Marco Redweik ist Unternehmensberater bei Redweik + Partner Managementberartung. Diese hat gemeinsam mit der Stadt Mannheim ein Konzept zur Optimierung der urbanen Paketauslieferung entworfen.
BVL: Herr Redweik, danke, dass Sie Zeit für uns haben. Kommen wir direkt zur Sache. Können Sie uns kurz erläutern, wie dieses neue Konzept aussieht?
Redweik: Die Lieferprozesse werden ja immer stärker auf den Kundenwunsch hin konzipiert. Das haben wir mit unserer Lösung auch getan. Das Ausgangsproblem ist hinreichend bekannt: verstopfte Straßen in den Städten, die vielen Lieferwagen – manchmal das gleiche Fahrzeug mehrmals am Tag – verschlimmern die Situation. Dazu kommt, dass in vielen Haushalten zu den üblichen Auslieferungszeiten niemand zu Hause sind. Es ist also viel mehr Flexibilität erforderlich.
Unser Konzept unterscheidet sich von den vielen anderen, die bereits existieren, in erster Linie in einem Punkt: Wir haben vom Endkunden, also vom Empfänger des Paketes her gedacht. Viele andere Konzepte setzen auf die Kooperation der KEP-Dienstleister – etwas, dass nach unserer Erfahrung nach nicht sehr gut funktioniert. Wenn man nun den Kunden betrachtet, gibt es zwei Ansatzpunkte: Am Anfang der Bestellkette, also in den Online Shops selbst, und am Ende der Bestellkette, wenn das Paket in Empfang genommen wird. Am Anfang der Bestellkette muss man mit vielen Partnern zusammenarbeiten. Die Webshops müssen die entsprechende Lösung einbinden, das tut dann nicht jeder Anbieter – das ist ziemlich kompliziert und sehr aufwändig. Deswegen haben wir uns auf das Ende der Bestellkette konzentriert. Das ist deutlich einfacher und erfordert, so wie wir es angegangen sind, keinerlei Kooperationsaufwand mit Shops oder KEP-Dienstleistern.
BVL: Nun sind wir gespannt. Wie genau funktioniert das?
Redweik: Wir richten Micro-Hubs ein, die eine feste Adresse haben. In jedem Micro-Hub gibt es Postfächer, die wiederum feste Kennzeichnungen haben. Eine Sendung wird nun vom Kunden bestellt und anstatt seiner eigenen Adresse gibt er die Adresse des Hubs und die Kennzeichnung seines Postfaches ein. Die Ware wird dann vom KEP-Dienstleister dorthin geliefert.
Für den Kunden läuft der gesamte Vorgang über eine App. In dieser legt er sein Profil an und kann viele Details festlegen: Zu welchen Zeiten ist jemand zu Hause, um das Paket anzunehmen, welche alternativen Ablageorte gibt es und so weiter. Jede Sendung wird dann im Micro-Hub registriert und der Kunde wird informiert. Er kann nun ad hoc entscheiden, wohin die Sendung geliefert werden soll – und wann. Oder es wird nach den Standard-Präferenzen verfahren, die der Kunde eingepflegt hat. Dann wird das Paket mit einem Kurierdienst passgenau zugestellt – oder der Kunde holt es selbst im Mirco-Hub ab.
BVL: Sie schalten also das Micro-Hub als Auffangbecken dazwischen.
Redweik: Genau. Wir können die Hubs in den Städten dort einrichten, wo es Sinn macht – in Park-häusern, in Containern auf Parkplätzen, auf Flächen der Stadt – je nachdem, was die Infrastruktur hergibt. Wir planen die Hubs personalfrei zu gestalten, aber wir sind grundsätzlich flexibel. Für die Auslieferung werden wir verschiedene Varianten testen.
BVL: Sie werden das Konzept in Mannheim in der Praxis testen. Wie weit sind Sie dort schon fortgeschritten?
Die Stadt Mannheim ist bezüglich der Anträge und Zuschüsse mit dem Bundesverkehrsministerium in Kontakt.
Sobald das durch ist werden wir ein Micro-Hub in der Mannheimer Schwetzingervorstadt aufbauen. Hier finden wir viele Heavy User, viele junge Leute und Studenten. Dort werden wir testen. Wir werden alle Beteiligten, vor allem die Kunden, stark mit einbinden, um möglichst viele Daten und viel Feedback zu sammeln. Wir wollen mit dem Pilotprojekt mindestens ein komplettes Jahr abbilden, damit wir alle Stoßzeiten erfassen können – auch um zu sehen, ob es nötig ist, beispielsweise über die Weihnachtszeit, die Hubs kurzfristig aufzustocken. Agilität ist bei diesem Projekt sehr wichtig, da wir im Vorfeld viele Faktoren auch nicht genau vorhersehen können. Das gilt auch für die Hubs selbst – diese sollen technisch so einfach und flexibel wie möglich gestaltet werden.
Wir halten derzeit nach Partnern Ausschau, die das Projekt neben der Stadt Mannheim unterstützen. Hier sind wir unter anderem mit einem der großen deutschen Lebensmittelhändler im Gespräch.
BVL: Worin sehen Sie die größte Herausforderung bei diesem Projekt?
Redweik: Ganz klar bei der Kundenakzeptanz. Da das System auf den Endkunden abzielt, steht und fällt alles mit ihm.
BVL: Und wie geht es weiter?
Redweik: Die Möglichkeiten sind vielfältig – wir können das System im Prinzip für jegliche Art von Lieferprozess übertragen, da der Hub ja „nur“ eine Adresse ist – so könnte man die ländliche Versorgung verbessern, Medikament- oder Lebensmitteltransporte sind denkbar – vielleicht lassen sich auch städtische Bürgerdienste einbinden. Da das Konzept so einfach und flexibel ist, haben wir viele Möglichkeiten.
BVL: Herr Redweik, vielen Dank