Gesundheitsschutz und Weiterbildung sind sehr gut vereinbar
Der 26. Handelslogistik-Kongress von EHI, GS1 und BVL hat Re-Start-Charakter: für uns Logistiker ist es die erste größere Vor-Ort-Veranstaltung seit Monaten, mit realen 170 plus virtuellen 70 Teilnehmern. Die Team-Kollegen von EHI und GS1 haben organisatorisch ganze Arbeit geleistet: 100%-Temperatur-Screening, Abstandsregeln, Maskenpflicht in definierten Bereichen, Hygienekonzept, 100%-Frischluft-Zufuhr in den Räumen. Dort, wo sonst 500 Menschen platziert werden, gibt es 150 fest zugeordnete Sitzplätze, parlamentarisch aufgebaut, sodass kein „Leeregefühl“ entsteht. Eine pfiffig organisierte Essens- und Getränkeausgabe, Registrierung an den Catering-Tischen, sehr gute Gesprächsmöglichkeiten mit den 20 Ausstellern. Wer Vertrauliches reden möchte, geht in die „Blabla-Area“. Der Humor kommt also nicht zu kurz, die Teilnehmer/innen gehen rücksichtsvoll miteinander um und halten vorbildlich diszipliniert die Regeln ein – Logistiker eben. Ein großes Kompliment an die Organisatoren für die konsequente Planung und Umsetzung, an die Teilnehmer für ihre Freude am persönlichen Treffen und die gepflegten Dialoge und natürlich an die Referent/innen für hoch spannende und in der Tat wegweisende Vorträge.
Wir haben die Zusage von Amazon gehört, bis 2040 und nicht erst 2050 zu 100 Prozent CO2-neutral zu sein – mithilfe guter Organisation, neuen Technologien und sehr viel Mitarbeitermotivation. Das Otto-Vorstandsmitglied Kay Schiebur stellte einen On-Demand-Commerce Service vor, der insbesondere kleinen Händlern den Sprung ins wachsende E-Commerce-Geschäft ermöglicht. Pieter van Koote von Heineken sprach über dort umgesetzte Praxisprojekte der Lean and Green-Initiative, die zur CO2-Reduktion und zur Gewinnsteigerung geführt haben. „Nachhaltigkeit durch Effizienz“, wie wir in der BVL sagen. Anschließend wurden Eckes Granini, Thermotraffic, Lorenz Snackworld, B+S Logistik und Meyer Quick Service Logistik für außerordentliche Leistungen in der CO2-Reduktion mit Lean and Green Awards ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch.
Der Einsatz neuer Technologien trägt zur Ressourcenschonung bei. Der „Technologieradar“ von BVL.digital gibt Orientierung im Technologie-Dschungel, indem dort planungs- und einsatzrelevante Technologien aufgeführt und Investitionsentscheidungen erleichtert werden. Danke an den Kollegen Nikolai Posanok für einen inspirierenden Beitrag.
Anwendungsbereiche neuster Lagertechnologien haben Philip Stadtmann von DocCheck sowie Dr. Jan Fischer und Oliver Dahms von EMP Merchandising vorgestellt. Als Trends sehen sie Autostores, Roboter und automatisiertes Packen, vielleicht sogar langfristig voll-autonome Warehouses. Michael Gräf von dm-drogeriemarkt und Patrik Mense von Loxxess stellten das Projekt SMILE vor – Smarte und Innovative Logistik für E-Commerce. Es setzt aufgrund der zu bewältigenden Artikelvielfalt auf menschliche Kommissionierleistung, in Zusammenarbeit mit intelligenten Algorithmen. Künstliche Intelligenz (KI), Automatisierung und Mitarbeiterintegration haben das Online-Business revolutioniert. Das Projekt war neben Einreichungen von BMW und Airbus einer der Finalisten des Deutschen Logistik-Preises 2019.
Dass nachhaltige Verpackungslösungen Realität sind, haben Verantwortliche des Unternehmens memo-Box klargestellt – mit einem Konzept, das schon im Jahr 2017 den Nachhaltigkeitspreis Logistik der BVL erhalten hat. Aber auch makrologistische Themen spielten eine Rolle: Miriam Opitz vom Fraunhofer SCS berichtete über ein Lebensmittel-Nahversorgungsprojekt im ländlichen Raum. Dies war der „Vortrag der Herzen“ – mit einer großen sozialen Komponente und engagierten jungen Wissenschaftlern, die ein menschliches Projekt in strukturschwachen Regionen umsetzen und damit für die dort lebende Bevölkerung relevant sind.
Nun freuen wir uns auf den zweiten Tag, wo unter anderem die Urbane Logistik aus wissenschaftlicher Sicht (Prof. Wolfgang Stölzle) beleuchtet sowie im Praxiseinsatz durch Projekte von Incharge und DroidDrive („Ducktrain“) gezeigt wird. Gespannt bin ich auch, wie das schweizerische Projekt „Cargo Sous Terrain“ aus dem Status des jahrelangen Ankündigungsweltmeisters in die Realisierung eintreten möchte. Dort ist beispielsweise das frühere Startup Picnic GmbH schon angekommen. 4.000 Mitarbeiter/innen, Order Forecasting, Informations- und Materialflussoptimierung sowie ein engagiertes Team sind die Erfolgsfaktoren für ein modernes „Milchmann“-Projekt.
Mein Fazit lautet: der 26. Handelslogistik-Kongress hat bewiesen, was wir schon lange vermutet haben. Der persönliche Wissens- und Erfahrungsaustausch ist durch nichts zu ersetzen – er ist hoch notwendig und sogar in Zeiten des Pandemieschutzes möglich, wenn engagierte Organisatoren und disziplinierte Teilnehmer zusammenkommen. Hoffen wir, dass diese Botschaft auch bei Gesundheitsminister Jens Spahn ankommt, der zuletzt am vergangenen Sonntag in einem heute-journal-Interview ausufernde Privatfeiern und professionell organisierte Veranstaltungen verbal in einen Topf geworfen hat. Das haben die Organisationen nicht verdient, die mit Veranstaltungen ihre ehrenamtliche Arbeit finanzieren und zur Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Wirtschaft beitragen. Herr Minister Spahn, hier in Köln haben wir bewiesen, dass Gesundheitsschutz und Weiterbildung sehr gut vereinbar sind. Geben Sie uns die Freiheit, auf diesem Weg weiter zu machen – und machen Sie sich gern ein persönliches Bild davon. Sie sind herzlich eingeladen – zum Forum Ersatzteillogistik im September in Nürnberg oder zum Deutschen Logistik-Kongress im Oktober in Berlin.
Köln, 19. August 2020
Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer
Vorsitzender des Vorstands
Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V.
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