Zwischen 1987 bis 2007 wächst der Welthandel um durchschnittlich sieben Prozent. Damit leistet der internationale Austausch von Waren einen wesentlichen Beitrag zum Bruttosozialprodukt. Eine Erfolgsstory. Allerdings fielen die Wachstumsraten im Nachgang zur globalen Finanzkrise 2008-09. Bislang bleibt die Erholung aus: Im letzten Jahrzehnt wuchs der weltweite Handel mit circa drei Prozent mehr oder weniger im Gleichklang mit der Weltwirtschaft.
Dennoch, der Handel ist heute integraler Bestandteil der Weltwirtschaft und wird dies aller Voraussicht nach auch bleiben.
Gemischte Gefühle
Europa ist nach innen gekehrt – dies obwohl erwartet wird, dass im nächsten Jahrzehnt 90 Prozent der Nachfrage nach europäischen Produkten von außen kommt. Mit dem Brexit lehnen die britischen Bürger einen der stärksten multinationalen, regionalen Wirtschaftsblöcke ab. Die uneinige Antwort auf die Flüchtlingsfrage lastet schwer auf den Plänen einer tieferen europäischen Integration und erschwert die koordinierte Vorgehensweise hinsichtlich der Grenzen. In den Vereinigten Staaten von Amerika positionieren sich beide Präsidentschaftskandidaten, Hillary Clinton und Donald Trump, gegen die Trans-Pacific Partnership (TPP), ein Übereinkommen zur Förderung des Handels zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und anderen amerikanischen und asiatischen Ländern.
Anders verhält sich die Situation in Asien. Hier begrüßen die Nationen den internationalen Handel. TPP wird weitgehend als Chance verstanden. China – kein TPP-Mitgliedsstaat – arbeitet an einem eigenen Block: die Regional Comprehensive Partnership (RCEP). Das angestrebte Freihandelsabkommen (FTA), soll mit Brunei, Myanmar, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, den Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam initial die zehn Mitgliedsstaaten der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) umfassen sowie die sechs Länder, mit denen ASEAN ein FTA gezeichnet hat. Dies sind Australien, China, Indien, Japan, Südkorea und Neuseeland. Die RECP wird als Alternative zu TPP angesehen und erstreckt sich unter anderem auf den Handel mit Waren und Dienstleistungen, Investitionen, die ökonomische und technische Kooperation, intellektuelles Eigentum und Wettbewerb. Währenddessen weist die Asean Economic Community (AEC) den Weg in Richtung Binnenmarkt zwischen den zehn ASEAN Mitgliedsstaaten – mit dem freien Austausch von Waren, Dienstleistungen, Arbeit, Investitionen und Kapital. Gleichzeitig verästeln sich die bilateralen Abkommen. So hat Vietnam kürzlich ein FTA mit der Europäischen Gemeinschaft abgeschlossen.
Auf weltweiter Ebene sind die Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) im Begriff, das auf der Ministerkonferenz in Bali beschlossene Trade Facilitation Agreement (TFA) zu ratifizieren. Das FTA soll den Handel einfacher, schneller und kostengünstiger machen. Dies durch die Eliminierung von Hürden und Bürokratie, angefangen bei Freigabe- und Verzollungszeiten von Waren bis zur engeren und erweiterten Kooperation zwischen Grenzagenturen. Gemäß den Schätzungen der WTO, kann das TFA die weltweiten Handelskosten zwischen 12,5 und 17,5 Prozent reduzieren und rund 20 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen – die Mehrzahl davon in Schwellenländern.
