Auch die Logistik ist gefragt, wenn das Ziel der Bundesregierung zur Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050 erreicht werden soll. Die Branche setzt unter anderem auf Tourenoptimierung und testet bereits seit einigen Jahren alternative Antriebe. Dieser Teil der Blog-Serie beschäftigt sich mit dem aktuellen Stand der Diskussion darüber, was die Logistik dazu beitragen kann, die Klimaziele zu erreichen.
Die Dekarbonisierung des Transports fordert differenzierte Lösungen. Denn auch hier gibt es kein Allheilmittel. Die Herausforderungen liegen überall, aber vor allem in den Bereichen Luft- und Seetransport sowie dem Lkw-Fernverkehr. Angesichts seiner Limitationen in Reichweite, Batterieaufladezeit und Nutzlast, kann es daher nicht nur um Elektromobilität gehen. Alternative Kraftstoffe, wie Solar-Kraftstoffe, Biokraftstoffe, E-Kraftstoffe sind bei der Dekarbonisierung der Fracht ebenso von wichtiger Bedeutung. Ein Whitepaper der DHL gibt über das Thema Aufschluss[1].
Elektromobilität und ihre Herausforderungen
Elektromobilität ist für die Deutsche Post DHL eine Schlüsseltechnologie. Sie ist geräuscharm und sauber. Vorausgesetzt, der Strom, der die Fahrzeuge antreibt, stammt aus erneuerbaren Quellen. Eine entsprechende Erzeugung und das dazugehörige weitgehend flächendeckende Netz, das den sauberen Strom liefert, fehlt derzeit noch. Dies ist von der Energiewirtschaft in Zusammenarbeit mit produzierendem Gewerbe, Logistik und Transport sowie dem Handel zu entwickeln. Hierbei spielen der Bund, aber auch Länder und Städte ebenfalls eine wichtige Rolle. Das bestehende Netz stößt heute bereits an seine Kapazitätsgrenzen und tut sich schwer, größere Elektroflotten zu speisen.
Schattenseite der Elektromobilität ist der Kobalt, der zur Herstellung der Batterien benötigt wird. Mehr als zwei Dritteln des Rohstoffs wird unter vielfach fragwürdigen Bedingungen in der Demokratischen Republik Kongo gewonnen. Unternehmen versuchen durch eigene, „end-to-end“-kontrollierte Lieferketten sicher zu stellen, dass der Kobalt nachhaltig gewonnen wird.
Operativ beschränken kurze Reichweiten, lange Batterieaufladezeiten, fehlende Ladeinfrastruktur und eine limitierte Nutzlast die E-Mobilität weitgehend auf den urbanen Raum. Dort kann jeder durch die Nutzung von Elektromobilität und anderen sauberen Lösungen, wie Lastenräder, zum Klimaschutz beitragen. Ein Großteil der Emissionen wird allerdings durch den Fernverkehr verursacht. Der Elektromobilität fehlen dort vor allem leistungsstarke Batterien und eine nationale und grenzüberschreitende Ladeinfrastruktur. Daher sind Alternativen gefordert. Solar-, Bio- und E-Kraftstoffe bieten sich als Lösung quer durch die Transportwelt an – auf der Straße, in der Luft, auf den Binnenwasserstraßen und Weltmeeren. Dies sind alternative Kraftstoffe, d.h. nicht-fossile Treibstoffe jenseits von Diesel, Benzin, Schweröl und Kerosin. Alternative Kraftstoffe könnten bei der gesamten motorisierten Mobilität greifen. Vorausgesetzt die bestehenden Fahrzeuge können mit alternativen Treibstoffen betrieben werden. Einige alternative Kraftstoffe benötigen neue Antriebssysteme, andere sind ohne oder nur mit einer geringfügigen Modifikationen der Motoren und Infrastruktur einsetzbar. Dies bedeutet, dass zumindest teilweise – möglichst emissionsfrei – eine ganz neue Flotte an sauberen Fahrzeugen produziert werden muss.
