Teil 2 einer Blog-Serie zur Sicherung unserer Zukunft
Der Klimawandel ist eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit. Beschaffung, Produktion, Logistik und Handel sind gleichermaßen gefordert, zur Erreichung der Klimaziele beizutragen. Angesichts des Ziels der Bundesregierung zur Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050 bedeutet dies signifikante Reduzierungen der Treibhausgasemissionen in den einzelnen Branchen. Dabei haben die Industrien und deren Unterbereiche ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Dies ist auch notwendig. Denn, wie so oft: Ein Allheilmittel gibt es nicht. Wie sehen die möglichen Maßnahmen im Einzelnen aus? Wo können die Unternehmen Unterstützung erhalten? Welche Unternehmen sind exemplarisch für die Klimaarbeit? Schließlich, was genau kann der Bereich Beschaffung tun, um seinen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten?
Hinweise darauf gibt der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. Er hat im Juli 2019 den BME-Leitfaden Nachhaltige Beschaffung herausgegeben, ein hilfreiches Instrument wenn es um die kritische Hinterfragung der Lieferketten geht. Dort heißt es im Vorwort: „Bis zu 80 % der CO2-Emissionen eines Unternehmens entstehen im Rahmen der Beschaffung und deren Lieferketten!“ Der Einkauf ist daher eine Schlüsselfunktion für nachhaltiges Wirtschaften.
Gerade hier ist Handeln deshalb extrem wichtig. Informationen und Hilfsmittel zur Gestaltung eines nachhaltigen Beschaffungswesens finden sich beispielsweise beim Umweltbundesamt auf beschaffung-info.de, bei der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) beschaffung.fnr.de oder bei der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung nachhaltige-beschaffung.info. Obwohl diese Plattformen die öffentliche Beschaffung betreffen, liefern sie praktikable Hinweise auch für die Privatwirtschaft.
Das Dilemma der Bestpreise oder der tatsächliche Beschaffungspreis
Der Einkauf wird weitgehend an Bestpreisen gemessen. Die nachhaltige Beschaffung sollte Bestpreise auf Basis erweiterter Kriterien ermitteln, damit die Gesamtkosten in die Auftragsvergabe einfließen. Es sollten die Lebenszykluskosten, das heißt die gesamten während der Lebensdauer von Produkten und Dienstleistungen anfallenden Kosten, berücksichtigt werden. Dies sind nicht nur die Gesamtbetriebskosten, d.h. die total cost of ownership (TCO) oder anders ausgedrückt Anschaffungs-, Nutzungs- und Weiterverwendungskosten, sondern auch die Externalitäten, sprich die Auswirkungen auf Umwelt und Soziales. Die Vernachlässigung der über die TCO hinausgehenden Kosten hat nicht nur wesentliche negative volkswirtschaftliche Konsequenzen, sondern kann im nachhinein auch erhebliche negative Auswirkungen auf die Profitabilität haben. Als Beispiel seien hier die ansteigenden Auflagen und damit auch Kosten im Bereich der Produktrücknahme genannt. Wer frühzeitig beginnt, sich auf derartige Kostensteigerungen einzustellen, wird mit diesen erheblich besser umgehen können. Das es zu einem Anstieg der Auflagen und Mehrkosten kommen wird, ist gewiss.
Was beschafft wird, bestimmt das Design
Das Design bestimmt die zu beschaffenden Materialien, Rohstoffe und Teile. Das Design bestimmt auch, wie die einzelnen Teile miteinander verbunden werden. Klebstoff ist eine erhebliche Hürde für Weiterverwendung. Da Klebstoffe toxisch sind und sich zudem mit anderen Materialen verbinden und diese somit unverwendbar machen. Das Design eines Produktes bestimmt daher, ob es am Ende seiner Nutzungszyklen weiterverwendbar ist. Das Thema ist komplex. Daher sind detaillierte Kenntnisse von Material und Fertigungsmethoden das Werkzeug der zirkularen Designer. Einiges ist dabei auch kontraintuitiv. So kann beispielsweise ein aus Holz gefertigter Kleiderbügel, mit seinen Lacken und Klebstoffen eine Bürde für die Umwelt darstellen, da er kaum wiederverwendbar ist, weil sich die toxischen Stoffe mit dem Holz untrennbar verbinden. Demgegenüber können die Rohstoffe eines zum recyceln hergestellten Kunststoffbügels vollkommen im Wertkreislauf Weiterverwendung finden. Nur das Design packt das Problem an der Wurzel. Uns fehlt allerdings weitgehend das Know-how in den Bereichen Design, Materialwissenschaft und Fertigung, um nachhaltige Produkte auch herstellen zu können. Der Bildungssektor ist gefordert, die Wissenslücke zu schließen. Der Staat kann dabei helfen und zudem Innovation im Bereich zirkularer Produkte und Fertigung fördern und Startups unterstützen.
Beschaffungsort: Reduzierung der Transportwege
Mit der Beschaffung von Rohstoffen sowie der Produktion und Distribution von Waren fallen auch emissionsintensive Transportleistungen an. Die dadurch verursachten Emissionskosten sollten auch in die Beschaffungspreise einfließen. Mit einem CO2-Preis lässt sich dies darstellen.
