Heute: Konsumgüterkontraktlogistik
Der Kontraktlogistik wird immer noch ein großes Potenzial zugesprochen. Nach den neuesten Untersuchungen der Kollegen vom Fraunhofer SCS verteilt sich der Anteil der Konsumgüter- und der industriellen Kontraktlogistik im Verhältnis 1:3 bzw. rund 28 Mrd. € zu 74 Mrd. € (siehe Top 100 2016/17). Das sind rund 40% des gesamten Volumens des Wirtschaftsbereichs Logistik. Analysieren wir zunächst den Konsumgüterbereich – im nächsten Blog thematisieren wir die industrielle Kontraktlogistik.
Konsumgüterkontraktlogistik hat Entwicklungschancen
Trotz der sich gut entwickelnden Binnennachfrage auch im Konsum und trotz der deutlichen Aufwertung des Gesamtvolumens des Wirtschaftsbereichs Logistik um +4,5 Prozent aufgrund methodischer Anpassungen konnte die Konsumgüterkontraktlogistik im Vergleich seit 2013 nur durchschnittlich wachsen. Oder anders ausgedrückt: Die Konsumgüterkontraktlogistik hat sich parallel mit dem gesamten Wirtschaftsbereich entwickelt. Ein Wachstumsmarkt sieht anders aus, oder?
Grundsätzlich ist das richtig. Jedoch kann in einer entwickelten Volkswirtschaft wie Deutschland der Konsum nur wenig zulegen, da nicht mehr konsumiert werden kann und die meisten Haushalte mit den wichtigsten Gütern ausgestattet sind. Meist werden nur Ersatzkäufe getätigt. Wenn das Konsumklima gut ist, wird auch der Umsatz steigen, weil entweder diese Käufe vorgezogen werden (was auch zu einem erhöhten Logistikaufkommen führt), oder schlicht teurere Investitionen getätigt werden (was grundsätzlich neutral auf die Logistik wirkt, sofern man von kleineren Effekten aufgrund höherwertiger Logistikleistungen absieht). Damit erscheint das niedrige Wachstum des Gesamtvolumens der Konsumgüterkontraktlogistik plausibel. Auch die Prognose für 2017, die sich etwas über der für die Gesamtlogistik in Höhe von 1,9 Prozent bewegt, spiegelt dies wider.
15 Prozent Umsatzpotenzial
Trotzdem hat die Konsumgüterkontraktlogistik gerade für Logistikdienstleister ein Potenzial für Umsatzwachstum und weitere, auch qualitative Entwicklung. Dies liegt insbesondere an der niedrigen Outsourcingquote in Höhe von 35 Prozent. Mit anderen Worten: 65 Prozent des Segments werden noch operativ und administrativ durch Industrie und Handel abgewickelt. Auch wenn nur der Durchschnitt über alle Segmente herangezogen wird, der bei 50 Prozent liegt, ergibt sich ein Umsatzpotenzial von 15 Prozent bzw. 4 Mrd. €, welches zumindest auf dem Papier „ohne Weiteres“ gewonnen werden kann (denn in anderen Segmenten herrschen Outsourcing-Quoten von 90 bis 95 Prozent).
Hört sich verlockend an? Ist es auch. Jedoch zeigen die Zahlen der letzten Top-100-Untersuchung, dass scheinbar den Konsumgüterkontraktlogistikern nur wenig gelungen ist. Der Outsourcing-Anteil hat sich ebenso parallel mit dem gesamten Wirtschaftsbereich bzw. dem Segment entwickelt (unter Einbezug der bereits oben erwähnten Anpassung in der Methodik). Dies zeigt sich schon länger, trotz E-Commerce und der damit einhergehenden größeren Aufwände in der Logistik aufgrund kleinteiligerer Sendungsaufkommen. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Kein Outsourcing ohne Kostensenkung
Zunächst bedeutet eine gering wachsende Outsourcing-Quote nicht, dass die Outsourcing-Aktivitäten stagnieren. Denn meist erwarten Unternehmen aus Industrie und Handel, dass auch die Kosten geringer werden. Somit führt ein Auslagern der Logistik in der Gesamtmarktrechnung streng genommen zu einer Abnahme des Gesamtvolumens. Damit wird ein Wachstum, bspw. durch E-Commerce, durch diesen Umstand kompensiert. Ein weiterer ist der Anteil des E-Commerce am Gesamteinzelhandel: Aktuell beträgt er knapp über 10 Prozent am Einzelhandelsumsatz. Der Einzelhandel wiederum hat in etwa ein Drittel Anteil am Gesamthandelsumsatz. Wird nun noch die Konsumgüterindustrie hinzugezogen, reduziert sich der Anteil am Gesamtkonsumgüterumsatz auf einen niedrigen einstelligen Prozentsatz. Hinzu kommt, dass ein Wachstum seitens E-Commerce in der gesättigten Volkswirtschaft zu einer Verlagerung führt, nicht zu einem 1:1-Wachstum (vgl. auch Kille-Pitch Nr. 5).
