Die Logistikbranche hat die Probleme des Fachkräftemangels und der Überalterung der Belegschaft erkannt. Wer gut ausgebildete Nachwuchskräfte gewinnen möchte, muss sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren – so die heutige Devise in den Chefetagen. Eifrig sind Unternehmen dabei, ihr “Employer Branding” aufzupolieren. Es gibt viele Maßnahmen, viele Projekte, viele Ideen – aber eine der vielversprechendsten Möglichkeiten liegt nur wenige Meter von der Geschäftsleitung entfernt, wird aber oft vernachlässigt: die eigenen Mitarbeiter. Mit beeindruckenden Versprechen rund um einen neuen Job buhlen Unternehmen um qualifizierte Nachwuchskräfte und vergessen dabei die Kommunikation mit den eigenen Leuten.
Die Arbeitgebermarke wächst von innen nach außen
Wer auf dem externen Personalmarkt innovativ auftritt, aber intern einen angestaubten Umgang pflegt, kann weder Glaubwürdigkeit noch Bindungskraft entwickeln. Maßnahmen verpuffen, wenn sich eigene Mitarbeiter nicht mit dem kommunizierten Image identifizieren. Um zu verhindern, dass Unsummen in Werbung investiert werden und Hochglanzprospekte die erhoffte Wirkung verfehlen, sollten Unternehmen besser verlorenen Boden gegenüber ihren Mitarbeitern gutmachen. Denn sie sind die Influencer der Zukunft. Sie haben eine nicht zu unterschätzende Macht bezüglich Unternehmenswahrnehmung auf dem Bewerbermarkt.
Heute ist jeder Mitarbeiter ein Influencer für das Unternehmen
Mitarbeiter und Ex-Mitarbeiter sind für Bewerber besonders authentisch, weil sie von innen heraus von ihrem Unternehmen berichten. Wenn man ein Elektrogerät kauft, findet man die werblichen Beschreibungen in einem Herstellerkatalog vielleicht inspirierend. Die finale Kaufentscheidung beeinflussen aber häufig die Produkt-Beschreibungen der zufriedenen oder unzufriedenen Nutzer. So verhält es sich auch bei Menschen, die ein Unternehmen als potentiellen Arbeitgeber beurteilen. Optimale Arbeitsbedingungen, eine ausgewogene Work-Life-Balance, gute Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten – Versprechen, die wechselwilligen Fachkräften heute bei ihrer Suche nach einem neuen Arbeitsplatz immer häufiger begegnen. Sie treffen ihren Nerv, werden aber kritisch hinterfragt. Ob ein Arbeitgeber diese Angebote auch in die Tat umsetzt, wissen am besten die Mitarbeiter. Unternehmen müssen heute davon ausgehen, dass ihre Beschäftigten im privaten Umfeld und in den sozialen Medien über die Firma sprechen.
Mund-zu-Mund Propaganda goes viral
Jeder Mitarbeiter steht mit zahlreichen Gruppen in ständigem Austausch. Am Arbeitsplatz kommuniziert er mit Kollegen, Lieferanten, Wettbewerbern, Institutionen, in der Freizeit mit Familie, Freunden, Bekannten und Unbekannten. Er vermittelt bewusst und unbewusst Fakten und Emotionen. Der Job als zentrale Lebenskomponente bestimmt dabei nicht unwesentlich die persönliche Agenda. Mundpropaganda gilt als eine der ältesten Formen der Werbung. In ihrer ursprünglichen Form ohne jeglichen Einfluss seitens der Unternehmen ist sie gleichzeitig auch die ehrlichste aller Marketingmaßnahmen. Mit Social Media, Blogs, Diskussionsforen und Bewertungsplattformen hat die Mundpropaganda einen super Booster bekommen. Es ist heute leichter denn je, ein breites Publikum anzusprechen, indem Mitarbeiter digitale Kommunikationsmittel von unendlicher Reichweite nutzen.
Risiko oder Chance?
Positive, aber auch negative Botschaften verbreiten sich über das Internet explosionsartig. Kein Firmenchef kann verhindern, dass seine Angestellten über ihren Arbeitgeber sprechen. Im Gegenteil, er kann sich sicher sein, dass Mitarbeiter sich Gehör verschaffen und über Wohlbefinden und Unbehagen im Job sprechen. Um weiterhin kompetente Fachkräfte rekrutieren zu können, muss er seine Mitarbeiter und die Inhalte, die sie draußen erzählen, beeinflussen. Und dafür gibt es nur einen Weg: Er muss sein Unternehmen so führen, dass die Mitarbeiter zufrieden sind.
