“Die digitale Transformation hat das Buzzword-Level verlassen”, damit fand Prof. Dr. Raimund Klinkner passende Abschlussworte für den diesjährigen Logistik-Kongress in Berlin. Dass Prozesse (im Logistiksektor stark, aber auch in vielen anderen Wirtschaftszweigen) zunehmend digitalisiert werden, ist uns jedoch schon seit Jahren bekannt und wird uns als Trend auch noch in den kommenden fünf Jahren begleiten. Doch mit der Digitalisierung ergeben sich weitere Veränderungen entlang der Supply Chain: auf den Beschaffungswegen, entlang der eigenen Lieferketten, im Zusammenspiel mit Partnern, Lieferanten und Kunden sowie in der Erschaffung neuer und Modifizierung alter Geschäftsmodelle.
- Beständigkeit war gestern – das Geschäftsmodell von morgen ist wandelbar
Logistik-Knowhow und das Verständnis für wirtschaftlich betriebene Liefer- und Wertschöpfungsketten ist von elementarer Bedeutung, aber alleine nicht genug. Die Unternehmen, von denen wir 2017 viel hören werden, haben vor allem ausreichend IT-Verständnis und ein Gespür für Schnelllebigkeit, Kundenanforderungen und die richtigen digitalen Möglichkeiten. So könnten sich Google und Apple durch diese doppelte Kompetenz noch zu Herausforderern der neuen Automobilindustrie entwickeln (wenn auch vielleicht nicht im Hardwaregeschäft), während Amazon in die Liste der großen Logistikunternehmen aufgenommen wird.
Innerhalb der Organisation müssen für ein agiles, flexibles Arbeiten aber zunächst die Weichen gestellt werden: Es bedarf flacher Hierarchien und kurzer Entscheidungswege. Nur so können digitale Innovationen, deren Umsetzung in der Industrie heute oft sogar noch bis zu zwei Jahren benötigt, schnell genug einsatzfähig zu machen, um im internationalen Wettbewerb standhalten zu können.
- Digitale Transformation statt „deutsche Sorgfalt“
Das eigentliche Geschäft hat sich in die virtuelle Welt verschoben. Wer keine virtuelle Ladentheke hat oder baut, verliert auf lange Sicht seine Kunden. Laut einer Studie des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland wuchs der Online-Handel 2015 um 12 Prozent. Zuwachszahlen für das Jahr 2016 werden das vermutlich überbieten. Für diese Entwicklung sind deshalb auch IT-Experten, die „Digital Natives“ und „Data Scientists“ von hoher Bedeutung.
Doch auch außerhalb des klassischen Online-Handels, im industriellen Mittelstand oder dem Großhandel, müssen IT-Verantwortliche die digitalen Transformationsmöglichkeiten für ihre Unternehmen mitentwickeln. Es bedarf seitens der Führungsebenen Offenheit für disruptive, manchmal paradox klingende Ideen und Veränderungen innerhalb der Supply-Chain-Prozesse. Denn oft findet man in der Branche noch starre Prozesse mit wenig Mut zum Risiko. Diese – überspitzt gesagt – „deutsche Sorgfalt“ legt Innovationsförderung in Ketten und verhindert eine Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten des Wandels der Supply Chain.
- Digitalisierung herunterbrechen: Datennutzung auf allen Ebenen
Innerhalb der Supply Chain entstehen auf jeder Ebene zahlreiche Bewegungs- und Verkehrsdaten: beim Einkauf, im Vertrieb, in der Produktion, der Distribution und im Lager. Doch werden sie noch lange nicht überall effizient genug genutzt. Dabei regieren Daten bekanntlich die neue Welt.
Aktuell werden sie vor allem dort gesammelt, wo Kundenbetreuung und Kundenakquise betrieben wird. Der Einsatz von Customer-Relationship-Management (CRM) und ERP-Systemen ist gängig. Auch wächst zunehmend der Bedarf, Geschäftsleitungs-relevante Kennzahlen grafisch unterstützt darzustellen und die richtigen Auswertungen mit wenigen Klicks zu generieren: „Business Intelligence“ rückt zunehmend in den Vordergrund. Was ist aber zum Beispiel mit den Daten innerhalb des eigenen Netzwerks und entlang der eigenen internen Supply Chain? Für 2017 sehe ich einen verstärkten Trend in der Digitalisierung kleinteiliger, tief in der Supply Chain verankerter Prozesse: die Automatisierung von routinierten Lieferantenbestellungen, die zunehmend VR-getriebene Erfassung von Bewegungsdaten und Zusammenführung von Lieferanten und Partnern auf der eigenen Planungsplattform. Denn nur wer Daten teilt, kann auch von besseren Ergebnissen profitieren.
- Der Kunde gibt den Takt an
Nicht nur im Sinne individualisierter Produktion, sondern auch in der Serienfertigung und im Handel wird das Geschäft im kommenden Jahr noch drastischer vom Ende der Wertschöpfungskette – also vom Kunden – getrieben sein. Damit einher geht auch die laut der diesjährigen Trendumfrage der Bundesvereinigung Logistik (BVL) zunehmende „Komplexität“. Starre, alte Prozesse, bei der die Produktionsmaschine noch den Takt angegeben hat, sind überholt. Die Zukunft in der Branche wird unter anderem vernetzt und skalierbar sein. Das bedeutet, dass die Lieferketten vollständig kommunizieren und technologische Lösungskonzepte auch für den Mittelstand erschwinglich werden. Diese Ansätze sollen branchenweit die Beherrschung von Komplexität mit gleichzeitig verstärkter Marktorientierung ermöglichen.
Fazit
2017 überraschen uns wieder neue, unerwartete und innovative Ideen und Entwicklungen in Industrie, Handel und IT. Für den Bestand am heutigen Markt müssen diese Bereiche unmittelbar verbunden sein. Dafür sind digitale Experten und Fachkräfte, ergänzt um intelligente Softwaresysteme, zwingend notwendig. Nur so ist es möglich, die Datenflut zu priorisieren, wichtige Informationen effizient zu nutzen, die menschliche Kompetenz an der richtigen Stelle einzusetzen und damit die wachsende Komplexität innerhalb der Supply Chain beherrschbar zu machen. Das alles steht im Sinne der Kundenzufriedenheit und sichert somit langfristige die eigene Wettbewerbsfähigkeit.
Sind Sie auf die Innovationen und Trends im Jahr 2017 vorbereitet? Welche Themen denken Sie werden das nächste Jahr bestimmen?
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