Teil 3: Neu- bzw. Reorganisation des Supply Chain Management
In den ersten beiden Teilen meines Blogs habe ich die Fragen behandelt, welche Aufgaben der Organisationseinheit „Supply Chain Management“ (SCM) zugeordnet werden sollten (15. September 2017) – und wie das SCM bestmöglich in die Unternehmensorganisation integriert werden kann (19. Oktober 2017). Damit lassen sich nicht nur die vielen Gestaltungsoptionen sinnvoll eingrenzen, sondern auch Zusammenhänge zwischen den Aufgabenschwerpunkten und der richtigen organisatorischen Integration darstellen.
Im letzten Teil des Blogs widme ich mich dem Vorgehen bei der Neu- oder Reorganisation des SCM (bzw. der Logistik; beide Begriffe werden hier synonym verwendet). Dabei habe ich ein Reorganisationsprojekt bei einem Paketdienstleister „im Hinterkopf“. Weiterer Hintergrund sind Erfahrungen als Bereichsleiter SCM in einem weltweit tätigen Industrieunternehmen und aus vielen Beratungs- und Umsetzungsprojekten sowie meine Ausbildung zum Business-Coach.
Anlass einer Neu- oder Reorganisation
Eine Neuorganisation ist erforderlich, wenn ein Unternehmen – z.B. als Joint Venture – neu gegründet wird. Sie kann aber auch bedeuten, dass zuvor andere Organisationseinheiten die Aufgaben des SCM wahrgenommen haben und diese jetzt erstmalig zusammengeführt werden (siehe Blog Teil 2).
Neu- und Reorganisation des SCM können extern oder intern getriggert sein, z.B.
- neue Anforderungen der Kunden, wie der Umbau vom stationären zum Multi-Channel-Handel, mit neuen Aufgaben und Funktionen beim SCM,
- neue strategische Ausrichtungen, wie die Neubewertung der Kernkompetenzen und in Folge das Out- bzw. Insourcing des SCM,
- neue Aufstellung der „internen Kunden“, wie die Divisionalisierung des Gesamtunternehmens mit folgender (Teil-) Dezentralisierung des SCM.
Ein typischer Anlass sind auch personelle Veränderungen bei Schlüsselpersonen, die eine Neu- oder Reorganisation ermöglichen bzw. erfordern. Aufgrund der größeren Häufigkeit spreche ich im Folgenden von der Reorganisation.
Projekt- und Prozessgestaltung
Da es sehr unterschiedliche Ansätze für eine Reorganisation gibt, darf das Projektdesign, oder allgemeiner die Gestaltung des Veränderungsprozesses, auf keinen Fall unterschätzt werden.
Am Anfang muss ein Auftrag zur Organisation erteilt werden, der auch ein möglichst konkretes Ziel und die Randbedingungen benennt. Das Ziel kann sich auf den Output (Leistung, Qualität, Zeit, Flexibilität) und / oder den Input (Kosten, Personalstärke) beziehen. Dabei sind die direkten Kostenwirkungen der Reorganisation oft erheblich geringer als die – meist nur schwer fassbaren – indirekten Kostenwirkungen, z.B. die Personal- und Nebenkosten der Transportdisposition im Vergleich zu den gesamten Transportkosten.
Eine Reorganisation lässt sich unter rein fachlich-organisatorischen Aspekten aufsetzen. Das heißt, alle Aspekte wie Zeitanteile für Aufgabe oder Führungsspannen werden quantifiziert und der resultierende Aufwand und Nutzen möglichst monetär bewertet: Idee, Konzeption, Umsetzung, fertig. Dies mag funktionieren bei überschaubaren Veränderungen, wenn z.B. neue Regionen oder Geschäftsbereiche gebildet werden und „lediglich“ neue Aufgabenzuordnungen zu treffen sind.
Betroffene frühzeitig einbinden
Aber die „Planungsobjekte“ der Reorganisation sind Menschen mit all Ihren Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen. Sie haben Bedürfnisse z.B. hinsichtlich Status, Sicherheit, Autonomie und Zugehörigkeit, die durch eine Reorganisation berührt werden. Beispiele dafür sind der Merger zweier Wettbewerber oder auch nur zweier „konkurrierender“ Abteilungen oder auch der Umbau von der Funktions- zur Prozessorientierung. Bei solchen Projekten ist es erfolgskritisch, die Betroffenen von Anbeginn einzubeziehen, damit diese sich, ihre Ideen und Ressourcen, aber auch ihre Ängste und Bedenken einbringen können. Andernfalls blockieren sie den Prozess offen oder verdeckt und verhindern bzw. verzögern den Umsetzungserfolg. Die „Organisationentwicklung“ stellt hierfür Methoden und Konzepte zur Verfügung, bei denen der Mensch im Mittelpunkt steht, mit seinen individuellen Einstellungen und Verhaltensweisen. Neben der Unternehmensorganisation spielt hier die Unternehmenskultur eine wichtige Rolle.
