Forschung in der Logistik, das heißt in den letzten Jahren vor allem Digitalisierung: KI, Drohnen, Blockchain. Da sticht das IGF-Vorhaben „MoLa – Motivationssteigerung für logistische Fach- und Hilfskräfte im Lager“ der BVL – das über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wurde – heraus. Weit genug, um mit dem Projektleiter Prof. Michael Krupp von der Hochschule Augsburg das Gespräch zu suchen.
Lars Eggers: Herr Professor Krupp, Sie haben das Forschungsprojekt „Motivation im Lager“ durchgeführt. Vielleicht können Sie uns kurz erklären worum es dort ging?
Michael Krupp: Wir haben für die Arbeit im Lager, die ja dem Niedriglohnsektor zugeordnet werden muss, keine ausgeforschten Motivationsmethoden. Die existierende Motivationsforschung fokussiert eher akademische und administrative Jobs. Gleichzeitig werden die Anforderungen im Lagerbereich immer größer. Lean Management und zunehmende Technisierung führen dazu, dass wir mit motivierten Mitarbeitern an diese Herausforderungen herangehen müssen. Aber es gibt eben keine Methoden diese Motivation hochzuhalten.
Häufig wird auf monetäre Lösungen, also Akkordlöhne und ähnliches zurückgeriffen. Diese führen aber nicht dazu, dass die Angestellten dauerhaft motiviert sind, sie haben nur einen kurzfristigen Effekt. Dazu kommt der herrschende Fachkräftemangel im Niedriglohnbereich. Da spielen die Arbeitsbedingungen, und damit die Motivation, natürlich eine große Rolle. Wenn die Mitarbeiter schlechte Erfahrungen aus ihrem Job mitbringen und diese dann an Bekannte und Familie weitergeben, entsteht ein schlechtes Image, das es noch schwieriger macht, neue Arbeitskräfte zu finden.
LE: Wie war Ihre Studie aufgebaut?
MK: Wir haben uns etablierte Motivationsmethoden bei 18 ausgesuchten Unternehmen angesehen. Da gab es eine Reihe Ansätze, aber die waren meist eher „hemdsärmelig“ aufgesetzt. Vor allem im Niedriglohnbereich gab es wenig strukturiertes Vorgehen. Natürlich haben wir auch in der Literatur recherchiert, was in anderen Bereichen getan wird und haben diese Motivationsmethoden auf die Situation im Lager angepasst.
Um die Wirkungsweise der Methoden zu erforschen haben wir auch Leistungsmessungen durchgeführt. Dabei kam die Benchmarking Methodik des Fraunhofer SCS aus Nürnberg zum Einsatz. Zwei Jahre lang wurde die Motivation der Mitarbeiter mit der Lagerleistung abgeglichen und wir konnten tatsächlich nachweisen, dass es Zusammenhänge zwischen der Motivation der Mitarbeiter und der reellen Lagerleistung gibt.
LE: Wie genau sieht denn eine Motivationsmethode im Lager aus?
MK: Das ist kein Hexenwerk, man kennt die meisten Dinge aus anderen Bereichen. Das sind beispielsweise Mitarbeitergespräche, Teamrunden, Führung auf Augenhöhe, Gestaltungsspielräume für die Mitarbeiter. Kommunikation und der Einfluss, den ein Mitarbeiter auf die Verwirklichung der Arbeitsziele hat, spielen da eine große Rolle.
