Teil 1: Die richtigen Aufgaben für das Supply Chain Management
Bei den meisten Unternehmen ist das Supply Chain Management (SCM) bzw. die Logistik heute in der Aufbauorganisation verankert („Logistik“ und „SCM“ werden im Folgenden synonym verwendet, vgl. http://www.bvl.de/wissen/logistik-definitionen). Ein einheitliches Verständnis über die optimale Zuordnung von Aufgaben zum SCM gibt es jedoch nicht, wie sich in verschiedenen wissenschaftlichen Ansätzen und vor allem empirischen Studien ausdrückt. So kam in der BME-Umfrage 2016 bei der Frage „Welche Aufgaben werden durch Ihre SCM-Einheit durchgeführt“ keine Antwort auf einen Einzelwert von über 50%. Spitzenwerte waren Plan-/ Regel-/ Strategieentwicklung für die gesamte Supply Chain (49 % / 49 % / 47 %), Funktionsübergreifendes Bestandsmanagement (42 %), Controlling der gesamten Supply Chain (40 %), Beschaffungsplanung (40 %) sowie Transport und Lagerung Endprodukte (je 36 %) (Quelle: Umfrage Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) und Lehrgebiet Unternehmensorganisation und Beschaffung der Fachhochschule Südwestfalen, 2016). Eine wesentliche Ursache dafür ist der Querschnittscharakter der Logistik, der viele Unternehmensfunktionen bis hin zu Einkauf, Produktion und Vertrieb berührt.
Daher gilt es zunächst gilt im konkreten Fall zu klären, welche Aufgaben überhaupt in der Supply Chain anfallen, d.h. „was“ wird „wie“ gemacht. Die folgende Abbildung zeigt „typische“ Aufgaben aus Beschaffung, Produktion und Distribution, basierend auf Studien und der Literatur sowie auf zahlreichen existierenden Unternehmensorganisationen. Sie wurden nach logisch-zeitlichen Kriterien in Blöcken zusammengefasst:
- Design und Optimierung (lang- und mittelfristig)
- Steuerung (mittel- und kurzfristig)
- Ausführung (kurzfristig)
- Überwachung
Diese Struktur wird bei der weiteren Diskussion verwendet und gewährleistet sowohl Nachvollziehbarkeit als auch Praxisnähe.
Die nächste Frage beinhaltet die Zuordnung von Aufgaben zu einer Organisationseinheit Supply Chain Management (SCM).
Im Extremfall werden alle dargestellten Aufgaben in der Supply Chain durch das SCM selbst wahrgenommen. Damit verbunden sind verschiedene Stärken und Potenziale:
- ganzheitliche Optimierung der Supply Chain vom Lieferanten zum Kunden
- Reduzierung von Schnittstellenverlusten mit Auswirkungen auf Zeit, Aufwand und Ergebnis
- optimale Nutzung von logistischen Ressourcen, Systemen und Know-how entlang der Kette
Dieser Ansatz steht jedoch in massiver Konkurrenz zu einer traditionellen Wahrnehmung vieler SCM-Aufgaben durch Einkauf, Produktion, Vertrieb etc. und ist allein schon daher kaum durchsetzbar. Im Folgenden wird diskutiert, was für eine Ansiedelung der SCM-Aufgabenblöcke bei der SCM-Organisationseinheit spricht, beginnend mit Ausführung und Steuerung.
Ausführung Supply Chain: Die „Hardcore“-Logistik
Aufgaben für den „Praktiker“: Wareneingang, Lagerung, Kommissionierung, Konfektion, Versand, inner- und außerbetrieblicher Transport, Rücklieferungen und Leergutmanagement, immer bezogen auf Vor-, Zwischen- und Fertigprodukte, bis hin zum Betrieb von Logistik-Standorten und der gesamten Werkslogistik. Dazu gehören unmittelbar begleitende administrative Aufgaben, wie Wareneingangsabwicklung, Lagerverwaltung, Materialflusssteuerung, Kommissionier- und Versandabwicklung.
Was sind Argumente für die Ausführung, die „Supply Chain Execution“ in einer Organisationseinheit SCM?
- Bündelung der spezifischen Qualifikation (Prozesse, Systeme, Technik), auch in Bezug auf die tarifliche Entlohnung z.B. im Gegensatz zu Produktionstätigkeiten
- Synergiepotenziale und Skalierbarkeit bei Infrastruktur und Systemen (z.B. Nutzung für verschiedene Geschäftsbereiche)
- Einfache Führbarkeit über Service- und Kostenvorgaben
- Räumlich und organisatorisch abgrenzbar gegenüber anderen Bereichen, z.B. Produktion.
Man kann eine derartige Organisationseinheit mit eigener Kosten- und Durchführungsverantwortung auch als Logistik-Service oder Logistik-Operation bezeichnen. Aufgrund ihrer Charakteristika (Abgrenzbarkeit, Führbarkeit, spezifisches Know-how) ist sie ein idealer Kandidat für eine (Komplett- oder Teil-) Fremdvergabe.
Exkurs: Produktion als „ausführende“ Aufgabe des SCM?
Die Produktion erfordert i.d.R. Kompetenzen und Fähigkeiten, die über die o.g. Logistik-Aufgaben deutlich hinausgehen, z.B. Rüsten, Fertigung und Instandhaltung, Verfahrens- und Werkstofftechnik sowie die Steuerung und Überwachung der Anlagen. Die Produktionsmitarbeiter verfügen über andere und anders vergütete Qualifikationen. Damit ist auch eine organisatorische Abgrenzbarkeit von der Logistik meist einfach. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die operative Durchführung von Produktionsaufgaben durch die Organisationseinheit SCM anbietet, wenn dies aufgrund überschaubarer Komplexität möglich ist, d.h. bei einfachen Montage-, Abfüll- oder Konfektionierungsvorgängen ohne aufwändige Anlagentechnik, Instandhaltung etc. Dort dürften auch Befindlichkeiten eine untergeordnete Rolle spielen.
