Sieben der zehn weltweit wertvollsten Unternehmen erzielten 2018 ihre Umsätze mittels plattform-basierten Geschäftsmodellen. Diese Geschäftsform macht auch vor der Logistik nicht Halt: Der US-amerikanische digitale Spediteur Flexport, das erste Unicorn der Logistikbranche, ist nämlich ebenfalls eine Plattform. Aber auch traditionelle Unternehmen der Branche wie Kühne & Nagel, DB Schenker, Agility und DSV experimentieren mit den digitalen Portalen, Plattformen und Prozessen. Der Druck kommt dabei vom Kunden. Diese stellen immer höhere Anforderungen an die Auslieferung der Waren.
Die der traditionellen Logistik verwandtesten Plattformen sind neben Flexport die US-amerikanischen Startups Uber und Flexe. Genau genommen Uber Freight. Uber Freight bietet Kunden den Frachtraum der auf der Plattform registrierten und bewerteten Lkw-Unternehmen an. Der Zugriff auf die Plattformen erfolgt über Apps, Mobiltelefone, Laptop und Desktop. Flexe verfolgt das gleiche Geschäftsprinzip wie Uber, allerdings im Bereich der Lagerhaltung. Das Aribnb oder WeWork der Logistikbranche sozusagen. Die US-amerikanische Plattform erlaubt den registrierten Kunden, beispielsweise Warenketten und E-Commerce Startups sowie gestandene Unternehmen, Lagerraum dort anzumieten, wo diese ihn wirklich brauchen. Die resultierende Flexibilität erlaubt ganz neue Distributionskonzepte – mit Vorteilen für die Eigentümer der Waren. Dies beispielsweise in Bezug auf die Nähe der Waren zu den Märkten und der daraus resultierenden Senkung der Transportkosten und Emissionen, sowie durch die Strukturierung der Prozesse, Arbeitsweisen und Daten. Flexport, Uber und Flexe sind dabei nur Stellvertreter für einen Megatrend in der Logistik: nämlich deren Plattformisierung. In Europa finden wir diese Art Unternehmen übrigens unter den Namen FreightHub, Quicargo und Stockspots. Auch in Asien sind diese Plattformen immer weiterverbreitet.
Zu den wesentlichen Unterschieden zwischen den Plattformen und traditionellen Geschäftsmodellen zählen die Kostensituation und der Investitionsbedarf. Bei traditionellen Modellen fallen im Wesentlichen 1. Kosten für die Produktion der Güter oder der Erstellung der Dienstleistungen, 2. Distributionskosten und 3. Kosten der Transaktion, einschließlich des Kundendienstes, an. Eine Plattform hingegen produziert nicht, distribuiert über das Internet und alle Prozesse, wie Auftragsvergabe und Vertragsabschluss, Zahlungsvorgänge und Kundendienst werden dort abgewickelt. Die Kosten der Plattform beschränken sich daher auf den Betrieb der digitalen Architektur und einer überschaubaren Verwaltung – nahezu unabhängig von der Anzahl der Kunden oder davon, ob die Plattform national oder global tätig ist. Die wesentliche Investition erfolgt in den Aufbau und die Weiterentwicklung der Plattform. Der Verkauf bleibt bei beiden Modellen, analog oder digital, eine Herausforderung. Ist allerdings die kritische Masse erreicht, verkauft sich die Plattform nahezu von selbst – Experten sprechen hierbei vom Plattform-Effekt. Plattformen sind daher aufgrund des geringen Anteils an Fixkosten und des niedrigen Investitionsbedarfs bei den Investoren sehr beliebt.
Die Plattformen sind daher leistungsstarke Maschinen der Kundenbeziehung und Abwicklung. Sie greifen auf die gesamten Ressourcen des Ecosystems zu und bieten den Kunden eine einfache und sichere Handhabung ihrer Anliegen. Der bequeme „one-stop-shop“ für jedermann. Mit dem „look and feel“ der Moderne.
Mit Uber, Flexe und den Bestrebungen tendiert auch die Logistik zur Welt der Plattformen. Oder zum weitgehend direkt oder indirekt vernetzen Ecosystem. Im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung, „Plattformisierung“ und Integration, wird die Logistik immer mehr zum kritischen Erfolgsfaktor für Geschäftserfolg. Denn es sind nicht mehr Unternehmen die miteinander konkurrieren, sondern vielmehr die logistischen Lieferketten von Nachfrage und Angebot. Unternehmen haben den Druck, aber auch die Chance, ihre Lieferketten neu zu denken. Sie nicht nur den neuen Anforderungen des Marktes anzupassen, sondern neue Vorteile herauszuarbeiten und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Partnerschaften und strategische Investitionen sind gefordert, um dieses Ziel zu realisieren. Notwendig wird dies, um damit Profitabilität und Marktanteile abzusichern. Ein Umstand, der nicht nur zur erhöhten Nachfrage nach Menschen mit Bereitschaft und Fähigkeit zur Kooperation und Erfahrung in der Akquisition von Unternehmen, sondern insbesondere auch nach Experten mit Logistik-Expertise geführt hat und in Zukunft noch in verstärktem Maße führen wird. Damit kommt zur mangelnden Attraktivität der Logistikbranche auch noch der mögliche Abfluss von gestandenem Personal. Im Gegenzug besteht die Chance zur Repositionierung der Industrie als digitale Plattform, neben Amazon, Alibaba, Uber, Airbnb und WeWork. Ein durchaus verlockendes Betätigungsfeld für die jungen Menschen unserer Zeit. Dafür müssen sich aber auch Umgangsformen und Kultur der Unternehmen schlagartig ändern.
Hallo Herr Lehmacher,
Ein sehr interessanter Artikel! Ich stimme ihnen zu – digitale Plattformen schaffen Wettbewerbsvorteile und Wachstumschancen für Unternehmen, die sich diesem Trend anschließen. Die Logistikbranche ist im Umbruch und plattformbasierte-Geschäftsmodelle sind die Zukunft!
Vielen Dank für das Feedback!