Teil 1 einer Blog-Serie zur Sicherung unserer Zukunft
Generell lässt sich die Frage nach dem Stand der Klimabewegung in Beschaffung, Produktion, Logistik und im Handel schnell beantworten: Sie steckt in ihren Anfängen. Und dies, obwohl das Problem seit mehr als 50 Jahren bekannt ist und seit Jahren beispielsweise über Green Logistics diskutiert wird. Immer noch verbrauchen wir unser uns noch zur Verfügung stehendes Emissionsbudget. Ist der Schwellenwert einmal überschritten, gehen wir von der Klimakrise zur Klimakatastrophe über. Aktuell verbleiben uns noch weniger als 10 Jahre zur Korrektur.
Angesichts der zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels und der erschreckenden Folgen, hat die Klimabewegung kürzlich an Fahrt aufgenommen. Dies manifestiert sich beispielsweise im Pariser Klimaabkommen und in der Schüler- und Jugendbewegung, initiiert durch die Aktivistin Greta Thunburg. Soviel zum Gesamtbild. Detaillierte Aussagen zur Klimalage von Beschaffung, Produktion, Logistik und Handel erfordern jedoch eine dezidierten Analyse, die im Laufe dieser Blog-Serie entwickelt wird.
Das Haus brennt – wie Australien bildhaft zeigt. Aber es geht nicht nur um Australien, Brasilien, Indonesien, Südkorea, Sibirien, Afrika und Kanada. Es geht nicht darum, dass überall wertvolle Wälder abbrennen. Es geht um uns und um das, was wir tun! Es geht nicht mehr nur um Warnungen. Unser eigenes Handeln bzw. unzureichendes Handeln hat bereits neue Realitäten geschaffen, die sich auf unser Leben, unsere Gesellschaft und unsere Versorgung in unterschiedlichster Form auswirken.
Ist die Klimakatastrophe unabwendbar? Nein – „Klimarettung” ist ein Rennen, welches wir – noch – gewinnen können. Vorausgesetzt, dass wir hier und heute handeln. Dass wir endlich alle gemeinsam koordiniert in Richtung CO2-neutrale Zukunft gehen. Dabei zählt jeder Einzelne. Jede Regierung, jede Behörde, jedes Unternehmen, jede Abteilung, jeder individuelle Haushalt und jedes Individuum ist dazu aufgerufen, eine Klimaschutzstrategie zu entwickeln. Darum geht es heute!
Meilensteine im Klimaschutz
Immer noch zu Wenige sind sich ihres Einflusses, negativ wie positiv, bewusst oder kennen die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (UN), die sogenannten Sustainable Development Goals (SDG). Diese sind sehr wichtig, weil sie uns helfen, unser Handeln auf Nachhaltigkeit auszurichten. Denn die Analyse zeigt, Klimaschutz ist keine isolierte, sondern eine holistische Aufgabe im Kontext von Nachhaltigkeit und verantwortungsvollem Handeln gegenüber der Umwelt.
Die Folgen unseres Wirtschaftens und Lebens, angefangen von Dürren über Umweltkatastrophen bis hin zum Anstieg der Meeresspiegel aufgrund abschmelzender Pole, sind weitgehend bekannt. Keiner kann den Auswirkungen des Klimawandels entgehen. Jeder ist betroffen. Wichtig ist jedoch, aufzuzeigen, wie jeder einzelne, jede Unternehmen und jeder Staat helfen kann, die Katastrophe abzuwenden. Wie jeder handeln kann. Kein Staat, kein Unternehmen, keine Organisation kann die Klimaherausforderung alleine bewältigen.
Die Vereinten Nationen (UN), die Europäische Union (EU), aber auch einzelne Länder, wie das Vereinigte Königreich, haben den Klimanotstand ausgerufen, um effektive Klimaschutzmaßnahmen zu beschleunigen. Von führenden Akteuren wurden jetzt wichtige Ziele gesetzt. Die Bundesregierung will die Treibhausgasemissionen bis 2050 gegenüber 1990 um bis zu 95 Prozent reduzieren. Damit wird Deutschland bis 2050 nahezu klimaneutral werden[1]. Ob dies zeitlich reicht, wird sich zeigen. Auf jeden Fall haben wir ein Ziel, auf welches wir konkret hinarbeiten können.
Der Pariser Verpflichtung der Länder zur Treibhausgasreduzierung sind Maßnahmen verschiedener Organisationen gefolgt. Beispielsweise CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) in der Luftfahrtbranche, oder die International Maritime Organization (IMO) 2050 Emissionsziele im Schiffsverkehr. Zwei Bereiche, die das Pariser Klimaabkommen nicht abdeckt.
Durch die Klimadiskussion wurde vieles angestoßen und die Ansatzpunkte wurden greifbarer. Aber auch die Nachlässigkeiten der Vergangenheit werden deutlicher, beispielsweise die mangelnden Investitionen in die Entwicklung nachhaltiger alternativer Treibstoffe.
