Eine erste Aktualisierung der Prognose für das Logistikjahr 2020 wurde vom Expertenkreis der Logistikweisen im Mai auf der BVL-Veranstaltung Restart.Logistics vorgestellt und anschließend veröffentlicht. Aufgrund der dynamischen Zeiten und der zahlreichen Fragen, die sich zur mittelfristigen Entwicklung ergeben, hat sich der Expertenkreis dazu entschlossen, anhand einer internen Befragung ein monatliches Update der Einschätzungen vorzunehmen. Im Folgenden sind die Ergebnisse der Juni-Befragung zu finden, die in der DVZ bereits als Zusammenfassung veröffentlicht wurden.
Die Kernergebnisse des Updates:
- Es wird von einer langsamen Erholung ausgegangen. Die Prognose für das Jahr 2021 im Vergleich zu 2020 bleibt bei +3 Prozent real.
- Bei der Logistikbeschäftigung wird mit einem Abbau um 3 Prozent in 2020 gerechnet.
Grundsätzlich hat sich die Lage gegenüber April 2020 leicht verbessert. Das Tal scheint für den Großteil der Marktteilnehmer und Segmente in der Logistik durchschritten zu sein. Trotzdem leiden einige Bereiche unter der Krise, wie insbesondere die Automobilbranche, deren Situation sich trotz der Lockerungen noch nicht gebessert hat. Dies verdeutlicht auch die Spreizung bei den Rückmeldungen zur Situation und der Prognose. Entsprechend blickt der Expertenkreis in Summe zwar positiv in die Zukunft, jedoch auch verhalten im Hinblick auf die weitere Entwicklung. Eine schnelle Erholung und ein steiler Anstieg werden nicht erwartet (was auch der aktuelle Logistik-Indikator der BVL und des ifo Instituts wiederspiegelt). Diese qualitative Einschätzung wird von den Experten aus Industrie, Handel und Logistikdienstleistung wie auch aus Wissenschaft, Technologie, Beratung und anderen Bereichen des Wirtschaftsbereichs Logistik gleichermaßen geteilt. Sie liegt in etwa im Durchschnitt der Lageeinschätzung der Wirtschaftsforschungsinstitute für das BIP.
Daraus ergibt sich ein Bild der aktuellen Situation und der weiteren Entwicklung, die in eine notwendige Korrektur mündet:
2020: bis zu -6% real gegenüber 2019 (korrigiert)
2021: ca. +3% real gegenüber 2020
Die Reduzierung der Prognose speist sich aus den Erfahrungen mit der Krise, den Planungen der Unternehmen und den korrigierten Einschätzungen unter Einbezug der Ergebnisse von Konjunkturforschern etc.
Die Zahl der Logistikbeschäftigten wird voraussichtlich um 3 Prozent zurückgehen
Diese Entwicklung geht nicht spurlos an der Logistikbeschäftigung vorbei. Insbesondere in den beiden operativen Bereichen „Transport“ und „Lager“ wird in 2020 ein Abbau in Höhe von 3 Prozent erwartet.
Weniger stark, dennoch merklich wird mit einer Stellenkürzung im oberen und mittleren Management gerechnet. Ein Hoffnungsschimmer ist die Einschätzung zur Entwicklung der Beschäftigung in Bereich Digitalisierung und Innovationen. Der Expertenkreis geht davon aus, dass dort die Zahl stabil bleibt. Damit kann sich die Logistik nicht nur auf den „Restart“, sondern auch auf das „Update“ vorbereiten, wie es der Vorstandvorsitzende der BVL Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer im Kommentar zum aktuellen Logistik-Indikator fordert.
Bewertung des Umfelds des Wirtschaftsbereichs Logistik
Politik
Insgesamt agiert die Politik aus Sicht des Expertenkreises vernünftig und ausgewogen. Es hat sich gezeigt, dass das föderale System mit dezentralen Entscheidungen einen Erfolgsfaktor darstellt. Die Anstrengungen sind lobenswert, insbesondere das Konjunkturpaket. Oft sind die Maßnahmen zu breit gestreut und zeigen Defizite bei der zielgerichteten Zuweisung in Zukunftsfelder der Logistik.