Es ist besonders wichtig zu erwähnen: Motivation basiert immer auf psychischer Gesundheit. Zu hoher Stress, depressive Verstimmungen und andere psychische Faktoren machen erfolgreiche Motivation deutlich schwerer oder gar unmöglich. In diesem Zusammenhang waren u.a. Rückkehrgespräche nach längerer Krankheit ein großes Thema – nicht, um Druck auf den Mitarbeiter auszuüben, weil er länger nicht zur Arbeit erschienen ist, sondern um zu sondieren, ob Veränderungen am Arbeitsplatz zu besserer Gesundheit führen können, damit sich die Krankheit nicht wiederholt. Einen hohen Krankenstand kann man nur vermeiden, wenn man auch weiß, warum die Mitarbeiter erkrankt sind. Da zeigt sich, wie unsagbar wichtig die Kommunikation ist. Es werden zu wenige strukturierte Mitarbeitergespräche geführt, es gibt zu wenig Transparenz von Geschäftsentscheidungen, auch hier besonders wieder im Niedriglohnbereich. Auch diese Mitarbeiter wollen über bestimmte Dinge wie Zielsetzungen, Entwicklungen der Unternehmenssituation oder Problematiken informiert sein. Man muss seine Mitarbeiter einfach wertschätzen und ernst nehmen, sonst entsteht Frust. Und das ist der Anfang allen Übels. An diesem Thema hat im Projekt maßgeblich der Lehrstuhl PiA (Lehrstuhl für Psychologie im Arbeitsleben) von Frau Prof. Niessen von der FAU Erlangen-Nürnberg gearbeitet – Kollegin Niessen ist ausgewiesene Expertin in diesem Gebiet.
LE: Das ist ja nun ein recht ungewöhnliches Thema in der jetzigen Zeit, in der die Logistik und der Rest der Welt über Digitalisierung, Technisierung und Automatisierung sprechen. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie dieses Projekt in Angriff genommen haben?
MK: In meinen Augen wird der Mensch im Zuge der Digitalisierung zu wenig beachtet. Die heutigen Lager sind zum größten Teil immer noch manuell. Egal wie weit man die Technisierung vorantreibt, es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir in den nächsten zehn Jahren vollständig autonome Lager ohne menschliche Arbeitskräfte haben werden. Der manuelle Anteil wird auf absehbare Zeit relativ hoch bleiben. Gleichzeitig werden die Unternehmen für diese Arbeiten aber nicht viel Geld ausgeben wollen oder können, es wird ein Niedriglohnsektor bestehen bleiben. Da kommt dann die Motivation in Spiel. Und die stärken Sie nicht automatisch, indem sie jemandem eine Augmented-Reality-Brille aufsetzen, da müssen andere Dinge passieren. Natürlich bietet die Technik auch hier viele Potenziale zur Verbesserung der Situation, die müssen aber eben gezielt erforscht und gestaltet werden.
LE: Wie kann man die Motivation der Lagermitarbeiter mit Hilfe moderner Technologien unterstützen?
MK: Viele Mitarbeiter in der Lagerlogistik haben Angst, dass ihre Jobs durch Digitalisierung und Automatisierung verloren gehen. Das wird man ihnen nicht komplett nehmen können. Es wird Einsparungen durch Automatisierung geben, das ist allen klar. Aber es gibt eben auch Vorteile, insbesondere die Entlastung bei körperlicher Arbeit. Durch die Digitalisierung entsteht auch eine höhere Transparenz der gesamten Prozesse, an denen Lagerarbeiter beteiligt sind. Eine solche Transparenz kann wie schon erwähnt zur Motivationssteigerung beitragen, wenn sie auch Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigt. Da kann die digitale Kommunikationstechnologie einiges leisten.
Der wichtige Punkt ist aber, dass man auch die Digitalisierungsprozesse nicht über die Köpfe der Mitarbeiter hinweg durchführt. Man muss die Mitarbeiter miteinbeziehen und ihre Lebenswelt ernst nehmen.
LE: Gab es während der Studie Überraschungen für Sie?
MK: Ja, ich hatte eine ganz interessante persönliche Erfahrung als die Kolleginnen vom PiA die Mitarbeiter in den Lagern befragten. Ich hatte im Prinzip unterstellt, dass Menschen in diesem Bereich nur arbeiten um Geld zu verdienen und in dem Bereich eigentliche Arbeit relativ egal ist. Das hat sich überhaupt nicht bestätigt, im Gegenteil. Die meisten Angestellten kommen gerne zur Arbeit, und haben Freude an ihren Aufgaben. Das war eine wirklich wichtige und wesentliche Erkenntnis: Die Leute haben Lust auf die Lagertätigkeiten, sie empfinden sie nicht als monoton oder belastend. Der Frust entsteht tatsächlich durch schlechte Rahmenbedingungen. Und für die sind die Führungskräfte verantwortlich.