Dabei geht es hier nicht nur um die Emissionen der Antriebe, sondern auch um die Umweltfolgen der Schaffung notwendiger Infrastruktur oder die Belastung der maritimen Welt. Wussten Sie, das jeder größere Wal während seines Lebens 33.000 Kilogramm CO2 absorbiert? Ein Baum nimmt bis zu 22 Kilogramm pro Jahr auf. Überall, wo sich Wale befinden, wächst zudem das Phytoplankton, welches circa 40 % des gesamten CO2 absorbiert; soviel wie 1 Billion Bäume oder 4 amazonische Regenwälder. Eine 1%ige Steigerung des Plankton entspricht 2 Milliarden Bäume. Mehr Wale bedeutet mehr Phytoplankton und damit mehr Klimaschutz. Gleichzeitig stranden Woche für Woche Wale an Stränden, die häufig durch die Aufnahme von Plastikmüll verendet sind. Somit ist der Kampf gegen den Plastikmüll ebenfalls indirekter Klimaschutz. Je weniger wir die Meere belasten, umso mehr schützen wir die maritime Tier- und Pflanzenwelt. Dies zeigt auch, dass Herausforderungen wie Umweltschutz heute nicht mehr isoliert, sondern systemisch anzugehen sind.
Lieferantenwahl auf Basis von Nachhaltigkeit
Unternehmen übernehmen auch Verantwortung für ihre Lieferanten. Kunden machen da wenig Unterschiede. Damit die Unternehmen der sozialen wie rechtlichen Verantwortung gerecht werden können, ist ein effektives Managementsystem von Nöten.
Dieses Managementsystem besteht aus Klimaschutz-, Berichts- und Auditierungsrichtlinien und der Überwachungsmechanismen zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorgaben. Eine Vereinbarung über die Methode der Messung von Emissionen ist ebenfalls erforderlich. Die Richtlinien, Methoden sowie Auditierungstiefe und -zyklen sind, wie der „supplier code of conduct“, in den Lieferantenverträgen zu verankern. Zudem bedarf es einer Vorgehensweise zur Auditierung von Partnern sowie zur sorgfältigen Auswahl von Kandidaten. Dies kann in Papierform erfolgen, sollte aber auch vor Ort Besuche einschließen. Die Audits können auch von Dritten durchgeführt werden. Die Ergebnisse der Audits sollten – ausgenommen bei schweren oder gar vorsätzlichen Verstößen – nicht zur Ahndung, sondern zur Lieferantenentwicklung genutzt werden. Im digitalen Zeitalter sollte die Nutzung einer Management-Plattform für alle direkten Stakeholder, d.h. Kunden, Lieferanten, Standorte und Auditoren eine Selbstverständlichkeit sein. Weiterhin ist festzulegen, wie mit den Berichten und erhobenen Daten zu verfahren ist, d.h. welche Maßnahmen zu ergreifen sind, wer zu informieren ist und wie die die Partner betreffenden Entscheidungen gefällt werden sollen. Diese Vorgehensweise der gebührenden Sorgfalt findet selbstredend nicht nur auf die Lieferanten eines Unternehmens, sondern auf die Gesamtheit der direkten externen Stakeholder des Unternehmens Anwendung. Ein Selbstaudit kann ebenfalls zur Verbessrung der Klimaarbeit dienen.
Unilever beispielsweise hat die Wichtigkeit und Komplexität des Produktdesigns erkannt. Das Unternehmen beschafft und nutzt diejenigen Materialien, die in jedem einzelnen Markt am besten dazu geeignet sind, am Ende des Nutzungszyklus in der Wertschöpfungskette weitergeführt zu werden. Das Ziel des Konzerns: Bis 2030 sollen die Umweltbelastungen, die durch die Herstellung und Verwendung der Produkte aus dem Unternehmen entstehen, um 50% gesenkt werden.[1]
Zusammenarbeit mit der Produktion
Die Beschaffung ist ein wichtiger Hebel zur Erreichung der Klimaziele. Damit dieser Hebel optimal genutzt werden kann, müssen Einkäufer eng mit den Entwicklern und der Produktion zusammenarbeiten. Und dies bereits sehr früh – nämlich in der Entwicklungsphase der Produkte. Wie auch später bei deren Optimierung. Denn nur so können alle Aspekte einer nachhaltigen Beschaffung und Produktion sowie einer durchdachten und funktionierenden Kreislaufwirtschaft bedacht werden.
Welche Rolle dabei die Produktion genauer spielt, erläutert der nächste Beitrag dieser Blog-Serie.
Dieser und die folgenden Beiträge der Blog-Serie basieren auf der Keynote „Wo steht die Klimabewegung in Beschaffung, Produktion, Transport-Logistik und im Handel?“ am 6. Februar 2020 beim ICS Experts Symposium in Sinsheim.
Die nächsten Teile der Blog-Serie beschäftigen sich mit der konkreten Situation der Klimabewegung in den Bereichen Beschaffung, Produktion, Logistik und im Handel sowie der Frage der Finanzierung.
[1] https://www.unilever.de/nachhaltigkeit/
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