Mit der beständig zunehmenden Digitalisierung sowie der umfassenden Vernetzung steigen die Anforderungen im Handel und in der Industrie. Den Anfang machten hierbei die produzierenden Firmen, die schnell die Vorteile von miteinander kommunizierenden Maschinen in der Produktion im Rahmen des „Internets der Dinge“ erkannten, zumindest im eigenen Unternehmen. Doch noch längst nicht so stark durchdringt diese Entwicklung andere Unternehmensbereiche, wie etwa das Lieferkettenmanagement. Genau das ist jedoch das Ziel oder vielmehr der nächste Schritt, der mit dem Schlagwort Supply Chain Management (SCM) 4.0 in Verbindung steht. Dreh- und Angelpunkt dafür ist ohne Zweifel eine noch stärkere Vernetzung aller Beteiligten der Lieferkette durch effiziente Software mit kompatiblen Schnittstellen, die Änderungen in Echtzeit (z.B. Produktverfügbarkeiten) automatisiert an alle kommunizieren kann.
Vor allem den Handelsunternehmen und Lieferanten ist es bewusst, dass die Digitalisierung und Vernetzung ihrer Lieferkette eine dringliche Aufgabe darstellen, doch eine flächendeckende Umsetzung erfolgt noch nicht. In einer Studie (der TMG Consultants GmbH), bei der eine große Zahl an Führungskräften zu diesem Thema 2017 befragt wurde, zeigte sich, dass die Manager noch nicht erkennen können, welchen konkreten Nutzen eine umfassende Digitalisierung im Verhältnis zum Einsatz mit sich bringt. Gleichzeitig besteht die Befürchtung, dass Entscheidungsprozesse durch die Automatisierung aus der Hand gegeben und damit unkontrollierbar werden.
Es sind vornehmlich Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf Traditionen aufbaut, die oft über Jahrzehnte gewachsen sind, die hier noch zögerlich agieren. Die Verfasser der Studie kommen zu dem Schluss, dass es in einem beträchtlichen Teil der Firmen an Grundlagenwissen über die Digitalisierung fehlt. Auch unserer Erfahrung nach können wir dies bestätigen, es zeigt sich aber mehr und mehr ein Abklingen dieser Tendenz und der Schritt zur Öffnung hinsichtlich der Supply Chain Digitalisierung. Nicht zuletzt deswegen, um die erwähnten Schnittstellen zu den Partnern seiner Lieferkette aufrecht halten zu können, die bereits auf moderne Systeme umgerüstet haben. Denn verliert man hier den Anschluss, büßt man es ein, als Geschäftspartner in der Lieferkette weniger attraktiv zu werden und muss in Kauf nehmen, durch einen Zulieferer/Produzenten mit kompatibler Software abgelöst zu werden.
Was kann Supply Chain Management 4.0?
Wie oben erwähnt, geht Supply Chain Management 4.0 Hand in Hand mit dem Internet der Dinge. Sind beide zusammen in der Lieferkette umgesetzt, so ist sie den herkömmlichen logistischen Strukturen signifikant überlegen. Vor allem im Hinblick auf sich schnell ändernde Kundenanforderungen und Erwartungen, die wiederum auf die Digitalisierung zurückzuführen sind: Zum Beispiel erwarten die Kunden heutzutage, dass die angegebenen Lieferzeiten und Verfügbarkeiten (z.B. in Ihrem Online-Shop) nahezu 1:1 identisch sind mit den tatsächlichen Werten. Das wiederum ist ohne softwarebasierten Austausch sämtlicher Beteiligten in der Lieferkette kaum zu bewerkstelligen.
Eine solide Voraussetzung für ein zukunftsorientiertes Supply Chain Management sind automatisierte Prozesse und vernetzte Maschinen, Geräte und auch Fahrzeuge, die über das Internet den notwendigen Datenfluss gewährleisten, womit der Begriff Big Data ins Spiel kommt.
Zuvor aber noch etwas über die Veränderungen in der Logistik: Die Supply Chain hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr stark gewandelt. Früher war die Logistik eine Funktion innerhalb des Unternehmens, die üblicherweise an den Vertrieb oder die Produktion direkt andockte und von dort ihre Anweisungen erhielt beziehungsweise nur im Rahmen der unmittelbaren Vertriebs- oder Produktionsziele agierte. Inzwischen hat sich das Supply Chain Management bei den meisten Unternehmen zu einer zwar eingebundenen, jedoch weitgehend unabhängig agierenden Abteilung weiterentwickelt. Die Schwerpunkte des Supply Chain Managements bestehen hierbei in fortgeschrittenen Planungsprozessen, etwa der analytischen Absatzplanung oder der integrierten Vertriebs- und Betriebsplanung sowie der strategischen Ausrichtung.
Die operative Logistik hingegen wird mehr und mehr an entsprechende Dienstleister ausgelagert. Mit den Funktionen des Supply Chain Managements wird jedoch sichergestellt, dass alle Abläufe miteinander verzahnt sind. Angefangen bei den Lieferanten bis hin zu den Kunden. Im Supply Chain Management 4.0 werden die Kostenoptimierung, das Bestandsmanagement und die Servicelevel aus einer End-to-End-Perspektive betrachtet, womit übergreifende Entscheidungen getroffen werden können und nicht nur punktuelle Maßnahmen, die für sich betrachtet zwar logisch erscheinen mögen, nicht jedoch dem Gesamtprozess zu Gute kommen.