Kreislaufwirtschaft: Chance für Mensch und Umwelt
Circa 66 % aller weltweiten Emissionen entstehen bei der Verarbeitung von Rohstoffen sowie der Herstellung von Konsumartikeln. Diese Zahl findet sich in einem Whitepaper des Innovation Fund Denmark’s Climate Solutions Panel. Diese verdeutlicht das Missverhältnis zwischen unseren Bestrebungen zur CO2-Reduzierung und der ständigen Steigerung von Extraktion, Produktion und Konsum sowie dem damit verbundenen Einsatz von Rohstoffen, die zudem noch in Form von Produkten in großen Mengen auf den Müllhalden landen.
Denn derzeit werden lediglich 9 % der 90 Milliarden Tonnen Rohstoffe, die wir jährlich verarbeiten, in irgendeiner Form weiterverwendet. Dabei hat sich die Menge der gewonnenen Rohstoffe über die letzten 50 Jahre verdreifacht und sie wird sich bis zum Jahr 2050 noch einmal verdoppeln.
Um die Verschwendung von Rohstoffen, die Belastung von Natur, Boden, Flüssen, Ozeanen und Klima ernsthaft anzugehen, brauchen wir ein neues Wirtschaftssystem, und zwar die Kreislaufwirtschaft. Eine Wirtschaftsform in der die Produkte so beschaffen sind, dass sie am Ende ihres Nutzungszyklus als Rohstoff in der Wertkette weitergeführt werden können. Die Lösung liegt also nicht in der Trennung des Mülls, sondern in seiner Vermeidung; im nachhaltigen Design unserer Produkte. Effektive Klimalösungen folgen den Wert- und Lieferketten.
Das Potenzial der Kreislaufwirtschaft, die CO2-Emissionen drastisch zu senken, ist den Akteuren in Wirtschaft und Gesellschaft immer noch nicht ausreichend bewusst. Die zirkulare Wirtschaft erfordert neben Verhaltensänderung vor allem entsprechendes Wissen in den Bereichen Design, Materialwissenschaft, Produktion und schließlich auch Weiterverwendung und Recycling. Auch die Logistik spiel eine entscheidende Rolle. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass die Materialien, Teile und Produkte am Ende eines Nutzungsschrittes auch wieder dorthin gelangen, wo sie Weiterverwendung oder eine schadlose Lagerung finden können. Die Aktion folgt der Idee. Die Idee und das Konzept der Kreislaufwirtschaft ist daher zunächst einmal in den Köpfen der Entscheider zu verankern.
Die Zeit für die zirkulare Wirtschaft und Gesellschaft ist reif. Der Druck auf die Unternehmen, aber auch auf Bürger und Konsumenten steigt. Aber erst durch greifbare neue Geschäftsmodelle drücken Entscheider die richtigen Knöpfe. Nur so werden Investoren auf die Chance der Kreislaufwirtschaft in größerem Umfang aufmerksam. Mit dem entsprechenden Wissen um die Kreislaufwirtschaft können Regierungen und Unternehmer diese Entwicklung wirksam unterstützen. Während die Kreislaufwirtschaft graduell entsteht, können Wirtschaft, Staat, Forschung und Gesellschaft bereits viel zum Schutze des Klimas beitragen.
Klimaschutz-Strategie für Akteure
Klimaschutz beginnt mit der Erarbeitung einer Strategie, die in einem Management-System mündet. Das Management-System lässt sich zertifizieren. Instrumente und Kriterien wie der UN Global Compact (UNGC), die OECD[2]-Leitsätze, der Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK), ISO[3] und die Global Reporting Initiative[4] (GRI), der Dow Jones Sustainability Index und SA 8000 Sedex[5] helfen bei der Entwicklung und Steuerung.
Die Klimaarbeit beginnt mit der Ermittlung des Status Quo, das heißt damit, den CO2-Fußabdruck auszumessen. Bei der Bestandsaufnahme der Treibhausgasemissionen des Unternehmens und seiner Geschäftstätigkeit wird empfohlen, international akzeptierte Standards zur Bilanzierung und Berichterstattung, wie beispielsweise das Greenhouse Gas Protocol[6] (GHG Protocol), zu nutzen. Die Initiative Science Based Targets[7] beispielsweise unterstützt Firmen bei der Ermittlung der Treibhausgasemissionen unter anderem in Form von Schulungsangeboten und Unterlagen: https://sciencebasedtargets.org/. Im Bereich der Standards und des Berichtswesens wird sich in Zukunft noch einiges tun.
Auf Basis der Ermittlung des Status Quo kann dann die Strategie mit konkreten Zielen und Maßnahmen zur Emissionsreduzierung formuliert werden. Methoden, wie green six sigma können hierbei eingesetzt werden. Das Mapping der ökologischen, ökonomischen und sozialen Chancen und Risiken ist ebenfalls Bestandteil der Strategie-Entwicklung. Bei der Überwachung der Wirksamkeit der Strategie helfen Kennzahlen. Diese und deren Verknüpfung mit den 17 SDGs finden Sie unter anderem in Publikation der UN und der GRI (https://www.globalreporting.org/resourcelibrary/GRI_UNGC_Business-Reporting-on-SDGs_ Analysis-of-Goals-and-Targets.pdf).