Zur Vorbereitung eines Reorganisationsprojektes gehört es also, unterschiedliche Ansätze zu konkretisieren, zu bewerten und einen Weg zu finden, welcher der Ausgangssituation und dem Ziel gerecht wird. Das „klassische“ Projekt-Management ist durch ein Change-Management zu ergänzen. Es bereitet die Betroffenen möglichst frühzeitig auf die Veränderungen vor und bindet sie – wiederum möglichst frühzeitig – in den Veränderungsprozess ein. Zentral für den Umsetzungserfolg ist in jedem Fall das Kommunikations- und Führungsverhalten der Vorgesetzten.
Externe Unterstützung – ja oder nein?
Natürlich kann eine Reorganisation in-house durchgeführt werden. Das eigene fachliche Know-how wird dann meist methodisch durch die Personalabteilung ergänzt. Viele größere Unternehmen haben eigene Experten für Organisationsentwicklung und Change-Management. Dennoch gibt es sehr gute Gründe, sich externer Unterstützung zu bedienen:
- Zusätzliche Fachkompetenz zu den Inhalten der Reorganisation (Prozesse, Strukturen, Benchmarks etc.)
- Zusätzliche Projektmanagementkompetenz
- Zusätzliche Methoden- bzw. Prozesskompetenz (Organisation und Durchführung von Analyse- und Kreativ-Workshops, Change-Management, Organisationsentwicklung)
- Neutralität eines Externen
- Verfügbarkeit von Kapazitäten zur operativen Durchführung bzw. Unterstützung.
Zielsetzung und Vorgehen sind also im Vorfeld abzuklären, um Zeitbedarf und internen und externen Aufwand abschätzen.
Projektbeispiel: Reorganisation in mehreren Phasen
Dem folgenden Beispiel liegt ein Reorganisationsprojekt bei einem Paketdienstleister zu Grunde. Ziel war es hier, die Organisations- und Führungsstrukturen eines Bereichs zu überprüfen und an die Marktentwicklung anzupassen, um flexibler auf künftige Anforderungen reagieren zu können und letztlich eine erfolgreiche Geschäftsentwicklung zu sichern. Projektgegenstand waren das Management, die Planung und Disposition sowie Zustellung, Abholung, Umschlag und Transport von Paketen, mit über 30 Standorten und mehreren tausend Beschäftigten.
In der folgenden Abbildung sind beispielhaft die in sich geschlossenen Phasen mit wichtigen Methoden, Arbeitsinhalten und Ergebnissen dargestellt.
Workshop-Formate sind zielführend
Gerade bei Analyse, Zielbildentwicklung und Grobkonzeption haben sich halb- oder ganztätige Workshop-Formate als sehr hilfreich und zielführend erwiesen. Wenn Kernprozesse z.B. nicht nur Handbüchern entnommen werden, sondern mit Führungs- und Fachvertretern an der Stellwand auf Brown Paper skizziert werden, kommt man sehr schnell auf unterschiedliche Sichtweisen, ungeklärte Begriffe, abweichende Ziele und letztlich Schwachstellen und Handlungsfelder. Im weiteren Projektverlauf wandelt sich die Projektarbeit, zwischen den Workshops werden Arbeitsaufträge durch Einzelpersonen oder Kleingruppen erledigt. Die regelmäßige Steuerung im Regel-Führungsgremium oder einem speziell eingerichteten Lenkungskreis ermöglicht über enges Feedback eine laufende Überprüfung und Ausrichtung des Projekt- und Prozessverlaufes.
Ein wichtiger Schritt ist die Festlegung von Bewertungskriterien, um Alternative und Varianten vergleichen und bewerten zu können. Eine rein monetäre Betrachtung ist i.d.R. nicht möglich, daher sind die Kriterien immer situationsabhängig zu entwickeln. Die folgende Abbildung kann erste Ideen liefern.
Im Detailkonzept steckt sehr viel Fleißarbeit und Abstimmungsbedarf. Neue Prozesse oder Zuständigkeiten müssen in RACE / EDMI –Tabellen (Entscheidung, Durchführung, Mitwirkung, Information) und Rollenbeschreibungen fixiert werden. Kern der Umsetzung sind dann Kommunikation, Schulungen und Personalmaßnahmen und die Einführung neuer Prozesse bis auf Ebene jedes einzelnen Mitarbeiters.
Fazit
Es ist geradezu faszinierend, welche Aufgaben in der betrieblichen Praxis zum „Supply Chain Management“ (bzw. der „Logistik“) gehören und welche nicht – eine einheitliche Meinung gibt es ganz offensichtlich nicht. Auch die organisatorische Integration in die Unternehmen zeigt eine große Vielfalt. Dieser dreiteilige Blog sollte Denkanstöße und Handlungsempfehlungen geben, um für den eigenen konkreten Fall systematisch die bestmögliche Lösung zu entwickeln. Darüber hinaus sollte das Projekt bzw. der Prozess der Neu- bzw. Reorganisation des Supply Chain Management mit einem Beispiel skizziert werden. Ich freue mich auf Ihr Feedback!
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