Supply Chain Management und Big Data
Daten wurden und werden in Produktion, Logistik und Handel schon immer reichlich erhoben und auch ausgewertet, oft in Form von geeigneten Kennzahlen. Mit dem Zusatz „Big“ wird jedoch eine Dimension erreicht, die das menschliche Fassungs- und Analysevermögen schlicht übersteigt. Welche Punkte sind hierbei entscheidend?
- Der Umfang des Datenvolumens
- Die Geschwindigkeit der Datenerhebung und Übermittlung
- Die Bandbreite der Datenquellen und Datentypen
- Die Qualität und der Mehrwert der gesammelten Daten
Fortschrittliche SCM-Software speichert üblicherweise die Daten in einer Cloud im Internet und greift mit einem Big Data-Algorithmus darauf zu. Im Prinzip macht der Algorithmus nichts anderes als der Mensch zuvor auch, er fragt gewisse Daten ab. Doch dies in Sekundenbruchteilen gleichzeitig für eine Vielzahl an Anfragen, und er erhält aus der gigantischen Masse an Daten die relevanten Informationen. Diese Informationen erlauben wiederum die Erstellung von beispielweise sehr präzisen Profilen für einzelne Artikelpositionen, -gruppen oder Lieferanten im Bestand, die je nach Anwendung genützt werden können.
So lässt sich Big Data im Supply Chain Management für die Optimierung unterschiedlicher Prozesse nutzen, wie etwa:
- Reduzierung der Lagerkosten durch Analysen und Prognosen
- Automatisierung des Einkaufs durch ermittelte Bestellvorschläge
- Steigerung des Kundenservicelevels durch hohe Liefertreue
Eine durchaus berechtigte Angst zeigen Führungskräfte im Hinblick auf Big Data/Cloud zu haben, nämlich dass die Daten nicht sicher geschützt sein könnten vor a) unbefugtem Zugriff oder b) durch die nicht eindeutige Zuordnung ähnlicher Daten unterschiedlicher Kunden oder Lieferanten. Doch letzteres wird genau durch die große Masse an Daten verhindert: Der von der SCM-Software genutzte Algorithmus besitzt die Fähigkeit, auf entsprechende Hintergrundinformationen zuzugreifen, die einen genauen Abgleich und damit Verwechselungen unmöglich machen. Aktuelle Forschungen gehen schon so weit, die Algorithmen lernfähig zu gestalten, sodass mit jeder Anfrage die Qualität des Algorithmus verbessert werden kann. Hinsichtlich des Sicherheitsaspekts: Moderne Cloud-Umgebungen erfüllen inzwischen höchste Sicherheitsstandards und gewährleisten so einen akkuraten Schutz vor Eindringlingen.
Es gibt viel zu tun auf dem Weg zum Supply Chain Management 4.0
Eine aktuelle Roland Berger-Studie hat festgestellt, dass in Deutschland nur etwa ein Viertel aller Firmen ihre Bedarfsplanung digitalisiert durchführt. Von diesem Viertel wiederum ist nur etwa die Hälfte in der Lage, auf ihren IT-Systemen ein modernes Supply-Chain-Management umzusetzen, etwa in Form von automatischen Anpassungen der Sicherheitsbestände. Dabei gibt wiederum über die Hälfte aller Führungskräfte zu, dass sie mit ihrer Bedarfsplanung Probleme haben. Dem stehen bisherige Erfahrungswerte zur Einführung von Supply Chain Management 4.0 entgegen, die beweisen, dass sich die notwendigen Investitionen in einem Zeitraum von zwei bis vier Jahren amortisieren und eine interne Rendite erzeugen, die bei 15 bis 25 % liegt.
Die Experten empfehlen den Unternehmen ein dreistufiges Verfahren um ein zukunftsfähiges und modernes Supply Chain Management aufzubauen:
Der erste Schritt beinhaltet die Analyse der Ist-Situation sowie die Planung der Lieferkettenprozesse, bei denen aktuelle Schwächen berücksichtigt und natürlich weitgehend eliminiert werden. Gleichzeitig wird der Bedarf bezüglich zusätzlicher IT sowie der SCM-Software festgelegt.
Im zweiten Schritt erfolgen zunächst die Digitalisierung und Vernetzung aller relevanten Bestandteile und Abteilungen des Unternehmens.
Als letzte zu erklimmende Stufe erfolgt die Umsetzung. Ein Prozess, der sich durchaus über einen längeren Zeitraum hinziehen kann, selbst wenn es intern schnell vorangeht. Es muss immer bedacht werden, dass SCM 4.0 davon lebt, dass alle Beteiligten einer Lieferkette integriert werden, um die höchstmögliche Effizienz zu erreichen. Früher oder später kann sich jedoch kaum ein Unternehmen davon ausschließen, denn letztlich würde es sich damit selbst dem Markt und dem eigenen Wachstum versperren.
Das war nun ein kurzer Einblick in diese interessante Thematik. Wir haben weiterführend auch einen Ratgeber zum Herunterladen mit dem Thema Supply Chain Management, der Best-Practice Ansätze, Strategien und die erfolgskritischsten Kennzahlen aufzeigt.
Dieser Artikel wurde von Dominik Seidel von EazyStock, einer Cloud-Software zur Bestandsoptimierung für mittelständische Unternehmen, veröffentlicht.
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