Ohne Logistik gelangen keine Waren in die Regale des Handels, werden Online-Bestellungen nicht ausgeliefert. Die Zusammenarbeit von Handel und Logistik, aber auch die Strategie des Handels selbst, wirken sich direkt auf die Frage aus, ob das Ziel der Bundesregierung zur Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050 erreicht werden kann.
Der Handel liegt nahe bei der Logistik. Denn beim Handel geht es zu einem erheblichen Teil um den Transport der Waren zu den Filialen und deren dortige Lagerung und Bereitstellung für den Verkauf. Zudem werden im Handel auch Aufgaben im Auftrag von Produzenten übernommen, wie Wartung, Reparatur und Rücknahme. Zudem ist das Design der Filiale selbst ebenfalls ein Hebel für Nachhaltigkeit. Denn dort können auch die zirkularen Prinzipien helfen. Der Handel kann darüber hinaus eine wichtige Aufgabe im Bereich der Information der Konsumenten und Bürger übernehmen. Denn Klimaschutz bedeutet auch Aufklärung über Folgen des Konsums und Aufruf zur Änderung des Konsumverhaltens.
Das Verkaufsnetz: Integration in die rurale und urbane Planung
Städte sind möglichst regenerativ zu planen. Dabei ist Wohnraum, Verkehrs- und Warenfluss sowie Produktion und Handel als integriertes System zu sehen. Prinzipien zur Förderung der regenerativen Stadtwelt sind zu formulieren und zu integrieren. Es geht um weitgehend vollständige Lebensräume in denen alles seinen Platz zu haben hat. Das Ideal sind weitgehend selbstversorgende Nachbarschaften. Ist das Design umgesetzt, helfen Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz und digitale Plattformen dabei, die Vernetzung der Lebensräume in sich und miteinander, sowie das optimale Zusammenspiel der einzelnen Branchen und Bereiche zu gestalten.
Was für die Stadt gilt, gilt auch für ländliche Regionen. Dort ist der Einzelhandel vielfach aufgrund mangelnder Rentabilität verschwunden. Dies hat zu einer erheblichen Steigerung des Verkehrsaufkommens geführt. Denn irgendwie müssen sich die Menschen versorgen. Der Weg in die nächstgelegene Stadt kann weit sein. Die Verkehrsbelastung gewaltig. Insbesondere am Samstag. Öffentliche Mittel für die Wiederansiedlung sind daher zu erwägen. Zudem sind innovative Versorgungskonzepte, wie beispielsweise die Zustellung mittels Drohnen, zu proben und ggf. zu fördern. Sind die Bürger gezwungen, erhebliche Strecken für den Einkauf zurückzulegen, und erfolgt dies zudem noch mit dem eigenen Diesel- oder Benzin-Pkw, werden erhebliche CO2-Emissionen verursacht.
Die nachhaltige Filiale
Bei der nachhaltigen Filiale geht es nicht nur um die Baumaterialien für die Gebaude, sondern auch um diejenigen Dinge, welche am Verkaufsort, am sogenannten„point of sales“ (POS), Verwendung finden. Die Rede ist von Regalen oder Dispensern, aber auch von Marketingmaterialen, wie Hinweisschilder und Werbeprospekten. Von allem, was das Innenleben einer Verkaufsfiliale oder eines Geschäftes ausmacht. Die Gestaltung einer Filiale ist, wie Produkt und Verpackung, in erster Linie eine Designfrage bei der im Interesse des Klimaschutzes System- und Kreislaufdenken gefordert sind.
Aber auch neue Wege hinsichtlich der Energiegewinnung sind gefragt. Beispiel dafür ist IKEA. Der Möbelhersteller hat seinen größten Absatzmarkt in Deutschland. Bereits seit Ende 2019 sollen nach eigenen Angaben die IKEA Märkte ihren Strom komplett selbst produzieren. Das Unternehmen ist vorbildlich und investiert EUR 2,5 Milliarden in erneuerbare Energien – und hat damit das eigene Ziel, bis 2020 klimaneutral zu erreichen, bereits ein Jahr früher erreicht als geplant.
Belieferungskonzepte für Filialen
Ein von den Kunden nachgefragter Artikel, welcher nicht im Regal steht, ist gleichbedeutend mit einem entgangenem Umsatz und Gewinn. Andererseits riskieren Artikel, die sich nicht verkaufen und sich zudem dem Verfallsdatum nähern, mit jedem Tag eine Wertminderung; dies über den Aktionspreis bis hin zur Vernichtung der Waren. Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz helfen, die Nachfrage genauer zu prognostizieren und damit Unter- und Überschüsse zu verringern.
Das Belieferungskonzept der Filialen ist nicht nur mit Blick auf den Klimaschutz wegeoptimiert zu gestalten, sondern auch sauber – Stichwort Elektromobilität. Dabei ist im Kopf zu behalten, dass saubere Elektromobilität einer regenerativen Energiegewinnung bedarf. Bei der Wege-Optimierung spielen die Lage der Filialen sowie die Nutzung zentraler und dezentraler Lager eine Rolle. Die Optimierung des Filialnetzes kann ebenfalls durch einen holistischen Ansatz bei der urbanen und ruralen Planung erreicht werden.
