Am 10. Oktober 2016 wird in Leipzig Jaber al-Bakr verhaftet. Dem Verdächtigten werden Kontakte zu Daesh (Al-daula al-Islamija fi-l-Iraq wa-l-Scham), auch bekannt als sogenannter Islamischer Staat, nachgesagt. Vorgeworfen werden dem Syrer die Planung von Terroranschlägen auf die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland. Nach Zeitungsberichten waren Angriffe auf Züge angedacht, es gab aber auch konkrete Hinweise auf die Flughäfen in Berlin als potenzielles Ziel.
Auch wenn der Anschlag verhindert werden konnte, sind wir wieder einmal gewarnt. Die Festnahme verhärtet die Annahme, dass auch Ziele in Deutschland im Visier von Terroristen sind. Die Rolle des Daesh ist dabei kein Zufall, beteiligt sich Deutschland doch neben weiteren Staaten an dem Kampf gegen die Terrormiliz in Syrien und dem Irak. Angesichts der jüngsten Rückschläge der Terrormiliz steigt das Risiko von Terroranschlägen in allen am Kampf beteiligten Ländern.
Die kürzlich verübten Anschläge in Paris und Brüssel zielten im Wesentlichen auf Menschen. Osama bin Laden sah allerdings in der Weltwirtschaft das vorrangige Ziel. Durch Anschläge auf die Lebensader der Menschen sollte das System im Kern getroffen werden. Die Verkehrsinfrastruktur liegt im Zentrum dieses Bestrebens. See- und Flughäfen, Straßennetze, Wasserstraßen und Schienenstränge spielen eine wichtige Rolle in der Versorgung von Mensch und Industrie.
Welche Auswirkungen ein Anschlag auf die Supply Chain haben könnte, zeigt folgende Überlegung: 70 bis 80% des weltweiten Öls passiert den Suezkanal, die Straße von Hormus und die Straße von Malakka. Ein erfolgreicher Angriff könnte den Schiffsverkehr dort zum erliegen bringen. Mit entsprechenden Folgen für die Supply Chain. Von besonderer Bedeutung ist die Straße von Hormus: gelegen zwischen der arabischen Halbinsel und dem Iran passieren durch diese nahezu 20% des globalen Ölhandels.
Natürlich sind diese Passagen nicht die einzigen möglichen Angriffspunkte innerhalb der Supply Chain. Auch die Hauptumschlagbasen für Fracht sind potenzielle Ziele. 14,8% des containerisierten Vekehrs und der Luftfracht passieren den Hongkong – Shenzhen Fracht-Cluster. Der Hafen von Shenzhen ist einer der wichtigsten Gateways für Chinas internationalen Handel und daher entscheidend für die Versorgung vieler Fabriken und Kunden weltweit. Aber auch andere Häfen und Flughäfen könnten ins Visier der Terrormilizen geraten. Und dies nicht nur in Asien, Afrika und dem Mittleren Osten, sondern auch hier – in Europa, in Deutschland.
Sich mit den Risiken zu beschäftigen, sich der Gefahren um die Supply Chain bewusst zu sein und adäquate Maßnahmen zu deren Schutz zu ergreifen, ist also angebracht. Häufig fehlt noch das Bewusstsein dafür, dass die Supply Chain ein mögliches Anschlagsziel sein könnte. Dies zeigt eine Studie der University of Tennessee. Diese fand heraus, das von zwei Dritteln der Firmen mit Risk Managern nahezu alle die Supply Chain Risiken unbeachtet lassen. Angesichts der derzeitigen Entwicklungen eine möglicherweise riskante Haltung. Dabei können Unternehmen auf bereits vorhandenen Lösungen aufbauen. Von den verschiedenen Logistikunternehmen werden bereits heute Sicherheitsstrategien umgesetzt – beispielsweise in Form von Überwachungskameras, Eingangskontrollen, speziellen Schulungen und vielem mehr. Allerdings lag der Fokus bislang eher auf der Diebstahlprävention. Die Unternehmen müssen daher in Bezug auf ihre Strategien weiterdenken.
Während die öffentliche Sicherheit das höchste Gebot ist, sollten wir die Sicherheit der Lieferkette nicht aus den Augen verlieren. Diesbezüglich ist das Bewusstsein um dieses Risiko und die möglichen Folgen der erste Schritt. Das Ergreifen von Vorbeugemaßnahmen der nächste. Heute ist die Bedrohung durch Terroristen wieder ein Bestandteil unseres Lebens geworden. Wir können Ereignisse wie die Tragödien von Paris oder San Bernardino verhindern. Mut macht, dass zumindest al-Bakr in Deutschland kein Netzwerk hatte, auf das er zugreifen konnte – Unterschlupf fand er bei Landsleuten, die er zuvor nicht kannte und die ihn schließlich überwältigten und der Polizei übergaben.[1]
Literaturtipp:
Welcher terroristischen Gefahr ist die Supply Chain ausgesetzt und wie können Unternehmen, Staaten und Organisationen darauf reagieren? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt das Essential „Steht unsere Versorgung auf dem Spiel? Über terroristische Bedrohungen entlang der Supply Chain“ von Wolfgang Lehmacher. Erhältlich ist das Buch als Softcover (9,99 €) sowie als eBook (4,99 €). Umfang: 58 Seiten, ISBN: 978-3-658-14687-0. http://www.springer.com/de/book/9783658146870
[1] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-10/flughafen-anschlag-aschaber-al-bakr-terror-geheimdienste
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