Die Strategie kann auch ergänzende Offsetting Maßnahmen enthalten, d.h. Investition in zertifizierte Klimaschutzprojekte, wie nachhaltige Bodennutzung. Vielfach wird Offsetting als Freikaufen kritisiert. Trotz der Kritik zählt letztendlich, ob die einzelnen Maßnahmen klimaschutzwirksam sind. Der Planet braucht aber unverzüglich unsere Hilfe und mittelfristig eine CO2-freie zirkulare Wirtschaft. Wälder beispielsweise nehmen als „carbon sinks“, als sogenannte Auffangbecken, CO2 auf und verringern dadurch die Belastung. Offsetting hilft bei der Finanzierung von Umweltprojekten, einschließlich der Aufforstung der Wälder. Wichtig ist, dass die Projekte anerkannt sind. Institutionen wie Gold Standard[8] und Verra[9] setzten Standards zur Zertifizierung. Dabei ist sogenanntes green-washing, d.h. das alleinige Freikaufen von der Klimaverantwortung unbedingt zu vermeiden. Offseting kann nur ein Teil der Klimaoffensive eines Unternehmens sei. Offsetting hilft denjenigen Branchen, die für die schlussendliche Dekarbonisierung Zeit brauchen, schon jetzt dabei, ihren Beitrag zu leisten. Dies entbindet sie keineswegs von ihrer darüber hinausgehenden Dekarbonisierungsverantwortung.
Die Erfolgskontrolle der Klimastrategie kann auch über eine „sustainable balanced score card“ (SBSC) erfolgen. Maßnahmen und Messungen sollten sich dabei nicht nur auf das eigene Unternehmen beschränken, sondern alle Akteure, die an der Wortschöpfung end-to-end beteiligt sind, mit einbeziehen. Wir befinden uns im Zeitalter der Ecosystememe mit kollektiver Verantwortung. Bei der Erfolgskontrolle des Unternehmens und des Systems helfen digitale Lösungen. Vor allem aber ist ausreichendes und geschultes Personal bereitzustellen. Die Einbeziehung von Betriebsrat und non-governmental organizations (NGO) ist auch entscheidend. Denn Mitarbeitervertreter und NGOs können die Arbeit eines Unternehmens, eines Ecosytems oder einer ganzen Branche im Bereich des Klimaschutzes erschweren, aber auch erheblich erleichtern.
Wechselwirkungen zwischen den Branchen beachten
Die systemische Verknüpfung der verschieden Branchen und Bereiche im wirtschaftlichen Ecosystem erfordert, dass das Design der Klimalösungen die Komplexität und Wechselwirkungen unserer Welt wiederspiegelt. Die ständig steigende Vernetzung von Wirtschaft und Gesellschaft eröffnet die Möglichkeit synergetischer Lösungen, d.h. die Aktivierung von Hebeln, die gesamte Systeme verändern oder entlang verschiedener Systeme wirken.
Die Identifikation und Entwicklung von Hebeln mit weitreichender Wirkung sollte höchste Priorität erhalten. Dazu zählen unter anderem die Transition zu erneuerbaren Energien sowie nachhaltigen Kraftstoffen, die zirkulare Nutzung eingesetzter Rohstoffe, die Verlängerung der Verwendungs- bzw. Konsumzyklen von Produkten, der Entwurf und Bau energieneutraler Gebäude, ein besseres Abfallmanagement und der Verzicht oder die Einschränkung des Konsums klimabelastender Güter, wie beispielsweise Textilien, und Nahrungsmittel, wie Fleisch.
Wo die Bereiche Beschaffung, Produktion, Logistik und Handel innerhalb der Klimabewegung stehen und welchen Beitrag Unternehmen, Staat und Gesellschaft konkret leisten können, damit aus Klimawandel keine Klimakatastrophe wird, wird in den kommenden vier Teile dieser Blog-Serie aufgezeigt.
Dieser und die folgenden Beiträge der Blog-Serie basieren auf der Keynote „Wo steht die Klimabewegung in Beschaffung, Produktion, Transport-Logistik und im Handel?“ am 6. Februar 2020 beim ICS Experts Symposium in Sinsheim.
Die nächsten Teile der Blog-Serie beschäftigen sich mit der konkreten Situation der Klimabewegung in den Bereichen Beschaffung, Produktion, Logistik und im Handel sowie der Frage der Finanzierung.
[1] Vgl. Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2018, SDG 13.1.a, S. 56
[2] Organisation for Economic Co-operation and Development
[3] International Organization for Standardization
[4] Eine unabhängige internationale Standardisierungsorganisation mit Sitz in Amsterdam
[5] Ein auditierbarer Zertifizierungsstandard
[6] International weitverbreitete Methode zur Auditierung des CO2-Fußabdrucks
[7] Eine Kooperation von CDP, UN Global Compact, WRI und WWF
[8] https://www.goldstandard.org/
[9] https://verra.org/
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