Abfallvermeidung
Wir versinken in unserem eigenen Müll. Nach Berechnungen der Ellen MacArthur Stiftung wird im Jahr 2050 mehr Plastik als Fische in den Meeren schwimmen. Der Verpackungsmüll macht dabei einen großen Teil aus. Erst kürzlich haben Unternehmen wie Amazon begonnen, Verpackung zu optimieren. Eine weitere Frage ist, ob die Entsorgung des Mülls richtig bepreist ist. Wahrscheinlich nicht. Denn die Reinigung der verschmutzten Flüsse und Ozeane ist keineswegs im Preis der verschmutzenden Produkte enthalten. Dabei ist Müllvermeidung für den Klimaschutz, wie wir wissen, wichtig. Denn circa 66 % aller weltweiten Emissionen entstehen bei der Verarbeitung von Rohstoffen sowie der Herstellung von Konsumartikeln, dies schließt die Herstellung von Verpackung selbstredend mit ein.
Seit dem Burburry Skandal, welcher durch die Vernichtung nicht abgesetzter Waren ausgelöst wurde, stapeln sich die nicht verkauften Artikel in riesigen Lagerhäusern. Mauern der Schande tun sich da in den Regalen auf. Da das Design in den meisten Fällen ein Recycling nicht erlaubt, bleibt die Zukunft der gelagerten Überschüsse ungewiss. Schamvoller noch ist jedoch „fast fashion“. Pro Jahr landen allein in Deutschland mehr als eine Million Tonnen Textilien in Containern, weitere direkt im Hausmüll. Müssen wir wirklich immer wieder neue T-Shirts und Hosen kaufen, die wir teilweise nach ein- bis zweimal Tragen in den Müll werfen? Sollten wir zudem nicht erachten, das Reparaturgewerbe im Textilbereich wieder zu beleben? Der Konsument ist hierbei zur Mithilfe aufgefordert. Aber auch die Unternehmen, die mit regenerativem Design viele unserer Müllprobleme vermeiden könnten. Der Staat kann die Förderung von Reparaturdiensten erwägen.
Online Handel
Der online Handel wächst nach wie vor stark. Im Zeitalter der Digitalisierung liegt dieser voll im Trend und ist Ausdruck des digitalen Zeitgeistes. Aufgrund der verschiedenen Nebenwirkungen erfordert der online Handel besondere Sorgfalt – von Seiten der Unternehmen, aber auch der Konsumenten. Diese beginnt beim Bestellverhalten. Je mehr bei Bestellung und Versand gebündelt wird, umso weniger muss transportiert werden. Amazon und Zalando wollen daher ihren Kunden die Bündelung der Lieferungen anbieten: Statt jeden Tag auszuliefern, sollen die bestellten Waren gebündelt an einem Tag den Empfänger erreichen. Diesen Service testet Amazon bereits bei den Prime-Kunden in den USA, um so die Zahl der Zustellfahrten und den Verpackungsmüll zu reduzieren.
Gerade beim Online-Handel kommt es beim Versand immer wieder dazu, dass kleinere Produkte in großen Kartons gepackt werden, die dann – um die Ware zu schützen – mit Füllmaterial wie Luftpolsterfolien, Papierpolstern oder Verpackungschips aufgefüllt werden. Diese sind zum Teil ökologisch abbaubar, was für den Kunden aber nicht ohne weitere Information erkennbar ist. So oder so werden hier mehr Ressourcen eingesetzt, als nötig wären – mit entsprechenden Folgen für Frachtraumbedarf und damit für die Verkehrsbelastung. Hier sind neue Konzepte gefragt, die das Volumen der bestellten Ware in Linie mit der Verpackung bringen.
Die letzte Meile ist als operatives Konzept immer noch weitgehend ungelöst. Die Palette der Lösungskomponenten ist breit, vom sauberen Zustelltransportmittel, zum Paketshop, zu Packstation und Paketbox. Vernetzung und technologische Entwicklung werden die Situation graduell verbessern. Aber dies reicht nicht. Die Mitarbeit von Staat und Konsument ist gefordert. Stichtworte sind hier die Entlastung durch Reduzierung des Individualverkehrs und der verantwortungsvolle Online-Konsum.
Zusammenarbeit mit Querschnittsbereichen
Beschaffung, Produktion, Transport und Handel arbeiten Hand in Hand. Dabei sind sie auch auf Querschnittsbereiche wie die Energieversorgung, Immobilien, Finanzierungen u.a. angewiesen. Wie nachhaltig ein Unternehmen agiert und ob die Klimaziele der Bundesregierung erreicht werden können, hängt auch vom Zusammenspiel von Beschaffung, Produktion, Logistik und Handel mit diesen Querschnittsbereichen ab.
Welche Faktoren dabei eine Rolle spielen, und was der Einzelne hier tun kann, erläutert der nächste Beitrag dieser Blog-Serie.
Dieser und die weiteren Beiträge der Blog-Serie basieren auf der Keynote „Wo steht die Klimabewegung in Beschaffung, Produktion, Transport-Logistik und im Handel?“ am 6. Februar 2020 beim ICS Experts Symposium in Sinsheim.
Die Teile der Blog-Serie beschäftigen sich mit der konkreten Situation der Klimabewegung in den Bereichen Beschaffung, Produktion, Logistik und im Handel sowie der Frage der Finanzierung.
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