Ein Plädoyer für die Circular Economy
Heute reden wir wieder von der Besiedelung von Mond und Mars. Aber wussten Sie, dass derartige Vorhaben nur unter den Vorgaben eines kompletten zirkulären Wirtschaftens funktionieren? Mal eben den Müll vor die Tür bringen? Das geht dort nicht. Und eine gelbe Tonne wird es dort auch nicht geben, dafür ist der Transport jeden Gramms Material viel zu aufwändig.
Stattdessen wird jedes noch so kleine Teil so konzipiert sein müssen, dass es zum Beispiel auf dem mehrmonatigen Hinflug zum Mars die eine Funktion erfüllen kann, beim Aufenthalt eine andere und schließlich in der Verwertung eine dritte.
Zirkularität ist das Schlüsselwort. Aber dies wird nicht nur auf dem Mars entscheidend für unser Überleben sein: Aufgrund der bereits sehr hohen und ständig steigenden Belastung der Erde sollten wir dieses Prinzip auch hier vor Ort anwenden – denn genau genommen ist die Erde auch eine gigantische Raumstation. Und der Earth Overshot Day – der Tag, an dem wir die natürlichen Ressourcen, die uns die Welt für ein Jahr zur Verfügung stellen kann, aufgebraucht haben – findet Jahr für Jahr früher statt. Konkret bedeutet das: Wir leben über unsere Verhältnisse und bluten unseren Planeten aus.
Natur-Prinzipien nutzen
Wir sind Teil der Natur und sollten ihrem Vorbild folgen. Dies heißt, sich selbst nicht nachhaltig zu schaden, indem wir die Ressourcen bewusst und sinnvoll nutzen. Dann wird mit den Ressourcen dieses Planeten auf einmal sehr viel mehr möglich. Und genau das ist die Idee der Circular Economy. Durch weniger Schaden mehr Wert zu generieren. Darüber hinaus soll der Wert, der einmal geschaffen wurde, auch so lange wie möglich erhalten bleiben.
Die lineare Wirtschaft war stets gut darin, ökonomischen Wert zu generieren, nicht aber darin, ihn zu erhalten. Die Chancen der Circular Economy liegen genau hier: In der Umgestaltung von Wertangebot (Produkt) und Wertgenerierung (Produktion) und der möglichst weitgehenden Sicherstellung der Werterhaltung (Weiter- und Wiedernutzung).
Besser Circular Economy als Kreislaufwirtschaft
Sie kennen wahrscheinlich den Begriff „Kreislaufwirtschaft“. Dieser hat sich jedoch von der semantischen Bedeutung entkoppelt und ist im Sprachgebrauch ein Synonym für das Duale System bzw. den Grünen Punkt geworden. Der war zu seiner Zeit ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung, der jedoch aus verschiedenen Gründen stecken geblieben ist. Die Circular Economy geht weit über dieses Denken hinaus und strebt eine umfassende Transformation der Wirtschaft an. Daher nenne ich dies auch den Quantensprung von der Vierten zur Siebten Industriellen Revolution. Dies ist weniger revolutionär als es den Anschein haben mag. Denn es geht schlicht um die Erweiterung der linearen Wertschöpfungswirtschaft zur zirkuläre Werterhaltungswirtschaft. Heute werden weniger als zehn Prozent des geschaffenen Wertes weiterverwendet. Ziel sollte es sein, möglichst alles, was wir schaffen, weiter zu verwenden, bis es dann schließlich nicht mehr möglich ist. Erst dann werden Produkte oder Materialen schadlos in die Natur zurückgeführt. Viel Wissen und viele Instrumente der linearen Wirtschaft können dabei helfen, die zirkuläre Wirtschaft oder Circular Economy zu realisieren.
Circular Economy – ein zweistufiges Wirtschaftsmodell
Die Zirkularität vollzieht sich auf zwei Stufen. Auf der ersten Stufe steht das Zirkulieren von Produkten, das heißt, deren Wiederverkauf, Reparatur und kontinuierliche „Weiterverwendung“. Das Produkt wandert vom Konsumenten aus also nicht in die Abfalltonne, sondern zu jemandem, der etwas aus diesem Produkt machen kann. Hier findet eine kreislaufwirtschaftliche Dynamik statt, ein echter Kreislauf ist es allerdings noch nicht. Dennoch ist dies ein wichtiger Bestandteil der Circular Economy.
