Der Kille-Pitch, Ausgabe 2
Bei interkontinentalen Verkehren per See oder Luft gibt es derzeit keinen Anlass für Wachstumsfantasien. Nur wenige positive Meldungen für die Seefracht lassen sich finden. Überkapazitäten, geringere Mengen und folglich sinkende Raten dominieren die Berichterstattung. Auch die Autoren des RWI/ISL-Containerindex mahnen zur Vorsicht aufgrund der Entwicklung. Hinzu kommt ein schwächelnder Export. In den ersten zwei Monaten sind die Exporttonnagen insbesondere in die USA und China zurückgegangen. Dies lässt ein herausforderndes Jahr für die Seefracht erwarten.
Auswirkungen der „regionalen Globalisierung“
Demgegenüber entwickeln sich die Exporte in die EU-Staaten wie auch die Binnennachfrage positiv. Dies verdeutlicht die These der regionalen Globalisierung, wie sie die Experten auf dem Gipfel der Logistikweisen im Frühjahr 2016 herausgearbeitet haben: Die Güterströme verändern sich insofern, als dass mehr Waren innerhalb einer Region wie Europa oder Asien transportiert werden als interkontinental. Dem entsprechend sieht es für die Seefracht nach einer Zukunft mit Herausforderungen aus.
Eine Analyse der Daten macht es deutlich: In 2015 wurde insgesamt 2,8 Prozent weniger Tonnage umgeschlagen, wobei der Rückgang im Export mit 2,7 Prozent etwas geringer ausgefallen ist als im Import mit 3,0 Prozent. Bei Container-Exporten war die Entwicklung mit -8,6 Prozent nach TEU noch extremer (auch hier hat der Versand mit -8,3 Prozent leicht weniger Einbrüche verzeichnet als der Empfang mit -8,9 Prozent).
Für 2016 kann mit einer Stabilisierung gerechnet werden. Die Prognosen für die Schlüsselindustrien stehen hinsichtlich ihrer Produktionsleistung aktuell im Plus (bspw. Maschinenbau, Chemie und auch Automobilbau). Entsprechend sind auch mehr Exportmengen zu erwarten. Aufgrund der weiterhin hohen Überkapazitäten ist aber tendenziell trotz der leicht wachsenden Mengen kein Plus nach Euro zu erwarten – wohlgemerkt mit Blick auf Deutschland und dessen Exporte. Weltweit wird weiterhin ein Wachstum des Warenaustauschs erwartet.
Luftfracht etwas entspannter
In der Luftfracht ist die Situation insgesamt nicht ganz so angespannt. Ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung des Segments Luftfracht nach Euro spielt die Entwicklung des Ölpreises, da der Kerosinanteil an den Gesamtkosten nicht unerheblich ist. Für 2016 wird nochmals mit einer Reduzierung gerechnet, die nach den vorliegenden Prognosen über 10 Prozent liegen kann.
Dafür ist eine Erholung bei der Tonnage zu sehen. In 2015 wurde bereits ein leichtes Plus von 0,1 Prozent verzeichnet. Der Januar startete mit einem Mengenplus von 0,8 Prozent, welches sich bis März auf 0,6 Prozent in Summe stabilisierte. Trotzdem bleibt der Ausblick vorsichtig, was auch das Prognos/ZEW-Transportmarktbarometer zeigt (im Schnitt werden eher stagnierende Mengen und tendenziell sinkende Preise erwartet). Die Antworten zu diesen Umfragen sind jedoch meist sehr situativ getroffen und können deshalb nur ein Stimmungsbild sein. Trotzdem sollte ein unterdurchschnittliches Wachstum erwartet werden, da insgesamt auch die quantitativen Indizien darauf hinweisen (bspw. die stagnierende exportierte Tonnage im ersten Quartal 2016).
Die Luftfracht sollte sich jedoch etwas besser entwickeln. Laut dem Logistics Confidence Index von Stifel sollte die Talsohle durchschritten sein (dies unterstreicht auch die Belebung zum Ende des Jahres 2015). Auch wenn in der aufstrebenden und großen Volkswirtschaft Brasilien derzeit eine Wirtschaftskrise zu verzeichnen ist, sollte sich an diesem Trend nichts ändern (die Wirtschaftskrise herrschte schon 2015, außerdem ist der Anteil der Mengen mit rund 2 Prozent an der gesamten ausgehenden Luftfracht sehr klein und damit nahezu vernachlässigbar).
Investitionen in Sicherheit und Digitalisierung notwendig
Nicht vergessen werden sollten die notwendigen Investitionen in die Sicherheit an den Flughäfen sowie in die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch IT bzw. Digitalisierung. Erstere sollen nach einer Untersuchung von Arthur D. Little nur bei den Flughäfen insgesamt um fast 50 Prozent bis 2020 steigen. Letztere können um bis zu 39 Prozent bis 2020 steigen. Zwar werden anschließend deutliche jährliche Einsparungen erwartet (je nach Bereich 10 bis 15 Prozent), ebenso wie Umsatzsteigerungen aufgrund höherer Wettbewerbsfähigkeit. Die Investitionen werden zunächst jedoch zu Mehrkosten führen, Effizienzgewinne werden sich erst später ergeben (dies ist auch ein Ergebnis aus dem Bericht der Logistikweisen).
Insgesamt ist auch in der Luftfracht ein extremer Wettbewerb zu erkennen. Durch die meist günstigeren Drehkreuze in Istanbul oder Dubai entsteht Druck auf die deutschen Flughäfen. Hinzu kommen die Fluglinien dieser Länder, die aufgrund der zusätzlich geringeren Personalkosten eine aggressivere Preispolitik verfolgen können. Dass Amazon als möglicher neuer Luftfrachtplayer auf den Plan tritt, macht die Situation nicht einfacher.
Aktuell kann bei der Luftfracht in Summe nur mit einem Wachstum in 2016 von 1 Prozent nach Euro gerechnet werden. Zusammen mit den aktuell erwarteten 0 Prozent in der Seefracht bedeutet das für interkontinentale Verkehre ex Deutschland ein deutlich unterdurchschnittliches Wachstum.
In diesem Blog sollen Sie einen Einblick in die Entwicklung der unterschiedlichen Segmente der Logistik bekommen. Da die Logistik eine Querschnittsfunktion durch alle Branchen ist, finden Sie hier monatlich wechselnde Schwerpunkte, die sich einerseits aus den Kurzfristprognosen speisen, die wöchentlich in der DVZ veröffentlicht werden, und andererseits aus aktuellen Veränderungen und Geschehnissen. Informationen werden also in den Kontext ihrer Auswirkungen auf die Entwicklung der Logistik in Deutschland gestellt. Der Kille-Pitch erscheint immer am letzten Donnerstag im Monat.
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