Steuerung Supply Chain: Die Logistik als Taktgeber
Hier stehen die regelmäßige, taktische Planung und die Steuerung der Supply Chain im Mittelpunkt, also Forecasting und Netzwerkplanung, Bestandsmanagement und operative Beschaffung. Dazu können auch Auftragsmanagement und Service- und Vertriebsplanung zählen. Auch die Planung und (zumindest Grob-) Steuerung der Produktion kann eine Aufgabe des SCM sein, zumal wenn die Produktion selber extern vergeben ist.
Folgende konkrete Merkmale sprechen für eine Ansiedelung dieser Aufgaben in der Organisationseinheit SCM:
- Bündelung des prozessual-fachliches Know-hows (Prozesse, ERP-Systeme)
- Laufende Optimierung der Supply Chain im Spannungsfeld zwischen Service, Kosten und Kapitalbindung
- Mittlerrolle zwischen mehreren Geschäftseinheiten, die auf die gleichen Ressourcen und Bestände zugreifen
- Einfache Harmonisierung mit der ausführenden Logistik (Kapazitätssteuerung!)
Aufgrund der engen Verzahnung im Unternehmen und eingeschränkter Kostenpotenziale kommt für diese Funktion eine Fremdvergabe kaum in Frage. Die durchgängige Abbildung der Planungs- und Steuerungsprozess im ERP-System ermöglicht auch eine effiziente Ansiedelung in Nicht-SCM-Einheiten, also Geschäftsbereichen, Vertrieb, Produktion / Operations, Einkauf etc.
Exkurs: Einkauf als „steuernde“ Aufgabe des SCM?
Der Einkauf umfasst nicht nur die Abwicklung von Bestellungen (operativer Einkauf), sondern auch Beschaffungsmarketing, Abschluss von (Rahmen- und anderen) Verträgen, Lieferantenmanagement und Lieferantenentwicklung (strategischer Einkauf). Der strategische Einkauf ist unternehmensweit tätig und bündelt Bedarfe. Insbesondere unterliegt er hohen Anforderungen an die Compliance. Gerade die Gewährleistung des 4-Augen-Prinzips in der Beschaffung und ein effektives Rollenspiel mit den Fachabteilungen sprechen dafür, den strategischen Einkauf ganz bewusst außerhalb des SCM zu führen.
Design und Optimierung Supply Chain: Der Think-Tank Logistik
Aufgabenschwerpunkt sind Projekte wie die Abstimmung von Service und Service-Level mit Geschäftsbereichen oder Regionen, die Entwicklung und Umsetzung von Netzwerken für Distribution oder Beschaffung, der Aufbau von Logistikstandorten, die fachliche Durchführung von Transport- und Logistikausschreibungen sowie kunden- und lieferantenspezifische Projekte, alles einschließlich Implementierung und Anlaufunterstützung. Weitere Inhalte sind Supply-Chain-Prozesse, Regelwerke und Anforderungen an die IT-Umsetzung.
Dieser Logistik-Support pendelt zwischen einem fachlichen Inhouse-Consulting und einer „hoheitlich“ agierenden Stelle, die verbindliche Vorgaben erzeugt. Was aber spricht für eine Ansiedlung im SCM?
- Professionelle und systematische Entwicklung und Durchsetzung von Standards und Best Practices im Unternehmen
- Aufbau unternehmensspezifischer Expertise, auch unter Nutzung der Erfahrungen aus der Planung, Steuerung und Ausführung der Supply Chain
In wie weit diese Aufgaben durch das SCM geleistet werden können oder besser durch externe Berater oder ggf. ein übergreifendes Inhouse-Consulting zu erbringen sind, hängt von der jeweiligen Größe und Bedeutung der Logistik ab. In Konzernen existieren ganze Supply-Chain-Planungsabteilungen, während bei Mittelständlern der Logistikleiter bei diesen Aufgaben häufig Einzelkämpfer ist.
Überwachung Supply Chain: Führungsunterstützung aus der Logistik
Der Hintergrund zur Ansiedelung dieser Aufgaben beim SCM ist ähnlich der vom Design und Optimierung, wobei hier der Fokus nicht projektorientiert ist, sondern als Daueraufgabe mit täglichen bis jährlichen Rhythmen. Eine Alternative ist die Ansiedelung dieser Aufgaben im klassischen Controlling.
Der nächste Teil erscheint Mitte Oktober und beschäftigt sich mit der „richtigen“ Integration des Supply Chain Management in die Aufbauorganisation.
Informativer Beitrag dem nicht viel hinzuzufügen ist, freue mich schon auf den nächsten Teil!
Leider ist es heute in der Praxis immer noch nicht überall so, dass Logistik als integraler Bestandteil des Unternehmens (bzw. der Supply Chain) begriffen wird.
Interessanter Artikel zum SCM deren Aufgabenbestandteile in der Grafik gut dargestellt sind. Insbesondere die Vernetzung der vielfach innerbetrieblich zergliederten Abteilungsverantwortungen ist eine Herausforderung die sich auch die Unternehmen in der Gesundheitswirtschaft stellen müssen. Ich bin gespannt auf Teil 2 mit der Integration der SCM Aufbauorganisation.
Comment: Logistiker in einem Klinikum der Maximalversogung
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