Einige alternative Treibstoffe, wie beispielsweise Biokraftstoffe, haben das Reifestadium erreicht. Andere, zum Beispiel Solar-Kraftstoffe befinden sich in der Entwicklungsphase. Der Fokus bei Forschung und Entwicklung lag insbesondere in Deutschland lange auf dem Dieselmotor. Es besteht daher Nachholbedarf.
Die alternativen Kraftstoffe
Solarkraftstoffe haben das größte Potenzial. Mit Hilfe von solar-thermalen, photoelektrochemischen und photokatalytischen Verfahren lassen sich synthetische Kraftstoffe herstellen. Diese Verfahren benötigen keine aufwändige Umwandlung von Energie in Elektrizität. Daher ist die Gewinnung von Solarkraftstoff effizienter als die Produktion anderer regenerativer Treibstoffe. Allerdings steckt die Entwicklung von Solarkraftstoffen – wie bereits erwähnt – in den Anfängen.
Biokraftstoff, insbesondere Biodiesel, Bioethanol und Biokerosin, ist eine verfügbare Alternative, welche allerdings auch ihre ökologischen Nachteile hat. Dazu zählen die Abholzung der Regenwälder zur Gewinnung von Anbauflächen. Dies schädigt die biologische Vielfalt und vernichtet die sogenannten carbon sinks, d.h. CO2-Aufnahmebecken. Zudem kann Wassermangel verursacht werden und die Monokulturen konkurrieren mit der Produktion von Nahrungsmitteln. Schließlich benötigt die Landwirtschaft ebenfalls ein hohes Maß an Energie. Interessant ist, dass Biokerosin, ohne Modifikationen von Motoren und Infrastruktur, 50 bis 90 % der Treibhausgasemissionen im Luftverkehr eliminieren kann. Allerdings steht nicht ausreichend nachhaltig hergestelltes Biokerosin zur Verfügung. Darüber hinaus sind da auch noch die Kosten. Biokerosin ist um ein Vielfaches teurer als herkömmlicher Jetfuel. Parallel zur Nutzung von Biokerosin ist die Elektrifizierung der Luftfahrt. Dies beinhaltet auch Hybridmodelle.
Zu den E-Kraftstoffen gehören E-Diesel, E-Methanol, E-Methan und E-Wasserstoff. E-Kraftstoffe sind Treibstoffe, die ausschließlich mit Hilfe von sauberen Energien hergestellt werden. E-Wasserstoff erscheint derzeit als die vielversprechendste Alternative, da der Kraftstoff emissionsfrei ist und in beliebiger Menge produziert werden kann. Derzeit werden allerdings nur 4 % der Menge mittels erneuerbarer Energien gewonnen. Einige zweifeln zudem die Energie-Effizienz der Lösung an. Andere die Reife der Technologie. Die Kosten für Herstellung und Distribution von E-Wasserstoff sind ebenfalls höher als die für fossile Kraftstoffe. Wie bei der Elektromobilität und allen weiteren Alternativen fehlt auch hier die Infrastruktur. Diese wird auch schon einmal vergessen. In der Schifffahrt beispielsweise wurde eine LNG-Welle losgetreten, ohne das die Infrastruktur mithalten kann.
Trotz aller Unzulänglichkeiten werden wir um die alternativen Kraftstoffe nicht herum kommen. Denn die Transportbranche lässt sich auch mittelfristig nicht vollkommen elektrifizieren. Dabei werden Bio- und E-Kraftstoffe eine entscheidende Rolle spielen. Nicht nur auf der Straße, sondern auch in der Luft und auf dem Wasser. Die weltgrößte Containerschifffahrtslinie Maersk hat dies kürzlich ebenfalls öffentlich kundgetan. Die Erkenntnisse basieren auf einer gemeinsam mit Lloyds Register durchgeführten Studie. Das Unternehmen setzt, der Studie folgend, auf die Entwicklung von alternativen nicht-fossilen Kraftstoffen.
Die Kosten für die Transportmittel und die zu schaffende Infrastruktur sind erheblich sind. Daher ist branchenübergreifende Kooperation erforderlich. Allerdings fehlt es an einer koordinierenden Stelle für die Entwicklung und Erprobung von alternativen Kraftstoffen ebenso, wie an einer einheitlichen Wissensbasis. Eine internationale Allianz, welche die bestehenden Initiativen zusammenfasst und einen Maßnahmen- und Investitionsplan erarbeitet, sollte eine Priorität sein.
