Die Industrie ist bekanntlich ein wichtiger Faktor für die Wirtschaftskraft Deutschlands. Die Kritik Trumps an Deutschlands Außenhandelsbilanz kann nur als Neid interpretiert werden, denn in den USA wurden die Produktionskapazitäten über die letzten Jahrzehnte kontinuierlich zurückgebaut (das aktuelle Aufflackern hinsichtlich neuer Industriearbeitsplätze bedeutet noch keine Trendumkehr).
We have a MASSIVE trade deficit with Germany, plus they pay FAR LESS than they should on NATO & military. Very bad for U.S. This will change
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 30. Mai 2017
Im Allgemeinen gilt die Auffassung, dass die Logistik von dieser Industrie profitiert und deshalb auch eine solch gute Position im internationalen Vergleich einnimmt (der standesgemäße Verweis auf die Platzierung beim LPI der World Bank darf an dieser Stelle nicht fehlen).
Industrielogistikleistungen bilden Löwenanteil
Die Industrielle Kontraktlogistik, die nur den Teil der logistischen Leistungen abdeckt, die individuell auf den Anwendungsbereich zugeschnitten sind und sich aus mehreren Leistungen zusammensetzt, nimmt gemäß den Untersuchungen des Fraunhofer SCS ein Volumen von 74 Mrd. € in 2016 ein. Im Vergleich dazu entfallen auf den Konsumgüterbereich nur 24 Mrd. €. Zusammengenommen fallen komplexen, individuell konzipierten und umfangreichen Kontraktlogistiklösungen 100 Mrd. € vom Gesamtlogistikvolumen in Höhe von 253 Mrd. € zu. Einfach gesprochen könnten die restlichen 150 Mrd. € entsprechend zu gleichen Teilen der Industrie und dem Konsumgüterbereich zugeordnet werden. So würde auf Industrie-induzierte Logistik in Summe ca. 180 Mrd. € entfallen – oder anders gesprochen: 70 Prozent der Logistikleistungen sind Industrielogistikleistungen. Dies erklärt, warum der Wirtschaftsbereich Logistik in Deutschland relativ gesehen größer ist als in anderen, weniger industrialisierten Länder wie insbesondere Großbritannien.
Interpretation Nr. 1: Die Logistik ist eine abgeleitete Funktion.
Daran besteht kein Zweifel. Geht es der Industrie gut, geht es der Logistik gut (auch das ist ein Allgemeinplatz, bei dem jeder nicken wird). Eindrücklich war dies zu sehen, als die Finanzkrise ihr Unwesen trieb. Die Logistik hatte deutlich größere Einbrüche zu verzeichnen als die Gesamtwirtschaft (-9 Prozent gegenüber „nur“ -5 Prozent). Dies führt jedoch auch zu…
…Interpretation 2: Die Industrie ist nur deshalb so erfolgreich, weil die Logistik leistungsfähig ist.
Ein Indiz, dessen Kausalität noch nicht nachgewiesen wurde, ist die wiederum schnelle Erholung von Logistik und Industrie in den Jahren 2010 und 2011: Die agilen Logistik- und Prozessketten ermöglichten den Industrieunternehmen, den zarten Aufschwung in der Weltwirtschaft schnell zu bedienen – andere konnten nur langsamer reagieren und die Nachfrage nicht befriedigen. Deutschland bzw. dessen Industrieunternehmen konnten Marktanteile gewinnen, was zwangsläufig zu einem erhöhten Außenhandelsdefizit führte. Der Erfolg der Industrieunternehmen hängt entsprechend maßgeblich mit der Zuverlässigkeit, Flexibilität und Leistungsfähigkeit der Logistik zusammen. Das führt pointiert gesprochen zu…
…Interpretation 3: Die Industrie läuft nur gut, wenn die Logistik perfekt funktioniert.
Und hier schließt sich der Kreis: Die USA hat seit Jahrzehnten eine sinkende Industriequote. Die populistische Begründung dafür sind China und Mexiko. Ich bin zugegebenermaßen kein USA-Experte. Jedoch sehe ich persönlich keinen Unterschied zu Deutschland: Ein Großteil der Gebrauchsartikel für den privaten Bereich kommen aus China und Fernost. Viele Industrieunternehmen lassen in Polen, Ungarn, Tschechien und Rumänien fertigen. Was ist also anders? Vielleicht doch die Leistungsfähigkeit der Logistik? Das ist sicherlich zu einfach formuliert. Aber es könnte doch den Kern treffen: Die Infrastruktur in den USA ist ausbaufähig. Die Qualität der Logistikleistungen ist im Transport- bzw. Güterverteilsektor herausragend (nicht nur die Paketdienste UPS und FedEx, sondern auch Unternehmen im FTL/LTL-Bereich wie bspw. CH Robinson) – aber kennen Sie einen ernst zu nehmenden US-Kontraktlogistiker? Das Zusammenspiel von Logistik und Industrie hat entsprechend nicht funktioniert.
Die Wahrheit liegt in der Mitte
Zugegebenermaßen sind insbesondere Interpretation 1 und 3 sehr pointiert. Deshalb liegt die Wahrheit wahrscheinlich irgendwo in der Mitte: Die Logistik ist ein Erfolgsfaktor für die Industrie, aber sie kann auch nicht ohne das Zusammenspiel reüssieren.
Deshalb wird tendenziell die industrielle Kontraktlogistik im Speziellen mit über 2 Prozent auch überdurchschnittlich wachsen. Das hat nicht nur mit steigenden Mengen und Kosten zu tun, sondern auch mit neuen Aufgaben, die der Logistik übergeben werden. Dies bezieht sich nicht nur auf die Logistikdienstleister, die ein neues Outsourcingprojekt gewinnen können. Es umfasst auch die Logistikabteilung eines Industrieunternehmens, welches neue Verantwortung bspw. für die Kundenbetreuung oder die Individualisierung erhält. Das Potenzial der Leistungsfähigkeit der Logistik zu realisieren ist ein Erfolgsfaktor des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Allgemeinen und der deutschen Industrie im Speziellen.
In diesem Blog sollen Sie einen Einblick in die Entwicklung der unterschiedlichen Segmente der Logistik bekommen. Da die Logistik eine Querschnittsfunktion durch alle Branchen ist, finden Sie hier monatlich wechselnde Schwerpunkte, die sich einerseits aus den Kurzfristprognosen speisen, die wöchentlich in der DVZ veröffentlicht werden, und andererseits aus aktuellen Veränderungen und Geschehnissen. Informationen werden also in den Kontext ihrer Auswirkungen auf die Entwicklung der Logistik in Deutschland gestellt.
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