Wirtschaftliches Umfeld
Insbesondere die Logistikdienstleistungsunternehmen haben Herausforderungen beim Management von Kapazitäten aufgrund der fehlenden Forecasts. Durch Konjunktureinbruch und langsamere Erholung droht auch ein Preiskampf. Die zu überbrückende Zeitspanne wird für viele Unternehmen zu lang. Damit steigt die Gefahr zahlreicher Insolvenzen insbesondere bei kleinen, mittleren und mittelständischen Unternehmen. Auch wenn es vor dem Hintergrund der aktuellen Situation kein einfaches Unterfangen ist, müssen Unternehmen in der Logistik insgesamt kreativer werden. Dies beinhaltet, kurzfristig nach Lösungen zu suchen, aber ebenso mittel- und langfristig Innovationen voranzutreiben, anpassungsfähiger zu werden und sich gegebenenfalls neu aufzustellen. Dies unterstützt, dass die aktuell wahrgenommene Relevanz der Logistik für die Wirtschaft nachhaltig im Bewusstsein bleibt.
Ökologie
Investitionen in die ökologische Nachhaltigkeit sind aktuell schmerzhaft, aber für die Wettbewerbsfähigkeit langfristig notwendig. Auch kleine Maßnahmen mit geringem Aufwand können auf dem Weg zu einem nachhaltigen Unternehmen unterstützen und die Unternehmenskultur prägen.
Technologie
Der Wandel in der Unternehmenskultur in Richtung Digitalisierung findet bereits jetzt statt. Die aktuelle Krise hat den Druck auf die Unternehmen erhöht, Innovationen und Digitalisierung voranzutreiben. Der Wirtschaftsbereich Logistik muss insgesamt innovativer und digitaler werden. Aufgrund der fehlenden Investitionsbudgets bedeutet es jedoch für nicht wenige Unternehmen eine Herausforderung, dieser Entwicklung zu folgen.
Gesellschaft
Der Wandel der Arbeit und des Arbeitsumfelds hat sich in Zeiten der Krise beschleunigt, da Home-Office, Video-Konferenzen etc. Akzeptanz gefunden haben. Es ist jedoch nicht nur die Weiterentwicklung der Ansätze der Arbeit von Morgen ein wichtiger Aspekt für die Zukunftsfähigkeit, sondern auch die Form der Zusammenarbeit in der Logistikkette und der Supply Chain. Die Herausforderung liegt darin, den Zusammenhalt und die gegenseitige Wertschätzung des Beitrags zum Erfolg aufrechtzuerhalten – auch nachhaltig und in Bezug auf die Leistung der Logistik.
Der Expertenkreis
Dr. Andreas Backhaus (ehemals BASF), Berit Börke (TX Logistik), Dr. Andreas Froschmayer (DACHSER), Dr. Christian Grotemeier (BVL.digital), Gerd Hailfinger (geberit), Frauke Heistermann (BEFESA), Dr. Christian Jacobi (agiplan), Prof. Dr. Christian Kille (FHWS), Matthias Klug (STILL), Wolfgang Lehmacher, Eric Malitzke (DPD), Markus Meißner (AEB), Michael Müller (Müller – die lila Logistik), Dr. Alexander Nehm (Logivest Concept), Anita Pieper (BMW), Klemens Rethmann (Rhenus), Andreas Reutter (Bosch), Dr. Torsten Rudolph (Rudolph Logistik), Prof. Dr. Thorsten Schmidt (TU Dresden), Marc Schmitt (Evertracker), Arnold Schroven (Schroven Consulting), Martin Schwemmer (Fraunhofer SCS), Dr. Stefan Schwinning (Miele), Harald Seifert (Seifert Logistics), Lars Siebel (REWE), Dr. Michael Sternbeck (dm), Prof. Dr. Wolfgang Stölzle (Uni St. Gallen), Jens Wagener (Commerzbank), Dr. Steffen Wagner (KPMG), Kerstin Wendt-Heinrich (TOP Mehrwert-Logistik), Patrick Wiedemann (Reverse Logistics Group), Prof. Dr. Peer Witten (LIHH)
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