Egal welche Medien Sie zum Thema moderne Arbeitsorganisation lesen, Sie werden vermutlich mit dem Begriff ‘agil’ bombardiert. In einer sich rasant wandelnden Arbeitswelt hat das gute Gründe, nur leider fehlt es vielen Projekten von ihrer Ausrichtung her an Möglichkeiten, Agilität langfristig aufrecht zu erhalten. Das Ergebnis: Agilität wird schnell zu einem inhaltslosen Buzzword. Das lässt sich vermeiden.
Agilität auf der Autobahn
Zunächst ein Gedanke fernab der Logistik: Stellen Sie sich einmal vor Ihrem geistigen Auge das Cockpit eines neuen E-Klasse Modells von Daimler vor (wahlweise auch jedes anderen deutschen Luxusherstellers). Was dem Fahrer dort präsentiert wird, ist das Destillat aus zehntausenden von Arbeitsstunden der besten Ingenieure und Designer des Landes. Unzählige Knöpfe, kleine Touchscreens, Hebel und Regler bieten durch perfekte Platzierung, Haptik und Beschriftung vermeintlich ideale Bedingungen, um dem Fahrer das Bedienen dieser Speerspitze deutscher Ingenieurskunst so einfach wie möglich zu machen.
Und jetzt stellen Sie sich einmal das Cockpit eines Tesla Model 3 vor (die Google Bildersuche hilft, falls Sie es noch nie gesehen haben). Dieser Innenraum hat fast nichts, außer einem zentralen großen Touchdisplay in der Mitte, über den die komplette Interaktion des Fahrers mit dem elektronischen Teil des Autos erfolgt. Im gesamten Innenraum sind weniger physische Knöpfe verbaut als die E-Klasse allein am Lenkrad hat. Selbst Schieberegler für die Heizung oder einen Hebel zum Öffnen des Handschuhfachs sucht man vergeblich. Eingaben erfolgen nur über das Display.
Schleichender Tod durch Handlungsunfähigkeit
Man könnte nun diese beiden Cockpits in vielerlei Hinsicht vergleichen. Ich möchte mir nicht anmaßen, über Ergonomie oder den subjektiven Coolness-Faktor zu urteilen. Aber aus Sicht eines Produktmanagers und Prozessgestalters möchte ich folgenden Gedanken hervorheben: Wenn in Sindelfingen eine neue E-Klasse vom Band läuft, wird sie im Schnitt 18 Jahre auf der Straße verbringen. Das komplette Bediencockpit ist ab diesem Zeitpunkt für 18 Jahre zementiert und völlig unveränderlich. Bei dem Tesla-Prinzip beginnt mit der Autoproduktion erst eine Reise der Wandlung. Das komplette Auto, insbesondere der Innenteil, ist konsequent auf Veränderung angelegt und jeder Tesla-Fahrer weiß, dass diese Veränderung in Form von Updates alle paar Wochen tatsächlich erfahrbar wird. Für den Käufer ist das ein entscheidender Vorteil. Er profitiert enorm von der Wandlungsfähigkeit und bleibt vom überwiegenden Teil technologischer Entwicklung nicht ausgeschlossen, ohne sich ein neues Auto kaufen zu müssen.
Vom Auto-Vergleich zum Logistik-Prinzip
Schlagen Sie nun mit diesem Gedanken im Kopf einmal die Brücke zu klassischen Logistik-Installationen: Automatische Hochregallager, Sortieranlagen aber auch Bereiche, die noch keinen hohen Automatisierungsgrad haben, sondern nur “normalen” Kontakt zu ERP- oder WMS-Systemen. Alle diese Bereiche werden sich wandeln – das steht völlig außer Frage. Diesen Wandel mitzugehen, wird aber nur dann gelingen, wenn alle diese Artefakte auch konsequent und von Grund auf auf Wandlungsfähigkeit ausgelegt werden. Die Fähigkeit zur Änderung war schon immer ein Wettbewerbsvorteil, aber in Zukunft wird sie der entscheidende sein. Gerade in einer Branche, die so sehr dem Streben nach Effizienz verfallen ist wie die Logistik, werden wir in nächster Zeit viele scheitern sehen, die Wandlungsfähigkeit nicht konsequent genug in der Ausrichtung ihrer Projekte anlegen. Nicht die Perfektion im Moment, sondern ausschließlich die Fähigkeit zur kontinuierlichen Verbesserung einer Sache wird über langfristigen Erfolg entscheiden.
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