Handelstrends
Während die Debatte tobt, verändert sich die Natur des Handels: Die schnelle Wirtschaft, englisch Fast-Economy, reduziert insbesondere im Konsumgüterbereich den Bedarf an globalem Handel. Moderne Technologien ermöglichen, die Lieferkette vom Design bis zur Auslieferung zu beschleunigen und zu verkürzen. Viele geben der Liefergeschwindigkeit zur schnellen Befriedigung der Nachfrage den Vorrang gegenüber kostengünstigeren globalen Lieferketten. Mittels effektiver Informationstechnologie zur Identifizierung von Verkaufsschlagern und Ladenhütern, gestraffter interner Kommunikation, Investitionen in kritische Komponenten entlang des Herstellungsprozesses, enger Zusammenarbeit mit Lieferanten und der Belieferung aus nahe an den Konsumentenmärkten gelegenen Fertigungsstätten haben sich Marken an den Trend zu schnelleren Produkte angepasst. So benötigt das Modehaus Zara gerade mal zwei Wochen vom Design über die Fertigung bis zur Auslieferung in den Filialen. Das Fast-Modell erspart Marken hohe Bestände und kostspielige Wetten auf die nächste Konfektion – stattdessen wird nach Bedarf produziert. Da schnelle Produkte die kürzere eher regionale Supply Chain benötigen, geht diese Entwicklung zu Lasten des interkontinentalen Handels und Transports.
Technologie verändert Länge und Komplexität der Supply Chain
Dies wird durch neue Technologien unterstützt. Moderne Informationstechnologie, das Internet der Dinge, Big Data und die Cloud ermöglichen ganz neue Managementprozesse: Das Flex Pulse Centre ist eines der Beispiele. Das Centre überwacht die Supply Chain in Echtzeit und erhebt und analysiert Daten von nahezu allem: angefangen bei den Beständen über Qualitätschecks und Transport- und Auslieferungsstati – aber auch über die politische Lage und die Wettersituation. Diese Analysen halten zentrale und lokale Teams über den Status der Lieferkette und potenzielle Störungen und Risiken auf dem Laufenden. Die neu geschaffene globale Visibility erlaubt Herstellern die einfachere Dezentralisierung der Produktion, was zu einem neuen Mix an kurzen, mittleren und langen Warenbewegungen führt. Entlang der immer transparenteren und filigraneren globalen Werkbank entstehen neue Fabriken und Distributionslager. Investitionen kompensieren zumindest teilweise das reduzierte Wachstum im internationalen Handel.
Neue Technologien, re-shoring und near-shoring, Regionalisierung und Lokalisierung verändern die internationalen Warenströme. Der 3D-Druck wird die Produktion zumindest teilweise von den Fabriken in die Geschäfte und Haushalte verlagern. Ein weiterer Treiber der Veränderung und des Wandels des grenzüberschreitenden Handels und der Supply Chain – sprich der Verkürzung und Entkomplexifizierung.
E-Commerce ist neuer Handelstreiber – vorausgesetzt, Gesetzgeber und Logistik halten Schritt
Amazon, eBay und Alibaba, einige Stars unter den E-Commerce-Plattformen, ermöglichen Firmen und Konsumenten den Einkauf im globalen Kaufhaus. Sie verbinden Millionen von Herstellern mit Milliarden von Konsumenten. Sie geben den kleinsten Anbietern und den abgelegensten Käufern Zugang zum globalen Markt. Dies erfordert leistungsstarke Logistik- und Transportnetzwerke sowie Gesetze und Verordnungen, die den Anstieg der grenzüberschreitenden digitalen Transaktionen unterstützen und nicht behindern.
Sollte David Ricardo recht behalten, wird der internationale Handel auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der Weltwirtschaft spielen. Der bekannte englische Volkswirt wies nach, dass die Fokussierung auf Stärken in Kombination mit Industriespezialisierung und freiem Handel allen Nationen Vorteile bringt. Die derzeitige Abschwächung des Handelswachstums ist problematisch. Obwohl die Konvergenz von Kompetenz und Fähigkeiten – die Schwellenländer holen in punkto Ausbildung, Know-how, Infrastruktur und Logistik auf – die Handelsflaute mitbedingt, ist die Wachstumsabschwächung wahrscheinlich doch mehr noch die Folge von Digitalisierung und den Bedenken insbesondere in der westlichen Bevölkerung. Handelsflauten sind nicht neu: Auch zwischen 1980 und 1985 ging der Handel dramatisch zurück. Schließlich besteht noch viel Raum für die Verstärkung und Verbesserung der Supply und Value Chain. Der derzeitige Abschwung im internationalen Handel könnte sich im nachhinein möglicherweise mehr als Tempowechsel denn als Krise erweisen.
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