Die Zufriedenheit ist das Geheimnis des Erfolges
Früher gab es in vielen Firmen eine One-Voice-Policy. Der Pressesprecher war das Sprachrohr in der Öffentlichkeit. Emsige Presseabteilungen achteten akribisch darauf, dass jedes Wort abgestimmt wurde. Heute haben die Unternehmen keinerlei Kontrolle mehr darüber, was die Beschäftigten dem Cyberspace anvertrauen. Vor diesem Hintergrund darf es Arbeitgebern nicht egal sein, ob die Belegschaft zufrieden ist oder nicht. Sie sollten genau reflektieren, was die Mitarbeiter von den aktuellen Arbeitsbedingungen halten und wie sie über das Unternehmen sprechen. Im negativen Fall müssen sie die kritischen Themen analysieren. Nur wenn die Geschäftsleitung weiß, wo die Quellen der Unzufriedenheit lauern, kann sie an den richtigen Stellen optimieren. Diese Transparenz bildet die Grundlage aller weiteren Maßnahmen im Rahmen eines Employer Branding-Prozesses.
Mitarbeiter und Bewerber treten in den Dialog – mehr denn je
Nicht nur Mitarbeiter wollen sich mitteilen, auch Bewerber suchen im Netz nach Informationen über potenzielle Arbeitgeber. Und sie werden garantiert fündig. Auf Plattformen wie Kununu.de, meinchef.de, jobvote.com, companize.com oder Glassdoor beurteilen Mitarbeiter ihre Arbeitgeber. Eine Studie von Glassdoor Economic Research zeigt, welcher Zusammenhang zwischen der Vergütung und der Zufriedenheit von Arbeitnehmern besteht. Die Analyse von 221.000 Gehaltsangaben und Arbeitgeber-Bewertungen auf Glassdoor ergibt, dass zwar eine Verbindung zwischen Entlohnung und Mitarbeiterzufriedenheit existiert, diese aber nicht ausschlaggebend ist. Auf lange Sicht betrachtet sind Aspekte wie die Aussicht auf eine erfolgreiche Karriere, ein kompetentes Team und der Erhalt einer positiven Unternehmenskultur für Arbeitnehmer wichtiger. Wer könnte besser über diese Themen informieren als Mitarbeiter? Ob auf den eben genannten Bewertungsplattformen oder in anderen sozialen Medien – es gibt genügend Raum für ihre Statements und vor allem auch genügend dankbare Abnehmer.
Employee Advocacy ist der neue Trend
Mitarbeiter genießen eine höhere Glaubwürdigkeit als CEOs, wenn es um Themen wie Unternehmenskultur und Kundenbeziehungen geht. Kein Wunder, dass Unternehmen verstärkt darauf setzen, sie aktiv ins Marketing zu involvieren. Empfehlungsmarketing, Virales Marketing oder Social Media Marketing sind Begriffe, die in diesem Zusammenhang verwendet werden. Beim neuesten Trend, dem Employee Advocacy, geht es um die Förderung der Unternehmensattraktivität durch die eigene Belegschaft. In den letzten Jahren sind vermehrt Programme entstanden, die Mitarbeiter dazu anhalten, sich für das Unternehmen auf Social Media einzusetzen, z.B indem sie Fachbeiträge teilen, Artikel des CEOs liken und zu vordefinierten Hashtags Bilder bei Instagram posten. Das Management verspricht sich davon Reichweite, Glaubwürdigkeit, neue Aufträge und nicht zuletzt auch neue Mitarbeiter, die zum Unternehmen passen.
Unternehmen erkennen das Potenzial der Netzwerke ihrer Angestellten
Mitarbeiter haben oft weitreichende Netzwerke, bestehend aus Freunden, Followern und Kontakten in den sozialen Medien, die heutzutage nur mit einem Klick erreicht werden. In anderen Worten, Employee Advocacy ist Marketing über Mundpropaganda im digitalen Zeitalter und wird bereits als der nächste große Social Media Trend bezeichnet. Ein damit einhergehender Wandel in der Einstellung von Unternehmen gegenüber der Nutzung von sozialen Medien am Arbeitsplatz ist spürbar. Unternehmen erkennen das massive Potenzial der Netzwerke von Mitarbeitern und fangen an, sich von Compliance abzuwenden. Immer mehr ermutigen sie ihre „Hof-Influencer“, in sozialen Medien Konversationen über das Unternehmen zu initiieren.
Von LKW-Fahrern, die zu Unternehmensbotschaftern werden
Dass Mitarbeiter die besten Botschafter für das eigene Unternehmen sind, und wirksam dazu beitragen können, Personalprobleme zu lösen, haben wir als Logistikunternehmen mit einer Social-Media-Kampagne erfahren. Mit der Idee vom „Lkw-Logeplatz“ (www.lkw-logenplatz.de) und der Fanpage www.facebook.com/LKW.Logenplatz hat sich pfenning logistics ins Netz gewagt und eine Dialogplattform von und für Lkw-Fahrer etabliert. Die Kampagne macht Lkw-Fahrer zu Botschaftern und Content-Lieferanten, die authentisch und völlig werbefrei aus ihrem Berufsalltag berichten. Damit haben wir nicht nur unser Ziel, neue Fahrer zu finden, in kürzester Zeit erreicht. Der „Lkw-Logenplatz“ fördert intern den Teamgeist und Zusammenhalt der Fahrer und extern die Wahrnehmung des Unternehmens als fairer Arbeitgeber.
