Überkapazitäten geführt haben, ist Konsolidierung vielleicht das besseres Mittel. Datengestützte Systeme versprechen bis zu 30 Prozent Kostenersparnis durch besseren Austausch zwischen Schiff und festem Boden. 30 Prozent sind mit Sicherheit genug Raum, um das Spiel zu wenden.
Was steht für Gläubiger, Konsumenten und den Handel auf dem Spiel?
Hanjing Shipping meldete am 31. August 2016 Konkurs an. Dies nach Monaten vergeblicher Anstrengungen, die Liquidität zu steigern und die Schulden umzustrukturieren. Im Jahr 2009 verbuchte die Containerschifffahrt 20 Milliarden $ Verlust, ohne dass eine der Linien Konkurs anmeldete. Für einige gab dies für 2016 Grund zur Zuversicht. Zudem wissen die Verlader gar nicht mehr, auf welchem Schiff sich ihre Waren befinden. Durch die zahlreichen Allianzen und Verflechtungen wie beispielsweise der CKYHE Allianz, wurden Container auf Hanjin-Schiffe verladen, auch wenn Verlader andere Reedereien kontraktiert hatten. Am 1. September 2016 wurde die Mitgliedschaft in der CKYHE Allianz von Hanjin Shipping suspendiert.
Auf den Hanjin-Schiffen befinden sich Waren im Wert von 14 Milliarden $. Das südkoreanische Schifffahrtsministerium erwartet, das Exporte über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten beeinträchtigt sein werden. Ob diese Einschätzung zutreffen wird ist abzuwarten. 79 Hanjin-Schiffen wurde das Anfahren von Häfen weltweit verweigert und es kam zu mehreren Beschlagnahmungen durch Vercharterer, Hafenbehörden und anderen Gläubigern. Überall in der Welt warten Besatzungen auf den Hanjin Schiffen auf für sie positive Gerichtsbeschlüsse und meiden derzeit die Häfen, um weitere Beschlagnahmungen zu vermeiden.
Der Zusammenbruch der Reederei ereignet sich in einem kritischen Moment: Händler überall auf der Welt breiten sich auf die wichtige Verkaufssaison zum Jahresende vor. Die National Retail Federation befürchtet, dass sich die Pleite äußerst negativ für die amerikanischen Konsumenten und auf die Wirtschaft auswirken wird. Britische Händler fürchten um die Versorgung vor Weihnachten.
Was ist der Stand der Dinge?
Nachdem amerikanische und koreanische Gerichte Hanjin 10 Milliarden für Entladungen $ freigaben, wurde der Hanjin Greece als erstes Schiff Schutz zugesichert. Daraufhin legte das Schiff in Long Beach an und wurde entladen. Der Betrag für die Entladung aller Hanjin Schiffe wird auf 543 Millionen $ beziffert.
In den kommenden Wochen plant Hanjin Shipping, in 43 Ländern Schutz für die Schiffe anzumelden. Die Situation von Hanjin Shipping zeigt, dass die heutige globale Welt neue rechtliche Mechanismen zum Schutz von Eigentümern, Verladern und Konsumenten benötigt.
Welche Auswirkungen kann der Konkurs haben?
Die Tragweite der kurzfristigen Auswirkungen des Konkurses auf die Wirtschaft und die Konsumenten hängt von der Geschwindigkeit der Entladung der Hanjin-Schiffe ab. Zwischenzeitlich werden die Verlader ihre Notfallpläne initiieren und parallel nach alternativen Lösungen suchen. Andere Schifffahrtslinien werden zusätzliche Fracht aufnehmen. Dies hat allerdings angesichts des anstehenden anlaufenden Vorweihnachtsgeschäfts seinen Preis. Hyundai Merchant Marine plant mindestens 13 ihrer Schiffe auf Routen einzusetzen, die bislang ausschließlich von Hanjin Shipping bedient wurden. Gleichzeitig plant die südkoreanische Regierung nach Angaben Reuters, andere Schifffahrtslinien um Unterstützung zu bitten.
Mittelfristig könnte die Schifffahrtsindustrie wieder in den Genuss gesunder Raten und Umsätze kommen. Containerraten für Transporte zwischen China und den USA sind an einem Tag um 50 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg hängt auch mit den anstehenden Feiertagen in China sowie der Anzahl stillgelegter Schiffe zum Abbau von Überkapazitäten zusammen. Nichtsdestotrotz schätzt das Korea Maritime Institute, dass kurzfristig die Raten für die Route Busan-USA um 27 Prozent und für die Busan-Europa Route um 47 Prozent ansteigen werden. Der staatliche Think Tank merkt zudem an, dass diese Erhöhung die koreanischen Exporteure mit Mehrkosten in Höhe von 440,7 Milliarden koreanischen Won belasten wird.
Angesichts möglicher weiterer Pleiten und der Auswirkungen auf die Wirtschaft gibt es zwei grundlegende Möglichkeiten: zum einen das Vertrauen auf bestehende rechtliche Vorschriften und Marktmechanismen, zum anderen der Eingriff der koreanischen Regierung zum präventiven Schutz der lokalen Volkswirtschaft. Der einsetzende Blitzverkauf der Hanjin Flotte deutet eher in Richtung Marktbereinigung. Über Jahrzehnte war die einheimische Schifffahrtsindustrie der Motor der exportorientierten südkoreanischen Wirtschaft. Ihre zukünftige Rolle hängt wahrscheinlich von der Einschätzung ab, ob die restrukturierungsbedürftigen Flag-Carrier im globalen Wettbewerb bestehen können.
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