Von Disruption und Revolution ist oft die Rede, wenn wir ein wenig neidisch auf die Firmen rund um die amerikanische Westküste schauen. Mit großer Geschwindigkeit scheinen sie an uns vorbeizuziehen und sind für uns ständig präsent: Da gibt es die vielen Start-Ups, die keinen geringeren Anspruch haben, als Branche für Branche nach ihren Gesetzen zu erobern. Und große, etablierte Firmen wie Google dringen mittlerweile sogar tief in scheinbare konservative Lebensbereiche wie Gesundheit oder Autofahren vor.
Doch dieser Fortschritt ist kein mystisches Hexenwerk, zu dem wir hier neidvoll heraufschauen müssen, sondern basiert zum Großteil auf Herangehensweisen, die in den Betrieben vom Schwarzwald bis an die Nordseeküste genauso Sinn ergeben und möglich sind wie unter der Sonne Kaliforniens. Das gilt zum Beispiel für so genannte “Objective and Key Results”, kurz OKR, denen ich mich in diesem Beitrag widmen möchte.
Grundpfeiler des Erfolgs – vom Start-Up bis zum Global Player
Hinter diesem Begriff versteckt sich eine Management-Methode, die in Deutschland bisher kaum beachtet wird, viele amerikanische Start-Ups und Grown-Ups aber seit Jahren vorantreibt. Die Liste der Erfolgsgeschichten ist lang und viele Verfechter gehen sogar soweit, dass sie darin einen tragenden Grundpfeiler im anhalten Erfolg von Google, Intel und vielen anderen sehen.
Kurz zur Erklärung: Das so genannten Objective ist ein qualitativ formuliertes, zeitgebundenes Ziel, das ein ganzer Betrieb oder eine Abteilung für sich definiert. Dieses Objective ist allerdings nur bedingt konkret – und könnte zum Beispiel erstmal die Verbesserung in einem bestimmten Handlungsbereich bedeuten. Konkret und messbar wird das Ganze im nächsten Schritt, den dazugehörigen Key Results. Sie definieren klar die Kriterien, um das aufgestellte Ziel zu erreichen – und müssen daher eindeutig und messbar sein.
Potenziale in der Logistik
So werden ständige Erneuerung und Heben von Potentialen in der Mitarbeiterschaft greifbar und damit eine konsequente Verbesserung in allen wertschöpfenden Prozessen möglich. Gerade im harten Wettbewerb der Logistik, die immer noch an vielen Stellen von einem gewissen Konservatismus geprägt ist, ist das ein absolutes Muss.
Ein schönes Beispiel wäre hier die “Effizienzsteigerung im Wareneingang” als Objective sein – mit folgenden passenden Key Results:
- Den Anteil an elektronisch vorab-avisierter Ware um 10% auf 60% steigern (z.B. durch Absprache mit Lieferanten)
- Die Durchlaufzeit für eine WE-Prüfung auf durchschnittlich 25 Minuten absenken
- Den Anteil der nicht-Euro-Paletten auf unter 10% senken.
Dieses OKR könnte zum Beispiel für einen Zeitraum von 6 Monaten angesetzt sein.
Klare Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg
Die aufgestellten Key Results sollten ehrgeizig, also nicht einfach zu erreichen sein, aber trotzdem nicht in einem Range, der den Mitarbeitern völlig utopisch erscheint und sie demotiviert. Die Theorie sagt, dass Key Results mit einer angemessenen Höhe am Ende der Periode ca. 60-80% der Key Results erreicht werden sollten, um eine maximale Motivation zu erreichen.
Ein entscheidender Aspekt für die Einführung von OKRs ist die klare Kommunikation gegenüber der kompletten Mitarbeiterschaft und das öffentliche Tracking des Fortschritts. Das gesamte Team zu informieren und sowohl die Ziele selbst als auch den Fortschritt klar und verlässlich zu kommunizieren, ist elementarer Bestandteil dieser Managementmethode. Alle OKRs müssen für alle Mitarbeiter ständig öffentlich einsehbar sein – idealerweise auf elektronischem Weg direkt im Lager oder der Fertigung. Nur so bewirken sie die gewünschte Motivation, den nötigen Fokus und damit den möglichen Fortschritt, um die Ziele zu erreichen.
Das Bild unten zeigt, wie ein gutes OKR-Dashboard schematisch funktioniert. Es werden die Objectives kurz ausformuliert, die Key Results aufgelistet, und pro Key Result der aktuelle Fortschritt dokumentiert, der dann oben zu einem Gesamtfortschritt aggregiert wird.
Wer den Ansatz für sein Unternehmen umsetzen will, dem muss klar sein, dass OKRs nur durch diese öffentliche Transparenz ihre Durchschlagkraft entfalten. Nicht öffentlich, schlecht gepflegt oder schlecht formuliert bleiben sie ein zahnloser Tiger und reihen sich nahtlos in gescheiterte, wirkungslose Planungsprojekte der Vergangenheit ein. Gut gemacht dagegen öffnen sie Türen, die anders kaum zu öffnen sind und machen ein wenig Sillicon Valley auch im German Lager möglich.
Der Autor: Patrick Theobald
Patrick Theobald ist CTO und Gründer des Stuttgarter Startups Peakboard. Das Unternehmen bietet Technologie zur Echtzeitvisualisierung von Prozessdaten, die vor allem in Produktion und Intralogistik zum Einsatz kommt. https://peakboard.com/
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