Echte Circular Economy findet aber erst auf der zweiten Stufe statt: Denn hier zirkulieren nicht die Produkte, sondern die Materialien – und zwar ohne Wertverlust aus materialtechnischer und ökologischer Sicht. Das Verbrennen von Material zur Energiegewinnung ist dabei ein Ausschlussmerkmal für echte Zirkularität.
Zirkulare Lösungen erkennen – ein Schnelltest
Ob es sich wirklich um eine Lösung im Sinne der Circular Economy handelt, können Sie schnell durch die Beantwortung von drei Fragen ermitteln.
- Bleibt der Wert erhalten?
- Findet eine stoffliche Verwertung statt?
- Sind die End- und Beiprodukte umweltverträglich?
Angewendet auf die Verbrennung von Materialien zur Energiegewinnung ergibt dies:
1. Bleibt der Wert erhalten? Nein!
2. Findet eine stoffliche Verwertung statt? Nein!
3. Sind die End- und Beiprodukte umweltverträglich? Nein! Denn meist werden Nanopartikel freigesetzt, die auch nicht in den modernsten Müllverbrennungsanlagen herausgefiltert werden.
Der Weg zur Circular Economy
Die Wirtschaft ist eine Supply Chain, die uns liefert, was wir brauchen. Die Supply Chains sind zentral und daher zirkular zu gestalten. Die verschiedenen Wege zur Zirkularität durch Programme, Produkte und Praktiken ergeben sich aus den Rs der Circular Economy. Davon gibt es zwölf, 11+1. Diese sind: Reduce, Re-Use, Repair Redesign, Remanufacture, Repurpose, Refurbish, Recover, Recycle, Refuse, Rethink und übergeordnet Respect. Die elf Rs stellen Ansatzpunkte dar, um Produkte und Materialien zirkulieren zu lassen.
Unternehmen können sich schrittweise dem Thema annähern. Ein Beispiel findet sich bei Zara. Dort können Kunden alte Zara-Produkte zurückverkaufen, die Zara dann wäscht und als eigene Second-Hand-Produkte weiterverkauft. Das macht die Produkte an sich noch nicht kreiswirtschaftlicher, denn die Kunden verkaufen die Produkte zum Teil bereits selbst über Plattformen weiter. Für die Natur ist damit also noch wenig gewonnen, aber Zara „übt“ die Integration der Wiederannahme in ihre Kassen-, IT- und E-Commerce-Systeme. Und wenn das Unternehmen im nächsten Schritt Produkte entwickelt, die leichter zu recyceln sind und die wiederkommen in einem Zustand, in dem sie nicht weiterverkauft werden können, kann Zara auch diese annehmen und sich auf die zweite Stufe der Circular Economy begeben, auf der dann die Materialen, im Sinne der Werterhaltung, ihre Weiterverwendung finden.
Schlussbemerkung
Die Möglichkeiten der Circular Economy sind breit gestreut. Daher habe ich zusammen mit Johann Boedecker ein Buch über die Circular Economy geschrieben, dem die obigen Inhalte ausschnittsweise entnommen wurden. Das Buch «Circular Economy – Die 7. Industrielle Revolution: Der Weg zu mehr Nachhaltigkeit durch Kreislaufwirtschaft» ist kürzlich bei Springer Gabler erschienen. Im Buch finden Sie weitere Anregungen zur Einführung von Circular Economy Programmen, Produkten und Praktiken.
Meine Empfehlung: Sie sollten die Reise in Richtung Circular Economy wirklich antreten – besser früh als spät. Denn schon bald wird sich dies als Wettbewerbsvorteil erweisen. Um die rechtlichen Auflagen, die in nicht allzu langer Zeit auf uns zukommen, wird ohnehin keiner herumkommen und diese sind ein guter Bewegpunkt, sich auf die neue Wettbewerbssituation frühzeitig vorzubereiten. Die Analogie mit der Raumstation impliziert auch, dass es ohne Technologie dabei nicht geht. Die Circular Economy ist daher keineswegs ein Rück- sondern Fortschritt.
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