LE: Wie soll es mit dem Projekt weitergehen? Werden die Erkenntnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?
MK: Ja, das haben wir vor. Es ist geplant, einen Methodenkatalog zu erstellen und auch mittels einer Webseite allen Interessierten zugänglich zu machen. Unsere Zielgruppe ist hier vor allem die mittlere Führungsebene, denn dort scheint der größte Handlungsbedarf zu liegen. Auch das war eine wesentliche Erkenntnis unseres Projektes. Die Managementebene implementiert oft eine Reihe an Methoden, diese kommen aber überhaupt nicht bei den Mitarbeitern im Lager an, weil sie irgendwo zwischen Topmanagement und Lagermitarbeiter versickern. Deswegen wollen wir vor allem Teamleitern und mittleren Führungskräften unsere erarbeiteten Methoden nahebringen. Das soll zunächst über eine für diese Zielgruppe gestaltete Handreichung erfolgen.
In einem beantragten Folgeprojekt soll eine benutzerfreundliche Online-Plattform entwickelt werden die mit Erklärvideos, Checklisten und anderen Methoden aus der Erwachsenenbildung genau die angesprochene Zielgruppe adressiert. Eine solche Online-Plattform könnte man dann auch ständig weiterentwickeln und aktualisieren.
Wir planen zudem das „MoLa“ Projekt auf Berufskraftfahrer zu übersetzen und das Projekt „MoFahr – Navigator zur Motivations- und Gesundheitsförderung von Fahrpersonal“ durchzuführen – die Bedingungen der beiden Felder sind ja recht ähnlich. Wir hoffen, dass auch dieses Projekt im Rahmen der industriellen Gemeinschaftsforschung über das BMWi und die BVL gefördert wird.
Wir wollen außerdem versuchen, die Digitalisierung auf den Kopf zu stellen, also ein Projekt erschaffen, das untersucht, wie man die Technologien hinter Industrie 4.0/Logistik 4.0 einsetzen kann, um den Mitarbeiter zu unterstützen. Denn nur wenn die digitalen Technologien und die menschlichen Arbeitskräfte gut arbeiten, wird ein Lager der Logistik 4.0 auch wirklich sinnvoll und effizient funktionieren.
Zu guter Letzt werden wir mit unseren Forschungspartnern, dem Fraunhofer SCS, dem PiA der FAU und HSA_ops, einen Arbeitskreis zum Thema Mitarbeitermotivation und Ertüchtigung der mittleren Führungsebene gründen. Aus der MoLa Abschlussveranstaltung konnten wir hier schon einige Unternehmen gewinnen, wir freuen uns aber auch über weitere Interessenten.
LE: Herr Professor Krupp, vielen Dank für das Gespräch.
Sowas finde ich gut. Man muss sich da schon Gedanken machen, denn auch beim Gabelstapler fahren ist Routine gefährlich, wenn man nicht gut aufpasst. Alle sollten Spass haben und entsprechend aufmerksam arbeiten.
Liebes Team,
ich wollte euch allen zu diesem tollen Artikel gratulieren! Es ist wirklich inspirierend zu sehen, wie das MoLa-Projekt die Herausforderungen der Motivation im Lagerbereich angeht und dabei so innovative Ansätze entwickelt. Ich konnte viele wichtige Erkenntnisse aus dem Artikel herausfiltern, die auch für meine Arbeit relevant sind.
Besonders beeindruckend fand ich die Betonung der menschlichen Seite der Arbeitskraft in einer Zeit, in der oft über Technologie und Automatisierung gesprochen wird. Die Erkenntnis, dass Mitarbeiter im Lager oft Freude an ihrer Arbeit haben, aber durch schlechte Rahmenbedingungen frustriert werden, zeigt deutlich, wie wichtig es ist, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Mitarbeiter wertzuschätzen.
Ich freue mich schon sehr auf die Veröffentlichung des Methodenkatalogs und bin gespannt darauf, mehr über die entwickelten Methoden und Erkenntnisse zu erfahren. Vielen Dank an das gesamte Team für eure harte Arbeit und euer Engagement!
Beste Grüße,
Artur Stawinski