Ein weiterer nicht unerheblicher Faktor sind die Leistungsanteile in der Konsumgüterkontraktlogistik: Laut der letzten Top-100-Veröffentlichung sind 35 Prozent Lagerleistungen, 27 Prozent Transportaktivitäten und 11 Prozent Management. Die restlichen 27 Prozent sind Beständekosten. Bisher existieren noch wenige Angebote, bei denen diese Kosten auf einen externen Dienstleister übertragen werden konnte. Faktisch reduziert sich damit das Potenzial der Konsumgüterkontraktlogistik auf rund 20 Mrd. €, von denen bereits knapp 10 Mrd. € durch Dienstleister erbracht wird.
Handels- oder Logistikdienstleistungsunternehmen?
Nachdem viele Händler die Potenziale für eine Fremdvergabe als gering betrachten (einerseits aus geringem Kostenvorteil, andererseits aufgrund fehlenden Vertrauens in die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit externer Partner), stocken zumindest hier die Outsourcing-Aktivitäten. Hinzu kommt, dass Handelsunternehmen als Logistikanbieter auftreten. MGL ist bekannt und wird entsprechend seit Jahren auch in den Rankings der Top 100 aufgeführt. Aber Amazon? Bekanntlich wird die Logistik über eine Tochtergesellschaft abgewickelt, womit Amazon die Vergütung der Mitarbeiter in den Distributionszentren auch begründet. Mittlerweile wird die Leistung auch anderen Händlern angeboten (bisher hauptsächlich Marketplace-Partnern). Also hat Amazon nicht nur erkannt, dass die Logistik ein elementarer Erfolgsfaktor ist, sondern tritt auch extern als Logistikpartner auf. Die Frage ist: Is Amazon a 3PL? Dies fragten sich auch die Autoren im Supply Chain Quarterly 3/2014.
Für Logistikunternehmen ist es entsprechend nicht einfach, in der Kontraktlogistik für Konsumgüter ein „schnelles“ Geschäft zu machen. Insbesondere, weil das langjährige Hauptargument der Kosteneinsparungen durch Outsourcing immer weniger verfängt. Stärker gefragt sind nun Steigerung der Flexibilität und Zeitersparnis, wie ein Detailergebnis des Gipfels der Logistikweisen lautet (der Ergebnisbericht wird in Q1/2017 auf www.logistikweisen.de veröffentlicht). Neue Angebote sind damit notwendig, um nicht nur Industrie- und Handelsunternehmen von Outsourcing-Maßnahmen zu überzeugen, sondern auch gegen E-Commerce-Experten wie Amazon-Logistik bestehen zu können.
Über den Kille-Pitch
In diesem Blog sollen Sie einen Einblick in die Entwicklung der unterschiedlichen Segmente der Logistik bekommen. Da die Logistik eine Querschnittsfunktion durch alle Branchen ist, finden Sie hier monatlich wechselnde Schwerpunkte, die sich einerseits aus den Kurzfristprognosen speisen, die wöchentlich in der DVZ veröffentlicht werden, und andererseits aus aktuellen Veränderungen und Geschehnissen. Informationen werden also in den Kontext ihrer Auswirkungen auf die Entwicklung der Logistik in Deutschland gestellt.
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