Zufriedene Mitarbeiter sind die besten Fürsprecher für ein Unternehmen.
Man kann es unmöglich verhindern: Positive und negative Botschaften von Mitarbeitern fressen sich zielstrebig durch die digitalen Kanäle und finden ihre Rezipienten. Das Problem muss also an der Wurzel gepackt werden. Ein guter Weg ist es, Mitarbeiter einzubinden, sie zu informieren und wertzuschätzen – Transparenz fördert die Identifikation und Zufriedenheit mit der Firma. Die Strategie: Wer zufriedene Mitarbeiter hat und diese als wichtige Multiplikatoren gewinnt, hat leichtes Spiel auf den Personal- und Absatzmärkten. Und es geht sogar noch einen Schritt weiter: Wer zufriedene Mitarbeiter dazu motiviert, selbst Botschaften und Bewertungen abzugeben, desto authentischer wird das Bild für interessierte Fachkräfte. Jeder Beschäftigte ist ein Meinungsmacher für die unternehmerische Sache und kann mit seinen Taten die Arbeitgebermarke stärken. Wenn er zufrieden ist, ist er ein effektiver Influencer mit einer Glaubwürdigkeit, die jede offizielle Verlautbarung übersteigt.
Über Yeliz Kavak-Küstner
Yeliz Kavak-Küstner ist Leiterin Marketing, PR & New Business bei pfenning logistics, einem der führenden Kontrakt- und Handelslogistiker in Deutschland. Seit 2012 im Unternehmen hat die studierte Sprach- und Kulturwissenschaftlerin zahlreiche Maßnahmen zur Neuausrichtung des Logistikers realisiert, darunter eine Employer Branding-Kampagnen für Lkw-Fahrer und die Positionierung eines Logistikzentrums nach DGNB Platin-Standard. Erste Logistik-Station in ihrer Marketingkarriere war das Unternehmen GEODIS. Für GEODIS Deutschland hat sie die Marketingkommunikation als eigene Abteilung aufgebaut.
Hallo Frau Kavak-Küstner,
Danke, für den sehr interessanten Beitrag. Sie treffen die wesentlichen Punkte, aus meiner Sicht, genau auf den Kopf.
Insbesondere stimme ich Ihnen in dem Punkt zu, dass die Mitarbeiter noch viel zu wenig als Marken-Botschafter für die Kommunikation der Arbeitgebermarke eingebunden werden. Hier schlummert noch eine ganz Menge Potential, gerade wenn die Unternehmen einmal in Betracht ziehen würde, wieviele ihrer Mitarbeiter bereits in den Social Media Kanälen unterwegs sind, beziehungsweise bereits Kommentare zu Ihrem Unternehmen abgeben. Gerade im Hinblick auf spannende Stotytelling Formate auf Videobasis gibt es noch viel Spielraum.
Einen Punkt möchte ich aber dennoch ergänzen. Es gibt eine Reihe prominenter Beispiele in denen Geschäftsführer, Vorstände und Firmeneigentümer in authentischer Art und Weise die Marke des Unternehmens geprägt haben. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sollten diese Möglichkeit in Betracht ziehen, zumindest sofern der genannte Personenkreis selbst die Notwendigkeit zur Steigerung der Attraktivität ihrer Arbeitgebermarke erkennt.
Beste Grüße
Hallo Herr Runkel,
haben Sie vielen Dank für Ihre sehr informativen Anmerkungen und Ergänzungen. Ich gebe Ihnen Recht, dass es hier noch viel Potential gibt. Danke auch für Ihren Hinweis auf die Geschäftsführer, Vorstände und Firmeneigentümer. Das stimmt, dieser Personenkreis gestaltet ebenfalls die Arbeitgebermarke aktiv mit und kann zahlreiche Chancen nutzen.
Beste Grüße
Ich kenne das von früher. Wer mit seinem Unternehmen zufrieden ist, empfiehlt auch Produkte und Dienstleistungen davon deutlich eher. Macht ja auch Sinn. Aber selbst wenn es nicht läuft. Gibt ja noch Online Werbung für Basel und jede andere Region, sodass man trotzdem gewinnen kann. Kostet dann halt nur mehr… 😉
Guten Tag Frau Kavak-Küstner,
vielen Dank für Ihren tollen und ausführlichen Beitrag. Wir können Ihnen vollkommen zustimmen.
Liebe Grüße aus Hannover
Der vorliegende Beitrag ist äußerst bemerkenswert. Er verdeutlicht, dass die Mitarbeitergewinnung im Jahr 2023 von noch größerer Bedeutung ist als je zuvor.