Auf den ersten Blick mag das Thema verwundern. Welchen Einfluss sollen Logistikstandorte, beziehungsweise die damit verbundenen öffentlichen Institutionen und Interessenvertreter auf das Image der Logistik haben. Eine Antwort lässt sich aus den Ergebnisse des aktuellen StepStone Mobilitätsreport ableiten.
Warum Logistikregionen für die Attraktivität Ihrer Standorte werben sollten.
Der aktuelle StepStone Mobilitätsreport kommt zu teilweise unerwarteten Ergebnissen. Bei einer Befragung von rund 24.000 Fach- und Führungskräften gab eine Mehrheit an, bereits mindestens einen berufsbedingten Umzug im Radius von 100 Kilometern vollzogen zu haben, mehr als 42 Prozent sogar mehr als 300 Kilometer. 47 Prozent aller Befragten können sich auch zukünftig einen berufsbedingten Umzug vorstellen. Für 27 Prozent hängt die Bereitschaft jedoch von der Attraktivität des Standortes ab. Dabei sind insbesondere die Großstädte und wirtschaftlichen Ballungsräume, trotz der enormen Steigerung der Wohnkosten, weiterhin im Fokus. Die beliebtesten Regionen sind Hamburg, München und Berlin. Bei den benachbarten Ländern liegt die Schweiz weit vorne in der Gunst der umzugsbereiten Fachkräfte. Dabei hat das Alter einen wesentlichen Einfluss auf die Umzugsbereitschaft. Bei den unter 30-Jährigen sind 29 Prozent standortgebunden, bei den 41-50-Jährigen liegt dieser Wert bei 44 Prozent.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung veranschaulichen, dass nicht nur die Unternehmen selbst in einem Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte stehen, sondern auch Wirtschaftsregionen gefragt sind, die Attraktivität Ihrer Standorte für konkrete Zielgruppen herauszuarbeiten und zu kommunizieren.
Wer sind die Vertreter der Logistikregionen?
Welche Organisationen sind konkret gemeint? Zu den regionalen Interessenvertretern der Logistik gehören zum einen die zahlreichen Logistik-Initiativen in Deutschland, die auch in der Arbeitsgemeinschaft der Logistik-Initiativen vertreten sind. Darüber hinaus die vielfältigen Logistik-Cluster in Deutschland und nicht zuletzt die Wirtschaftsförderungsgesellschaften, die ihre Logistikstandorte nach außen vertreten, vermarkten und betreuen. In manchen Wirtschaftsregionen haben auch die Industrie- und Handelskammern einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Imagegestaltung ihrer Logistikstandorte, nicht zuletzt aufgrund ihrer Nähe zu politischen Entscheidungsträgern. Gemeinsam ist allen hier genannten Institutionen, dass sie im Kern Ihrer Aufgabenstellung die Interessen der Unternehmen vertreten sollen, insbesondere in den Public-Private-Partnership Strukturen.
Aktuelle Aufgabenstellungen
Schaut man sich die Webseiten der Institutionen an, so werden die Zielrichtungen der Interessenvertretungen deutlich. Stellvertretend sei hier die Arbeitsgemeinschaft der Logistik-Initiativen zitiert. „Die Arbeitsgemeinschaft hat das Ziel, den Logistikstandort Deutschland weiter zu stärken. Sie ist vor allem Ansprechpartner für die Politik, Ratgeber, Ideengeber und Partner für die regionale Umsetzung von Maßnahmen. Gleichzeitig treibt die Arbeitsgemeinschaft aufgrund ihrer regionalen Verankerung Themen mit bundesweiter und internationaler Bedeutung voran.
Die Schwerpunkte der Zusammenarbeit liegen in vier Handlungsfeldern:
- nationales und internationales Marketing für den Logistikstandort Deutschland
- Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur
- Personal und Qualifizierung
- Innovationen in der Logistik“
Das nationale und internationale Marketing für die Logistikstandorte bezieht sich weitestgehend auf die Ansiedlung neuer Unternehmen. Was nützen die besten Unternehmensansiedlungen, wenn die Fachkräfte nicht vorhanden sind, beziehungsweise Unternehmen sich gegenseitig die vorhandenen Fachkräfte abwerben. Ein Beispiel einer solchen Konstellation war im vergangenen Jahr aus einer mittelständisch geprägten Region in der Presse zu verfolgen. Ein Bürgermeister hatte im Zusammenspiel mit der regionalen Wirtschaftsförderung ein Unternehmen überzeugen können, einen Standort mit mehreren Hundert Mitarbeitern anzusiedeln. Der Stolz über die erfolgreiche Ansiedlung verflog, als es um die praktische Rekrutierung der Mitarbeiter ging. In einer Region mit faktischer Vollbeschäftigung führt der Rekrutierungsprozess zwangsläufig zu einem Abwerben von Arbeitskräften der bestehenden Unternehmen aus der Region, verbunden mit mittelfristigen Personalkostensteigerungen. Die ansässigen Unternehmen protestierten im Hinblick auf die Kurzsichtigkeit der Ansiedlungsentscheidung.
