In Zeiten von COVID-19 wird vieles auf den Kopf gestellt und neu gedacht. Für gewöhnlich kommen für den Go-Live eines Logistikzentrums oder Lagerverwaltungssystems viele Parteien und Menschen zusammen, um am Standort den operativen Betrieb bestmöglich aufzunehmen.
Doch was tut man, wenn das Projekt, alle baulichen Maßnahmen, die Software und alle weiteren Leistungen just-in-time fertiggestellt wurden, aber eine Kontakt- und Ausgangsbeschränkung die „normale“ Inbetriebnahme verhindert?
Eine Verschiebung des Go-Live auf unbestimmte Zeit ist für alle Beteiligten keine wirtschaftlich vertretbare Option. Bleibt also, gemeinsam das Projekt unter noch nicht erprobten Rahmenbedingungen vollständig remote in der letzten Phase zum Erfolg zu führen.
Aus dem Home-Office in den laufenden Betrieb
Eine Inbetriebnahme nimmt einen signifikanten Anteil (zw.10-20%) am Gesamtprojekt ein. Und sie muss sitzen, denn für das Unternehmen gilt es, möglichst reibungsfrei in den Regelbetrieb zu kommen. Probleme im Tagesbetrieb aufgrund von Störungen kosten Zeit und Geld – und wirken sich auf Liefertreue und Kundenzufriedenheit aus.
In der Lebensmittelindustrie, die zwischenzeitlich wegen COVID-19 als systemkritisch identifiziert wurde, kam es genau zu diesem Problem: Ein Lagerverwaltungssystem sollte in Betrieb genommen werden, ohne dass die Beteiligten anwesend sein durften. Nach zwei Jahren Projektlaufzeit musste quasi über Nacht die Inbetriebnahme-Strategie komplett neu gedacht werden.
Alle Schritte für den Go-Live der Lösung sowie die anschließende vierwöchige Anlauf- beziehungsweise Hypercare-Phase waren organisatorisch geplant, erprobt und wurde an alle Beteiligten kommuniziert. Somit war für den initial ausgerufenen Go-Live-Termin Anfang März aus Projektsicht alles vorbereitet.
Dem stand einzig die Tatsache im Weg, dass genau in diesem Zeitraum alle Mitarbeiter die Büroräume gegen Home-Office-Arbeitsplätze getauscht haben und ein Reise- und Zutrittsverbot verhängt wurde.
Gemeinsam mit unserem Kunden wurden daher Mechanismen für den Remote Einsatz etabliert. Das Go-Live-Wochenende, bestehend aus der Migration, dem Einspielen der Software und ersten Testbewegungen, wurde von vier verschiedenen Standorten in der Nähe des Werkes über eine Videokonferenz organisiert und gesteuert. Im Notfall konnte so schnell vor Ort eingegriffen werden. Durch mehrere vorab durchgeführte Generalproben und durch die minutiöse Planung unseres Kunden konnte ein reibungsloser Ablauf auch ohne physische Präsenz gewährleistet werden.
In der Hypercare-Phase, also direkt im Anschluss an die Inbetriebnahme, in der es darum geht, auftretende Probleme so schnell wie möglich zu beheben, wurde die Zusammenarbeit so organisiert, dass in drei Teams gearbeitet wurde: Sowohl die IT des Kunden als auch Mitarbeiter im Werk selbst und unsere Kollegen im Home-Office arbeiteten eng zusammen, um sich im Ernstfall auch ersetzen zu können, falls es Ausfälle gäbe. Mithilfe verschiedener Tools wurde engmaschig kommuniziert und somit problemlos zusammengearbeitet.
Dank einer ausgeprägten Integrationstestphase mit Emulationssoftware und folgender Inbetriebnahme gab es nur wenige Fehlerfälle in den ersten Tagen des Produktivbetriebs. Die im laufenden Betrieb aufgetretenen Fehler wurden dann remote durch die Projektbeteiligten analysiert, korrigiert, mit der Emulation in der Testumgebung ausgiebig getestet und dann in das Produktivsystem eingespielt.
Jetzt erst recht: Einsatz von Emulationssoftware
Gerade jetzt zeigt sich, dass der Einsatz von Simulations- und Emulationsstrategien, der in der Pre-Corona-Zeit lediglich als zusätzliche Absicherung galt, den entscheidenden Unterschied macht. In diesem Projekt wurde die Flexibilität für einen spontanen Eingriff vorgehalten, die aber letztendlich in der Hypercare-Phase nie nötig geworden ist.
In der langjährigen Partnerschaft mit dem Kunden war der Einsatz des Emulationstools schon etabliert, um Sicherheit sowohl in der Vorbereitung als auch der Umsetzung herzustellen. Nun war das Tool aber noch wichtiger für den Erfolg und hat das Risiko des Go-Lives entscheidend minimiert.
Des Weiteren konnten wir feststellen, dass die „Inbetriebnahme aus dem Home-Office“ herausfordernd ist – aber funktioniert! Somit kann man feststellen, dass der Einsatz von Emulationssoftware in Lagerverwaltungsprojekten eine sinnvolle Investition ist, die Produktivsetzung am Ende flexibler macht und noch dazu einen positiven Effekt auf die Klimabilanz aufgrund reduzierter Reiseaufwände hat!
Langjährige Kundenbeziehung und partnerschaftliche Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg
Durch den Remote-Einsatz war es notwendig, im Werk ausreichend Personal mit entsprechendem Know-how über die Software zu haben. Dieser Personenkreis konnte die operativen Mitarbeiter steuern, anleiten, Softwarefehler identifizieren und an SALT Solutions leiten. Dies war aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit und durch das hierdurch aufgebaute Wissen auf Kundenseite möglich. Fehlermeldungen wurden qualifiziert voranalysiert und an uns gemeldet. Die Filterung, Zuordnung und Priorisierung der Anfragen aus dem Werk durch die Kunden-IT ermöglichte eine effiziente Kommunikationskette und hielt den Overhead für Abstimmungen gering. Das in vielen Vorgängerprojekten gefestigte Projektvorgehen und gegenseitiges Vertrauen zahlten sich aus.
Erfolgreicher Remote-Go-Live und Hypercare
Meiner Ansicht nach hat der Remote-Einsatz hervorragend funktioniert und wir überprüfen auch künftig, ob und in welchen Fällen eine solche Remote-Installation oder ein hybrides Modell sinnvoll sind – gerade in der augenblicklichen Zeit mit den nach wie vor bestehenden Kontaktbeschränkungen, aber auch darüber hinaus.
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