Die Meldungen zum Außenhandel Deutschlands überschlagen sich mit Rekorden. Die Jahreszahlen für 2017 liegen zwar noch nicht im Detail vor. Es ist jedoch mit einem deutlichen weiteren Wachstum zu rechnen. Für den Import-/Export-Seismografen Deutschland haben wir die Daten des dritten Quartals 2017 ausgewertet, die in einer hohen Detailierung vorliegen. Das Ergebnis: Nach den Zahlen, die in Publikumsmedien meist genannt werden, zeigt sich ein Exportwachstum von 6,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal auf 317 Mrd. Euro. Das wird selbstverständlich als Erfolg der leistungsfähigen deutschen Wirtschaft bezeichnet. Ist die Quintessenz für die Logistik, dass sie ebenso ein solches Wachstum verzeichnen konnte? Ein erster Blick auf die Summe zeigt: Nein.
Ausfuhren nach Großbritannien gestiegen
Die Tonnagemengen haben sich gegenüber dem Vorjahresquartal nicht verändert. Es wurden jeweils 100,9 Mio. Tonnen exportiert. Für diese Entwicklung ist maßgeblich der Export in die EU verantwortlich. Während die Ausfuhrmengen in außereuropäische Staaten teilweise hohe Wachstumsraten zeigten, gingen sie in die EU-Staaten mit -0,6 Prozent leicht zurück. Da dieser Warenaustausch über 75 Prozent umfasst, hat dieser Rückgang einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtzahlen.
Insbesondere Italien mit -1,6 Prozent und Frankreich mit -1,4 Prozent haben als große Exportpartner die Entwicklung in der EU geprägt. Im Gegensatz dazu haben die Ausfuhren nach Großbritannien um 1,6 Prozent zugenommen. Nutznießer dieses Wachstums waren die Hersteller von Rohstoffen wie Steine und Erden oder Vorprodukten wie Kokereierzeugnissen sowie Glaserzeugnissen und Papier. Die Schlüsselindustrien Chemie (-2,1 Prozent), Maschinenbau (-15,3 Prozent) und Automobil (-3,0 Prozent) haben alle hinsichtlich des Exportgewichts deutlich verloren. Eine ähnliche Entwicklung ist beim Wert zu sehen.
Echtes Wachstum beim Import
Auf der Einfuhrseite ist ein ähnliches Bild hinsichtlich des Unterschiedes zwischen Wert und Menge zu sehen, jedoch nicht hinsichtlich der Wachstumsraten. Der Wert importierter Waren und Dienstleistungen lag im dritten Quartal 2017 mit 254 Mrd. € um 7,7 Prozent höher als im Vorjahresquartal. Die Mengen konnten immerhin um 2,2 Prozent auf 165 Mio. Tonnen zulegen. Stütze dafür waren neben den interkontinentalen Handelspartnern China oder Japan insbesondere die EU mit einem Wachstum von 6 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Auch aus den USA ist nach über einem Jahr in einem Quartal wieder im Vergleich mehr Tonnage importiert worden (das letzte Wachstumsquartal war Q2/2016). Ob für 2017 das Defizit in der Außenhandelsbilanz aus Sicht der USA (logistisch) insgesamt ausgeglichener werden wird, kann noch nicht abgesehen werden.
Relevant ist die Tonnage, nicht der Wert
Nun noch einmal zur Eingangsfrage: Kann die Logistik von ähnlichem Wachstum profitieren wie die Branchen, die Euro als Kenngröße nehmen? Dazu hilft ein Blick auf die Güter, die eine komplexere Logistik benötigen. Die erwähnten Schlüsselbranchen zeigen alle ein Wachstum bei der Im- und Exporttonnage, obwohl bei den Ausfuhren Deutschlands insgesamt eine Stagnation zu sehen war. Entsprechend nachvollziehbar ist es, dass das Geschäftsklima sehr positiv ist, wie es der Logistik-Indikator der BVL für das vierte Quartal zeigt. Trotzdem liegen auch hier die Wachstumsraten nach Wert deutlich höher (bspw. beläuft sich in Q3/2017 die Zunahme des Ausfuhrwerts des Maschinenbaus auf 7,3 Prozent, die der Ausfuhrtonnage auf 4,0 Prozent).
Diese Auswertungen sind nur eine Auswahl. Weitere Detailzahlen werden in den nächsten Tagen auf der Seite http://www.aeb.de veröffentlicht.
Die spannende Frage bleibt: Wird sich auch 2018 so positiv entwickeln wie das Jahr 2017? Die meisten Prognoseinstitute verweisen auf ein hohes Wachstum des BIP. Die Logistikweisen waren für die Logistik mit 2,2 Prozent erwartetem Wachstum vorsichtiger, wie in den Ergebnissen des Herbsttreffens nachzulesen ist – sofern man die Entwicklung der Logistik im Vergleich zum BIP der letzten Jahre als Vergleich nimmt. Denn der Wert steigt überproportional im Vergleich zum Gut, welches für die Logistik relevant ist.
Über den ESD/ISD
Der Export- und Importseismograf Deutschland (ESD/ISD) erscheint als vierteljährliche Analyse und beleuchtet die Außenhandelsströme von und nach Deutschland. Er wird gemeinsam von dem Institut für Angewandte Logistik (IAL) der Hochschule für angewandte Wissenschaft Würzburg-Schweinfurt, dem Softwareunternehmen AEB und den Kommunikationsberatern Hocke + Partner herausgegeben. Fachlicher Kopf des Projektes ist Prof. Dr. Christian Kille. Der ESD/ISD erschien erstmals im Oktober 2010. Die Auswertungen beruhen u. a. auf Daten des Statistischen Bundesamtes.
In diesem Blog sollen Sie einen Einblick in die Entwicklung der unterschiedlichen Segmente der Logistik bekommen. Da die Logistik eine Querschnittsfunktion durch alle Branchen ist, finden Sie hier monatlich wechselnde Schwerpunkte, die sich einerseits aus den Kurzfristprognosen speisen, die wöchentlich in der DVZ veröffentlicht werden, und andererseits aus aktuellen Veränderungen und Geschehnissen. Informationen werden also in den Kontext ihrer Auswirkungen auf die Entwicklung der Logistik in Deutschland gestellt.
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