Personelle Herausforderungen in der industriellen Kontraktlogistik
Aufgrund ihrer Komplexität und Individualität gilt die Kontraktlogistik als „Königsdisziplin“. Das hohe Umsatzvolumen und die höchsten prognostizierten Wachstumspotenziale für die gesamte Branche verdeutlichen die hohe Attraktivität des Marktsegments. Die Projekte sind gekennzeichnet durch vielschichtige Anforderungen, die nur mit Ressourcen hoher Spezifikation erbracht werden können. Die Kontrakte laufen häufig über viele Jahre und umfassen schnell mehrere Millionen Euro an Umsatzvolumen.
Outsourcing schärft den Blick auf Kernkompetenzen
In den vergangenen Jahren hat sich die Kontraktlogistik also zu einem gewaltigen Apparat entwickelt, der die gesamte Wertschöpfungs- und Lieferkette inklusive vor- und nachgelagerter Prozesse neu gestaltet. Ein Paradebeispiel ist die Automobilbranche. Die Hersteller lassen sich heute nicht nur zum größten Teil ihre Fahrzeugteile von Zulieferern fertigen, sondern betreiben sogar Outsourcing bei technologischen Innovationen. Letztendlich sinkt dadurch die Wertschöpfungstiefe. Was einst nur den Konzernen vorbehalten war, machen seit einigen Jahren vermehrt auch mittelständische Unternehmen. Outsourcing wird für Industrie und Handel immer attraktiver, weil sie sich dadurch auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können.
Die Kontraktlogistik sucht ihresgleichen
Seit vielen Jahren befindet sich der Personalmarkt in der Kontraktlogistik im Wandel. Durch noch komplexere Prozessabläufe, eine hohe IT Integration und große Erwartungen der Kunden an die Abwicklungsgeschwindigkeit steigen die Anforderungen an die Mitarbeiter. Insbesondere das mittlere und obere Management ist mit einer großen Bandbreite unterschiedlichster Fragestellungen konfrontiert. Die zentralen Funktionen mit den richtigen Mitarbeitern zu besetzen, ist daher das Erfolgsrezept für alle Unternehmen der Branche. In der Zeit des „War for Talents“ keine einfache Aufgabe.
Wie kompetent müssen Mitarbeiter in der Kontraktlogistik sein?
Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist die IT-Kompetenz und die Fähigkeit der IT-Integration. Die Dienstleister müssen ein besonderes Augenmerk auf die Anbindung von Herstellern und Lieferanten im technologischen Bereich haben, da die meist branchenspezifischen Standards eine große Herausforderung darstellen. Dies erfordert eine ausgeprägte Individualisierungsfähigkeit und Produkt-, bzw. Branchenkenntnis. Die Güter müssen oft Just-in-Time oder on-Demand für die Produktion bereitgestellt werden. Die Übernahme nicht-logistischer Leistungen gewinnt immer mehr an Bedeutung. Kontraktlogistiker müssen in der Lage sein, Tätigkeiten wie Montage, Aufbau, Konfektionierungen, Service- und Kundenbetreuung auszuführen.
Herausfordernde Themen rollen auf uns zu
Die Kontraktlogistik darf sich nur so lange „Königsdisziplin“ nennen, solange die Ergebnisse stimmen. Ihr Erfolg beruht nicht nur auf Kooperationen, anspruchsvollen Value Added Services und höchsten Standards. Vor allem die Kompetenz der Mitarbeiter entscheidet über das Gelingen. Die zunehmend Logistik-fremden Disziplinen werfen die Fragen auf, ob ihre Qualifikationen ausreichen oder ob die Zukunft sie irgendwann überrollt. Die Themen sind herausfordernd, komplex und projektabhängig sehr speziell. Gut geschult und im engmaschigen Austausch mit dem Auftraggeber konnte die Manpower ihre Aufträge bisher meistern. Bei steigendem Volumen müssen Logistikdienstleister kritisch prüfen, welche Aufgaben sie übernehmen und welche Fertigungstiefe sie erreichen möchten und vor allem auch können. In ihrer inhaltlichen Heterogenität sucht die Kontraktlogistik ihresgleichen. Immer wieder sind Aufgaben, Themen und Zusammenhänge neu. Es ist deswegen umso schwerer, die Anforderungen an den perfekten Kontraktlogistiker in eine feste Form zu gießen. Natürlich stehen technisch-betriebswirtschaftliche Fähigkeiten, genauso wie personelle und konzeptionelle Stärken ganz oben. Der Glaube an den Super-Ingenieur, der alles richtet, wird jedoch überbewertet.
Kontraktlogistik 4.0 fordert nicht nur die Ingenieure
Die vierte industrielle Revolution bringt nicht nur für die Kontraktlogistik Veränderungen, sondern prägt die ganze Welt neu. Zukunftsstudien sprechen von kompletten Umwälzungen der Wirtschaft und allen Lebensbereichen. Aus der Digitalisierung der Industrie ergeben sich auch veränderte Anforderungen an Ingenieure. Die Ausbildungsprogramme werden überdacht und neu strukturiert. Sicher übernehmen sie in Zukunft wichtige Rollen in Organisationen. Wie auch in allen anderen Wirtschaftsbereichen darf die Verantwortung für die industrielle Kontraktlogistik 4.0 aber nicht allein auf Schultern von Ingenieuren liegen, auch wenn neben den logistischen Basisaktivitäten viele spezifische Ingenieur-Themen hinzukommen.
Branchenübergreifend denken, verstehen, handeln
Allgemeines Systemverständnis wird für alle immer wichtiger. Einzelkämpfer rutschen ins Abseits. Wer seinen Job erledigt und sagt, für den Rest ist die andere Abteilung zuständig, ist kein Industrie 4.0-Player. Ganzheitlich, branchenübergreifend denken und handeln ist die Zukunft. Ob Ingenieur oder nicht Ingenieur – alle müssen miteinander arbeiten. Generell benötigen Mitarbeiter eine erhöhte IT-Kompetenz. Die Kommunikation zwischen den Systemen der Lieferanten und Hersteller muss gewährleistet sein, damit ein optimaler Prozess stattfinden kann. Nicht der Ingenieur allein, sondern eine funktionierende Gesamt-Organisation entscheidet darüber, ob Herausforderungen gemeistert werden.
Was wir brauchen, ist Interdisziplinarität
Maschinenbauer müssen genauso wissen, was Mechatroniker machen – und umgekehrt. Sie müssen nicht selbst programmieren, aber ein Grundverständnis für die anderen Themen haben. Nicht jeder muss alles können, aber es wird immer wichtiger, dass eine gemeinsame Vorstellung als Basis dient.
Neue Weiterbildungskultur: Lernen ein Leben lang
In der Industrie 4.0 verschmilzt die virtuelle mit der physischen Welt. Und es ist wichtig, dass sich jeder an diese neuen Bedingungen anpasst. Es ist ein gemeinsames Wachsen in ein neues Zeitalter. In allen Bereichen muss man lernen, dass man lernen muss. Es gibt keine dreijährigen Ausbildungen mehr, die für das ganze Leben reichen. Wir sprechen von einer neuen Weiterbildungskultur: Lernen ein Leben lang. Die Kontraktlogistiker sind schon vor vielen Jahren auf dieser Schiene gelandet. Schulungen sind für sie längst eine feste Business-Komponente. Die Inhalte einer langfristigen Zusammenarbeit mit der Industrie erfordern spezifische Fertigkeiten, die erlernt werden müssen. Nur so können sie ihre Mitarbeiter für die Aufträge qualifizieren und effizient zusätzliche Services wie Montagen, Verpacken, Qualitätskontrollen oder Kommissionierung anbieten. Ob wir als Kontraktlogistiker unseren Kunden immer alles bieten können, was sie brauchen, hängt ganz von unserer Flexibilität ab.
Auf Vertrauensbasis leben, lernen und leisten
Gerade durch die fortschreitende Digitalisierung werden Kontraktlogistiker neue Impulse für innovative Problemlösungen setzen können. Wir müssen wach sein. Wir müssen unsere Zukunftsszenarien kennen und ihnen offen begegnen. Nur so sind wir gewappnet, mit kompetenten Mitarbeitern nicht nur zu reagieren, sondern Themen proaktiv für uns zu erobern. Dafür brauchen wir bestimmt Digitalisierungs-resistente Ingenieure, aber wir brauchen auch alle anderen.
Wenn man in die Branche hineinhorcht, gibt es bei allen wissenschaftlichen Faktoren immer noch eine Größe, die kaum zu beziffern ist, aber ein schweres Gewicht mitbringt: Das Vertrauen. Auftraggeber und Auftragnehmer benötigen in der Kontraktlogistik gleichermaßen Verlässlichkeit und den Gedanken des „Miteinander“. Bevor ein Auftrag zustande kommt, muss sich der Auftraggeber in seinem Business-Szenario verstanden fühlen und ein positives Gefühl entwickeln, dass wir als Dienstleister eine effiziente Lösung liefern. Ausgeprägte IT-Kompetenz, Erfahrung, Branchen-Know-how und die Flexibilität bei der Entwicklung individueller stabiler Logistiksysteme beeinflussen dabei den Vertrauensgrad ganz erheblich.
Über Yeliz Kavak-Küstner
Yeliz Kavak-Küstner ist Leiterin Marketing, PR & New Business bei pfenning logistics, einem der führenden Kontrakt- und Handelslogistiker in Deutschland. Seit 2012 im Unternehmen hat die studierte Sprach- und Kulturwissenschaftlerin zahlreiche Maßnahmen zur Neuausrichtung des Logistikers realisiert, darunter eine Employer Branding-Kampagnen für Lkw-Fahrer und die Positionierung eines Logistikzentrums nach DGNB Platin-Standard. Erste Logistik-Station in ihrer Marketingkarriere war das Unternehmen GEODIS. Für GEODIS Deutschland hat sie die Marketingkommunikation als eigene Abteilung aufgebaut.
Leave a Reply