Digital Natives und Immigrants, E-Commerce, Smartphones und mobile Revolution – alles Treiber gesellschaftlicher Veränderung. Neues Konsumverhalten ist dabei eine der Folgen dieser Veränderung – im Westen, wie im Osten. In China, Indien aber auch in Brasilien und Indonesien haben sich infolge des rasanten wirtschaftlichen Wachstums der letzten Jahrzehnte kaufstarke Mittelschichten gebildet. Der Handel über das Internet boomt und wächst zweistellig. China liegt mit geschätzten 186 Milliarden Euro E-Commerce Umsatz im Jahr 2015 weltweit an der Spitze; Deutschland kommt auf einen Umsatz von 43 Milliarden Euro.
Die Zustellung an Privatpersonen nimmt im Zuge der neuen Konsummuster dramatisch zu und bietet neue Geschäftschancen. Dies spürt auch die Logistik-Industrie. Postgesellschaften erleben einen neuen Frühling. Logistik-Unternehmen, Postgesellschaften sowie Express und Paketdienste sind das Rückgrat des E-Commerce aber auch der heutigen globalen Lieferkette, auch Supply and Value Chain genannt.
Smartphones und der M-Commerce unterstützen den Impulskauf. Dieser verlangt nach umgehender Befriedigung beziehungsweise der kurzfristigen Bereitstellung der Ware. Daher boomen Services wie Amazon Prime. Das Programm bietet für bestimmte Postleitzahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika die kostenfreie Zustellung innerhalb einer Stunde an. Der Jahresbeitrag für diese und ein Reihe anderer Services beträgt 99 US-Dollar. Dabei beschränkt sich das Angebot keineswegs nur auf die Produkte von Amazon. In New York können Prime Nutzer tausende Produkte aus lokalen Läden innerhalb einer Stunde beziehen. Eine Herausforderung und Chance der Logistik-Industrie, ohne die ein solcher Service gar nicht darstellbar wäre. Am liebsten setzt Amazon allerdings für die Zustellung eigene Mittel ein, von traditionellen Fahrzeugen, über Locker bis Drohnen.
Die Konsumenten fragen immer häufiger nach individualisierten – in Auflage 1 hergestellten – Produkten. Unterstützt wird die Realisierung durch den 3D-Druck, der nun auch in den Privatkunden-Markt vordringt. In der Industrie wird diese Fertigungstechnik bereits seit vielen Jahren eingesetzt – beispielsweise zur Herstellung von Prototypen und Modellen, von denen nur geringe Stückzahlen benötigt werden. Der Flugzeughersteller Boeing verwendet im Kampfjet F-18 Hornet insgesamt 86 Teile aus dem 3-D-Drucker. Auch in Asien ist der 3D-Druck Bestandteil der Supply und Value Chain und wird gezielt von Ländern wie Japan und China gefördert. Nach Einschätzung von Marktforschern wird China die USA im laufenden Jahr bei der Anzahl verkaufter 3D-Drucker überholen.[1] Der 3D-Druck wird nicht nur die Fertigung, sondern auch Einzelhandel und E-Commerce transformieren. Vorausschauend plant Amazon bereits heute mobile 3D-Druck-Stationen auf Liefer-Lkws.[2]
Durch die zunehmende Nutzung des 3D-Drucks ergeben sich neue Optimierungspotenziale für die Wert- und Lieferketten. Produkte und Teile, die bislang an entfernten Orten hergestellt wurden, können nun in unmittelbarer Nähe der Kunden produziert werden – sogar zuhause oder beispielsweise beim Logistik-Dienstleister. Dadurch können diese entgangenen Transport-Umsatz durch Einnahmen für 3D-Druck-Leistungen kompensieren. Auch Produktion, Transport und Lagerung von Ersatzteilen wird reduziert. Mittels 3D-Druck werden diese nur bei Bedarf gefertigt. Dies senkt den Kapitaleinsatz für Hersteller und den Bedarf an Lagerflächen. Auch die Umwelt wird durch weniger anfallenden Müll entlastet. Konsumenten können sich einfache Ersatzteile selber herstellen. Dabei müssen Drucker, Teile und Materialien jedoch weiterhin angeliefert werden.
Mit dem einfacheren und steigenden Konsum entstehen allerdings auch ungewünschte Nebeneffekte. Zusätzliche Verkehrsbelastung und Berge von Verpackungen sind nur zwei Beispiele. Logistik-Unternehmen können sich auch hier absetzen und zu Partner von Land und Stadt werden. Beispielsweise durch die Nutzung von Fuß- und Fahrradkurieren sowie Elektrofahrzeugen, aber auch durch die Verlagerung von Tätigkeiten in die Nachtstunden zur Entlastung des Verkehrs. Australia Post hat vor einigen Tagen einen diesbezüglichen Test angekündigt. Der Impulskauf erhöht vielleicht die Toleranz für die nächtliche Aktivität.
Innovation erfordert nicht nur Kreativität sondern auch einen langen Atem. Dass Logistiker für innovative Projekte offen sind, zeigen folgende Beispiele: Die Schweiz startet im September 2016 einen Pilotversuch mit selbstfahrenden Lieferrobotern auf der letzten Meile. Eingesetzt werden dabei – wie bereits beim Pilotprojekt des KEP-Anbieters Hermes – Roboter des Herstellers Starship Technologies. Um den Stadtverkehr zu entlasten, stellt Amazon in Berlin 30 Prozent der Prime Now-Sendungen per Elektro-Lastenrad zu. In München arbeitet der Online-Anbieter mit Shell zusammen. An zehn Tankstellen werden dort Amazon Locker getestet, die den DHL-Paketstationen ähneln.[3]
Was derzeit bleibt sind die Verpackungsmüllberge. Lösungsansätze gibt es: von biologisch abbaubaren Materialien bis zur wiederverwendbaren Kartonage. Der entscheidende Durchbruch lässt jedoch noch auf sich warten. Dieses ökologisch wünschenswerte Unterfangen bedarf vielleicht nicht nur der Innovation, sondern auch der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik.
[1] https://www.3d-grenzenlos.de/magazin/marktforschung/china-verkauft-mehr-3d-drucker-als-usa-27155023.html
[2]http://www.chip.de/news/Amazon-druckt-Waren-im-Liefertruck-Mobile-3D-Druck-Stationen-geplant_76901211.html, abgerufen am 31.05.2016
[3] vgl. KEP-Nachrichten 34 vom 25.08.16, S. 1 f.
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