Insofern erhält das Thema Marketing, in enger Verzahnung mit dem Thema Personal und Qualifizierung, eine neue, beziehungsweise stärkere Bedeutung. Aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels, den die Unternehmen in der Logistik tagtäglich spüren, ist es an der Zeit über ein Standortmarketing nachdenken, welches die Attraktivität der Standorte für potentielle Arbeitnehmer deutlich macht. Gerade Standorte, die nicht in den attraktiven Ballungsräumen liegen, sind gefordert die Attraktivitätsfaktoren Ihrer Standorte herauszuarbeiten und diese zu kommunizieren. Somit können die genannten Institutionen ihre Unternehmen bei der Imageentwicklung unterstützen und einen entscheidenden Beitrag zur Attraktivitätssteigerung bei der Rekrutierung leisten.
Zukünftige Aufgabenstellungen: Regionales Logistik-Branding als Kernfokus entdecken
Genau wie Unternehmen über ihre Attraktivitätsfaktoren nachdenken und diese in Richtung ihrer Kandidaten-Zielgruppen kommunizieren müssen, sind die Logistikregionen gefordert die regionalen Attraktivitätsfaktoren in den Vordergrund zu stellen, um attraktiv für neue Arbeitskräfte zu werden. Das bedeutet, den Kundenfokus von neuen Unternehmen auch auf potentielle Arbeitskräfte zu richten. Hierzu sollten folgende Attraktivitätsaspekte im Mittelpunkt stehen:
- Wohnmöglichkeiten für junge Familien
- Sport- und Freizeitangebote
- Kulturangebote
- Strukturelle Versorgung mit Schulen, Kindertagesstätten und öffentlichen Verkehrsmitteln
Hierzu bietet sich eine engere Verzahnung und Zusammenarbeit mit den regionalen Kultur- und Tourismusinstitutionen an, wobei diese dann den Blickwinkel vom Touristen zum zukünftigen Einwohner, im Hinblick auf die Kommunikation, lenken sollten.
Die Kommunikationsanforderungen sind vergleichbar mit denen attraktiver Arbeitgebermarken. Auch Logistikregionen können spannende Geschichten aus Ihrer Region erzählen. Zur Veranschaulichung sollten auch Videoformate in den relevanten Social-Media-Kanälen und den eigenen Webseiten verwendet werden. Aber dann bitte auch mit den Themen, die für die Menschen relevant sind. Dies sind, wie zuvor aufgeführt, in erster Linie die Themen rund um die Gestaltung des privaten Lebensumfeldes, und nicht die logistischen Infrastruktur-Kennzahlen. Angebote und Lösungsansätze für die Logistikregionen sind durchaus verfügbar, wie zum Beispiel die zukünftige Branding Plattform LOGISTIK-1.
Es sind jedoch auch erste bemerkenswerte Ansätze erkennbar. Schleswig-Holstein hat eine Kampagne mit dem Titel „Fachkräfte willkommen. Tolle Aufstiegsmöglichkeiten. Auch nach Feierabend.“ ins Leben gerufen. Das Titelbild zeigt den Sprung eines Kite-Surfers in den Wellen der Küste. Wenn es dann noch gelingt, Kampagnen nicht nur im Printformat auf regionaler Ebene umzusetzen, sondern auch auf relevante Social-Media-Strategien zurückzugreifen, ist ein erster Schritt getan.
Perspektivwechsel einnehmen und den Blickwinkel für Zukunftstrends schärfen
Die Logistikregionen haben, in Form Ihrer unterschiedlichen Institutionen, einen großen, aber bisweilen doch stark unterschätzten Einfluss auf das Image der Logistik und die Attraktivität der regionalen Unternehmen, die sie vertreten sollen. Sie sollten das Heft des Handelns in die Hand nehmen und die Perspektive wechseln. Es gilt, den Blickwinkel zu schärfen und sich den arbeitsmarktrelevanten und technologischen Trends und Entwicklungen zu stellen. Diese verändern die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen der Logistikregionen.
Interessanter Post, danke dafür. Solche Imagewandel brauchen meines Erachtens nach viel Zeit und Aufwand. Sozialpolitische Maßnahmen müssen meiner Meinung nach Hand in Hand gehen mit der wirtschaftlicher Attraktivität. Denn kommt die Lebensqualität zu kurz, kann wirtschaftlichspolitische Aspekte das nicht genügend kompensieren. Vereinfacht gesagt suchen sich die “besten Köpfe” dann andere Orte und Jobs, Unternehmen mit hohen Ambitionen lassen sich ohne Aussicht auf diese Leute nicht ansiedeln usw.
Ich denke, dass es beides gleichermaßen braucht, Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik.