Vom 18. bis 20. Oktober traf sich die Logistikbranche wieder in Berlin – bereits zum 40. Mal fand in der Hauptstadt der Deutsche Logistik-Kongress statt. Das Jubiläum dieses wichtigen Networking-Events haben PwC und Strategy& zum Anlass genommen, eine Sonderausgabe des sonst halbjährlich erscheinenden „Transport & Logistics Barometers“ zu veröffentlichen. Hier im Blog schreibt Ingo Bauer, Leiter des Bereichs Transport, Logistik und Tourismus bei PwC Deutschland, über die Ergebnisse der Studie.
In unserer Sonderausgabe des T&L-Barometers schauen wir nicht nur auf die aktuellen Entwicklungen, M&A und die Veränderungen durch die Digitalisierung in der Branche, sondern blicken auch auf das Deals-Geschehen der vergangenen Jahre zurück und analysieren das strategische Potenzial von Transaktionen für die Transformation der Branche.
Kernergebnis unserer Studie: Während die Transaktionen im Transport- und Logistiksektor auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren gefallen sind, ist der Druck auf Logistikunternehmen, die Transformation der Branche voranzutreiben, größer denn je.
M&A-Aktivitäten dürften 2023 so niedrig ausfallen wie im Krisenjahr 2008
Bereits seit der zweiten Hälfte des Jahres 2022 ist das Transaktionsvolumen in der Transport- und Logistikbranche stark rückläufig. Durch das fragile wirtschaftliche und geopolitische Umfeld sowie die gestiegenen Kapitalkosten sank das Deal-Geschehen in der ersten Hälfte des Jahres 2023 auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Dieser Abwärtstrend setzte sich auch im dritten Quartal fort: Zwischen Anfang Juli und Ende September 2023 wurden weltweit nur 22 Deals ab einem Volumen von je 50 Millionen US-Dollar angekündigt – der niedrigste Wert für ein Quartal seit zehn Jahren. Setzt sich diese Entwicklung fort, dürften die M&A-Aktivitäten im Gesamtjahr 2023 so tief ausfallen wie zuletzt während der Finanzkrise2008.
Doch was bezwecken Unternehmen eigentlich mit ihren M&A-Aktivitäten? Wieso können sich Deals gerade auch in Krisenzeiten lohnen? Und inwiefern können Organisationen Fusionen und Übernahmen nutzen, um ihre strategische Positionierung auszubauen? Das wollten wir genauer wissen und haben die strategischen Übernahmen in der Branche zwischen 2018 und 2023 unter die Lupe genommen.
Dabei haben wir folgende Trends ausgemacht:
Horizontale Integration: Konsolidierung innerhalb der Supply Chain
Zum einen hat sich der Trend zur Konsolidierung innerhalb der einzelnen Elemente der logistischen Wertschöpfungskette in den vergangenen Jahren fortgesetzt. Wir sehen dies insbesondere in der Seefracht, im Straßengüterverkehr und bei der Verkehrsinfrastruktur.
Bei diesen horizontalen Transaktionen fokussierten sich die Unternehmen darauf, ihre geografischen Schwerpunkte aus- und branchenspezifische Fähigkeiten aufzubauen. Die Hauptgründe für horizontale Übernahmen sind die Erwartung von Umsatzwachstum, Kostensenkungen durch Skaleneffekte und eine größere Marktmacht, aber verstärkt auch der Zugang zu qualifiziertem Personal.
Vertikale Integration: Erweiterung der Wertschöpfungskette
Zahlreiche Transport- und Logistikunternehmen haben in den vergangenen Jahren aber auch ihre vertikale Integration vorangetrieben und über Transaktionen die nächsten Stufen der Wertschöpfungskette über ihre Kernpositionierung hinaus erworben.
Für viel Aufmerksamkeit sorgten insbesondere die Reedereien: Dank hoher Frachtraten in Folge der Corona-Pandemie nutzten sie die steigenden Einnahmen, um ihr Geschäft auszuweiten und sich durch die Übernahme von Logistikdienstleistern zu integrierten Service-Anbietern weiterzuentwickeln.
Transformative Deals: Vorbereitung der Organisation für die Zukunft
Die Zunahme vertikaler Deals zeigt, dass immer mehr Firmen Fusionen und Übernahmen gezielt nutzen, um ihre Organisation neu zu positionieren und für den langfristigen Erfolg neu zu erfinden. Über gezielte Akquisitionen, sogenannte transformative Deals, passen sie ihre Organisation an die großen Umbrüche unserer Zeit an – von der Digitalisierung über den Klimawandel bis hin zum Fachkräftemangel.
Dabei beobachten wir sieben Transformationstreiber, denen Unternehmen bei ihren M&A-Aktivitäten besondere Aufmerksamkeit schenken:
- Vision und Strategie
Die Unternehmensvision und eine entsprechende Strategie bilden die Grundlage für jegliche Transformation. - Kundenexzellenz
Wer seinen Kunden eine einzigartige Kundenerfahrung bieten kann – etwa mit Blick auf die Nutzbarkeit der Dienste, Kontrolle der Lieferkette oder schnelle Reaktion – verschafft sich einen Wettbewerbsvorteil. - Digitalisierung
Unternehmen können die Wertschöpfung steigern und im Wettbewerb punkten, wenn sie auf Daten, Technologien und digitale Lösungen setzen. - Umwelt, Soziales und Governance (ESG)
Die Transport- und Logistikbranche verursacht einen hohen Anteil der globalen CO2-Emissionen. Entsprechend steigt der Druck, Klimaschutzziele und Maßnahmen zu formulieren. - Wachstum
Um Fähigkeiten in der erforderlichen Tiefe und Größenordnung aufzubauen, reicht organisches Wachstum oft nicht aus. Es braucht vielmehr eine klar definierte M&A-Strategie. - Target Operating Model (TOM)
Die Beschleunigung und der Ausbau der operativen Exzellenz haben in der Logistikbranche hohe Priorität. Eine Kultur der permanenten Verbesserung ist essenziell. - Veränderungskommunikation und Weiterbildung
In Zeiten des Fachkräftemangels kommt es mehr denn je darauf an, den Schwerpunkt auf die Gewinnung und Bindung von Talenten zu legen. Mindestens genauso wichtig sind die kontinuierliche Weiterbildung und Schulung bestehender Mitarbeitender.
Zwischen diesen sieben Transformationstreibern gibt es zahlreiche Wechselwirkungen und verschiedene Mittel, um Veränderungen voranzutreiben oder sich neu zu positionieren. Dazu zählen M&A, aber auch Joint Ventures und strategische Allianzen. Gut möglich also, dass das Transaktionsgeschehen im Jahr 2024 wieder an Fahrt aufnimmt!
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