Kamil Christoph Kasprowicz war bis vor kurzem Group Vice President Supply Chain Management bei Otto und ist nun CEO der Hermes Baur Fulfillment (Teil der Otto Group). Er moderiert beim Deutschen Logistik-Kongress im Oktober die Fachsequenz „Quo vadis, E-Commerce 2023? Schnell, grün, aber günstig – wer setzt wie neue Maßstäbe?“ am Freitag. Im Vorfeld hat er sich die Zeit genommen, zwei Fragen zu beantworten, die auch in Berlin eine große Rolle spielen werden.
BVL: Herr Kasprowicz, wer gewinnt den E-Commerce – und wer verliert?
Kasprowicz: 2020 und 2021 konnte jeder verkaufen und wachsen, sofern er lieferfähig war. Jetzt fällt es allen schwerer, da wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Es behaupten sich nun die Player, die in den letzten Jahren gut gearbeitet haben. Da spielen Brand Awareness, Market Place-Relevanz, Produktangebot und – ganz wichtig – die User Experience (App / Shop, Payment und Lieferservice) eine große Rolle.
2020 und 2021 hat Covid dem E-Commerce zu einem Boost verholfen, vor allem in Segmenten, die sonst im stationären Handel verortet waren, wie zum Beispiel Lebensmittel, Home & Living und DIY. Das hat zu sehr absoluten Urteilen über die Zukunft des E-Commerce und den Untergang des stationären Handels geführt. Jetzt wird offensichtlich, dass Händler, die ein gutes Stationär- und Omni-Channel-Angebot haben – also on- und offline agieren – deutlich besser durch die Krise kommen, weil sie dem Kunden die Entscheidung überlassen, ob er online bestellen oder selber einkaufen gehen möchte.
Gleichzeitig wachsen einige reine E-Commerce Spieler immer noch oder sind nur leicht rückläufig – damit sind sie deutlich stärker als der Markt, der bis zu 20% verliert. Wer jetzt Kundenansprache erzielen kann, seine Investitionen in User Experience und Marketing nicht stark drosseln muss, wird in der nächsten Erholung stark profitieren.
BVL: Und welchen Effekt hat die zunehmende Forderung nach mehr Nachhaltigkeit auf den E-Commerce?
Kasprowicz: Ich fürchte, dass der Nachhaltigkeitsaspekt in den nächsten Monaten wieder in den Hintergrund treten wird, da viele nun erst einmal auf die Rezession reagieren, indem sie Kosten sparen und versuchen, ihre P&L abzusichern. Das ist eine große Gefahr, wir müssen unseren Nachhaltigkeitskurs durchziehen, auch wenn für viele Manager nun das kurzfristige operative Geschäft im Vordergrund steht. Mittel- und langfristig sind nachhaltige Lieferketten ein Muss für alle E-Commerce-Händler. Das gilt sowohl für die angebotenen Produkte als auch für die Logistik. Wer sich nicht transformiert, wird in der Relevanz sowohl für Kundinnen und Kunden als auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sinken.
Mehr zum Programm des Deutschen Logistik-Kongresses und Möglichkeiten zur Anmeldung finden sich unter www.bvl.de/dlk.
Danke für dieses interessante und anregende Interview. Ich habe den Artikel gerne gelesen und habe Neues erfahren. Macht weiter so.