Kann ein modernerer Titel den Fahrerberuf attraktiver machen?
Deutschland guckt dem Versorgungskollaps direkt in die Augen. Händeringend suchen Logistik- und Transportunternehmen LKW-Fahrer. Aktuell fehlen schätzungsweise 60.000 Trucker. Rund 16.000 neu erteilten Führerscheinen stehen derzeit laut BGL 30.000 Fahrer entgegen, die jährlich altersbedingt ausscheiden. Um den Pool zu vergrößern, sind Maßnahmen längst überfällig. Es wurde viel diskutiert. Von Ausbildungskonzepten und Nachwuchsprogrammen über optimierte Frauenansprache bis hin zu Work-Life-Balance – die Ansätze sind mannigfaltig. Neu in diesem Kontext sind Anregungen, den Berufstitel zu überarbeiten. Eine modernere Bezeichnung soll den gestiegenen Anforderungen gerecht werden. Diesen Ansatz haben Vertreter des Bundesverbandes für Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) mit Experten der Branche auf der Transport Logistic 2019 in München diskutiert. Könnten ein Road-Pilot oder ein Transport-Manager das Ruder in der Personal-Krise herumreißen? Oder sind Namen nur Schall und Rauch?
Die Flut der Anglizismen auf dem Arbeitsmarkt
Es wäre nicht der erste Beruf, der sich in ein neues Namensgewand hüllt. In den Neunzigern schwemmten englischsprachige Bezeichnungen inflationär den Markt. Der Billing Manager ersetzte den Buchhalter, der Director of Human Ressources den Personalleiter. Und was macht eigentlich ein First Level Supporter? Vorsicht mit leeren Worthülsen! Wenn nichts dahinter steckt, platzt die Job-Blase schneller, als einem lieb ist. Die Bezeichnung muss zu Inhalten passen. Ein herausfordernder Auftrag in Zeiten, in denen sich Tätigkeitsprofile inhaltlich so schnell wandeln wie noch nie. Die Digitalisierung krempelt Positionen um und legitimiert die Frage nach der richtigen Bezeichnung. So auch die nach dem Titel des Berufskraftfahrers, der schon beim oberflächlichen Betrachten der Umstände nicht mehr zeitgemäß erscheint.
Von der Hilfskraft zur Fachkraft – Eine Ausbildung macht Karriere
Kaum zu glauben, dass vor weniger als 50 Jahren noch ein LKW-Führerschein reichte, um einen Sattelschlepper mit Tonnen schwerer Ladung über die Autobahn zu führen. Heute hat der Job des Berufskraftfahrers ordentlich an Fahrt aufgenommen. Aus der zweijährigen wurde eine dreijährige Ausbildung. Der einstige “Helfer mit Führerschein” ist heute eine anerkannte Fachkraft und muss einiges mehr leisten, als einen LKW zu führen. Im direkten Kundenkontakt repräsentiert er das Unternehmen nach Außen. Die zunehmende Technisierung und der organisatorische Wandel der Logistikbranche erfordern höhere Qualifizierungen. Die Ausbildungsrichtlinien hat man im Laufe der Zeit immer wieder den geänderten und gestiegenen beruflichen Anforderungen angepasst.
Die Zukunft fordert den LKW-Fahrer auf neuen Wegen
In Zukunft wird der “LKW-Manager” neben dem Verständnis für elektrische Antriebe über ein Grundwissen in Informationstechnologien verfügen müssen. Moderne Software wird ihn viel tiefer in den Informations-, Kommunikations- und Organisationsprozess entlang der gesamten logistischen Wertschöpfungskette einbinden. Wenn auch Be- und Entladeprozesse an den Rampen vollständig digitalisiert sind, erstreckt sich der Verantwortungsbereich auf überwachende Funktionen. Es bildet sich ein Berufsbild weit ab von dem des „Asphalt-Cowboys“. Der Blick auf die Verantwortlichkeiten macht deutlich, dass die Bezeichnung nicht mehr passt.
Alles neu: Inhalte, Image, Namen
Ein neuer Name kann es natürlich alleine nicht richten. Nur weil sich ein Sänger einen Künstlernamen zulegt, ist er nicht berühmt. Er muss mit Leistung überzeugen, seine Fans begeistern. So ist es auch beim Job des Berufsfahrers. Um neue Euphorie für diese Profession zu generieren, ist noch viel zu tun. Der Handlungsdruck ist allgegenwärtig. Ohne Güterkraftverkehr stünde alles still. Die Regale im Supermarkt blieben leer, und sämtliche Produktionen wären lahmgelegt. Unternehmen haben jetzt den Auftrag, die Ausbildungsprogramme mit zeitgemäßen Inhalten zu füllen. Image-Fallen gilt es zu bearbeiten: zu geringe Löhne, schlecht ausgestattete Parkplätze, respektloser Umgang an der Rampe, unausgewogene Work-Life-Balance. Die Liste könnte man endlos weiterführen.
Wertschätzung und Begeisterung fördern
Um nachhaltig in die Kerbe der Attraktivität zu schlagen, müssen wir den Kraftfahrer als wertiges Mitglied in der Supply Chain erkennen. Wir dürfen ihn nicht mehr auf den reinen Fahr-Job reduzieren, sondern ihn in Zusammenhänge involvieren und ihm den Blick über den Tellerrand in die Branche ermöglichen. Der Beruf bietet weitaus vielseitigere Aufgaben. Durch die Ausweitung seines Verantwortungsbereichs befinden sich LKW Fahrer heute nicht mehr in einer Sackgasse. In Zukunft soll auch für sie Weiterbildung ein arbeitsbegleitendes Thema sein. Das gilt es glaubhaft zu vermitteln und umzusetzen. Ein neuer Titel ist eine Chance, die neue Praxis zu dokumentieren und in der Wahrnehmung zu verstärken.
Aus dem Sackgassen-Feeling in die Karriereplanung
Die Branchenverbände stellen sich darauf ein, dass in Zukunft jährlich mindestens 40.000 LKW-Fahrer fehlen. Für den Nachwuchs eigentlich ein absolutes Job-Eldorado. Jungen Menschen könnten sich ihre Arbeitgeber aussuchen. Es ist Zeit, ihnen zu signalisieren, dass sie als „Road Pilots“ einen anspruchsvollen Job ausführen. Der inhaltliche Wandel, zum Teil schon praktiziert, zum Teil in Planung, darf nicht schleichend passieren. Die Welt muss aufhorchen und die Trucker spüren lassen, dass sie wichtige Rollen in der Wertschöpfungskette übernehmen.
Herausfordernd: Die Kreation der neuen Berufsbezeichnung
Vorausgesetzt man treibt die inhaltliche Umgestaltung voran, könnte ein neuer Name für die geschundene Sparte ein erfolgsversprechendes Marketingtool sein. Transport Manager oder Road Pilot? Ist der Begriff „Pilot“ nicht schon zu nah am autonomen Fahren? Und der Transport Manager zu allgemein gefasst? Wie sie in Wirklichkeit heißen könnten, wird zu einem ganz eigenen herausfordernden Thema werden. Wenn wir den Schritt gehen wollen, wird es uns aber bestimmt gelingen, ein Etikett zu kreieren, das den neuen Anforderungen gerecht wird. Es wird genau das dokumentieren, das tagtäglich von den LKW-Fahrern geleistet wird. Ein neuer Name könnte auf charmante Weise den Kurswechsel akzentuieren, den Beruf wertschätzen und die positive und spannende Entwicklung widerspiegeln.
Über Yeliz Kavak-Küstner
Yeliz Kavak-Küstner ist Leiterin Marketing, PR & New Business bei pfenning logistics, einem der führenden Kontrakt- und Handelslogistiker in Deutschland. Seit 2012 im Unternehmen hat die studierte Sprach- und Kulturwissenschaftlerin zahlreiche Maßnahmen zur Neuausrichtung des Logistikers realisiert, darunter eine Employer Branding-Kampagnen für Lkw-Fahrer und die Positionierung eines Logistikzentrums nach DGNB Platin-Standard. Erste Logistik-Station in ihrer Marketingkarriere war das Unternehmen GEODIS. Für GEODIS Deutschland hat sie die Marketingkommunikation als eigene Abteilung aufgebaut.
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