Das Jahr 2017 war aus Sicht des Onlinehandels bislang der Höhepunkt seiner Geschichte. Nachdem der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) bereits im ersten Halbjahr einen Anstieg von über sechs Prozent verkündete, wurden es im Weihnachtsgeschäft noch einmal doppelt so viel. Das sind an sich erfreuliche Nachrichten, zumal immer noch Potenzial nach oben besteht. Parallel zu den ansteigenden Zahlen kam sowohl in der Branche, als auch in den Medien die Diskussion um einen drohenden Zusammenbruch des Systems auf. Von einem möglichen „Paketkollaps“ war die Rede und dass die Paketdienstleister die rasante Entwicklung des E-Commerce womöglich verschlafen haben.
Sicherlich: Die Branche hätte durchaus schneller reagieren können bzw. müssen. Allerdings lässt sich das Rad der Zeit nun nicht mehr zurückdrehen. Und es liegt auch weder allein an den KEP-Unternehmen, noch am Wachstum des Onlinehandels, weshalb es bei der Zustellung immer wieder knirscht. Es ist vielmehr die längst verbreitete Null-Versandkosten-Mentalität, die vor allem durch die großen Player wie Amazon, Zalando & Co. befeuert wird. Mehr als erfolgreich hat der Handel dem Kunden eingeredet, dass im Internet alles zu jeder Zeit, an jeden Ort lieferbar ist – und das auch noch gratis. Bislang haben sich die Paketdienste dem Kostendruck der übermächtig erscheinenden Onlinehändler gebeugt und sich deren Vorgaben angepasst. Mit der Folge, dass sie pro Sendung nur noch durchschnittlich 5,85 Euro verdienen.
Das Paket-Axiom: die letzte Meile und fehlende Kapazitäten
Diese Kampfpreise werden in der Regel weitergegeben und gehen am Ende vor allem auf die Kosten der Zusteller. Die müssen nicht nur immer mehr Pakete zustellen, sondern das auch zu einem immer niedrigeren Stundenlohn. Es überrascht also nicht, dass kaum noch jemand diesen Job machen möchte und die KEP-Dienste unter einem Fahrermangel leiden. Der drohende Infarkt lässt sich jedoch kaum allein durch mehr Paketboten abwenden. Das ist der Branche längst bekannt, weshalb sie händeringend nach alternativen Lösungsansätzen sucht. Neben dem Dauer-Problem der letzten Meile gilt es auch die fehlenden Kapazitäten zu erweitern.
Die Haustürlieferung ist zwar nach wie vor die bevorzugte Zustelloption, gleichzeitig jedoch auch diejenige mit der geringsten Erfolgsquote. Daher spielen einzelne Paketdienstleister mit dem Gedanken, künftig für die Lieferung an die Haustüre eine Extra-Gebühr zu erheben und standardmäßig an Paketshops zu liefern. Diese sind für die KEP-Dienste nämlich die effizienteste Art, Pakete zuzustellen. Denn durch die alternativen Anlieferpunkte müssen sie sich nicht selbst um Lagerplatz für die Sendungen kümmern. Ebenso, wie um Mitarbeiter, die die Pakete annehmen, verstauen und an den Empfänger ausgeben. Außerdem bleibt es den Zustellern so erspart, die Privatadressen anzufahren und für jedes einzelne Paket stoppen zu müssen.
Sämtliche Möglichkeiten nutzen, die sich bieten
So ist es eine fast schon logische Folge, dass der Bedarf an Paketshops wächst, was wiederum zu einem erheblichen Infrastrukturproblem führt. Nicht nur, dass es nicht ausreichend Bäckereien, Zeitschriftenläden, Wäschereien oder Tankstellen gibt, die sich als Annahmestelle zur Verfügung stellen bzw. dafür eignen. Vor allem diejenigen in „Premiumlage“, die neben langen Öffnungszeiten auch Parkplätze und genügend Lagerplatz für die Lieferungen haben, sind Mangelware. Denn eine gute Erreichbarkeit ist sowohl für KEP-Dienste, als auch die Empfänger von großem Vorteil. Insbesondere Berufstätige profitieren von Paketshops, die auf ihrem Arbeitsweg liegen, da sie so entweder vor der Arbeit oder nach Feierabend ihre Lieferung auf dem Heimweg abholen können.
Da es nicht allein in den Händen der Paketdienste liegt, in welcher Lage sie sich mit einer „Dependance“ niederlassen können, kommt im Wettkampf um die besten Locations der Ansatz der Zustelllösung pakadoo ganz gelegen. Indem Privatpakete ganz offiziell im Unternehmen zugestellt werden können, fallen hierdurch die zahlreichen Anfahrten an die Heimadressen weg. Außerdem lassen sich private mit geschäftlichen Sendungen kombiniert ausliefern, wodurch pro Stopp eine vergleichsweise hohe Zahl an Lieferungen ausgeliefert wird. Durch pakadoo wird das Unternehmen quasi zum Paketshop. Und erweitert so das Netz an Anlieferungspunkten, das zudem von allen KEP-Diensten genutzt werden können. Zu den ersten, die dieses Potenzial erkannt haben, gehört Hermes. Durch eine exklusive Kooperation hat der KEP-Dienstleister sein Netz so um 200 Anlieferungspunkte vergrößert.
In Zukunft wird es für die Paketdienste wichtiger denn je, sich nach Möglichkeiten umzusehen, die ihre Kapazitäten erweitern können. Denn das Bestell- und somit das Liefervolumen wird mit großer Wahrscheinlichkeit in der kommenden Zeit nicht kleiner – sondern sich im Gegensatz viel eher noch erhöhen. Und damit nicht doch eines Tages der große Kollaps droht, müssen insbesondere KEP-Dienste jetzt anfangen, aktiv zu handeln. Weihnachten 2018 steht bald wieder vor der Tür…
Leave a Reply