Bessere Auslastung von Kapazitäten und Infrastruktur
50 % der Lkw fahren leer. Ein anderer Weg, die Treibhausgasemissionen zu senken, ist die höhere Auslastung der Transportkapazitäten. Dies kann durch die Kombination unpaariger Verkehre geschehen, oder aber durch effiziente Marktplätze. Marktplätze auf Plattformen, wie Uber Freight, InstaFreight oder Quicargo. Dabei kann es um komplette Lkw, aber auch um Teilladungen gehen. Das gleiche Konzept kann auch auf Lagerfläche angewandt werden, wie Flexe und Stockspots zeigen. Das Konzept der digitalen Marktplätze ist überzeugend, wobei der Nachweis einer profitablen Skalierung in der Praxis jedoch noch aussteht.
Infrastruktur und Verkehrssteuerung haben ihre Grenzen, wie der Verkehrsinfarkt vieler Städte zeigt. Das Konzept Verkehrsflüsse über Nutzungsgebühren zu steuern, hat sich bewährt – beispielsweise in Singapur. Warum nicht in Deutschland?
Der Lieferverkehr durch Paketzusteller liegt bei circa 15 bis 20 %. Der Rest ist der Lkw-Fracht zuzuschreiben. Zum Großteil zur Belieferung der Supermärkte. Allerdings wächst die Paketzustellung durch den Boom des E-Commerce schnell. Viele alternative Zustelllösung sind im Test: Lastenfahrrad, Packstationen, Micro-Hubs etc. etc. Der Durchbruch fehlt noch. Was lässt sich sonst noch denken?
In den Nachtstunden – immerhin ein Viertel der Zeit – ist die urbane Infrastruktur nahezu ungenutzt. Nachtexpress-Dienstleister nutzen diese Zeitspanne bereits seit vielen Jahren, um B2B-Transporte durchzuführen und Werkstätten, Techniker-Organisationen oder auch Kliniken zu beliefern. Dies kann ein Vorbild für andere Branchen und Kundensegmente sein. Konzepte zur Versorgung der Supermärkte in der Nacht wurden getestet. Die Technologie, wie geräuscharme Türen und Ladehilfsmittel steht zur Verfügung.
Nachtver- und Nachtentsorgung sollten Bestandteil nachhaltiger Stadtplanung sein. Eine nachgelagerte Frage ist, ob wir wirklich Konsum durch kostenlose Retouren weiterhin stimulieren sollen, oder ob derartige Praktiken durch den Gesetzgeber eingeschränkt werden sollten.
Intelligente Städte, Straßen und Fahrzeuge können ebenfalls helfen den urbanen Raum zu entlasten. Vernetzte Verkehrsmittel können den optimalen Weg bei optimaler Geschwindigkeit bestimmen. Ob auf der Straße, der Schiene, dem Wasser oder in der Luft. Dabei können erhebliche Mengen an Kraftstoff und damit Emissionen eingespart werden. Dafür ist die umfassende Digitalisierung unserer Welt Grundvoraussetzung. Davon sind wir jedoch noch ein gutes Stück entfernt. Daher sollten unsere Anstrengungen hier und in anderen Bereichen erhöht werden. Eine Hürde ist die Finanzierung der Projekte und insbesondere der physischen und digitalen Infrastruktur.
Vieles kann also getan werden. Verkehrsinfarkt ist Realität und die Klimakatastrophe steht vor der Tür. An eine Selbstregulierung der E-Commerce-Branche, sowie eine freiwillige Einschränkung seitens der Konsumenten ist kaum zu glauben. Können wir uns zur Citymaut durchringen? Bei diesen Konzepten ist definitiv Mut seitens der Politik gefragt.
Logistik-Unternehmen sind gefragt
Auch wenn die Politik die Rahmenbedingungen wesentlich prägt, sind es vor allem die Transport- und Logistikunternehmen, die mit ihren Geschäftsmodellen und den von ihnen eingesetzten Mitteln nachhaltige Logistik treiben. Exemplarisch für nachhaltiges Denken und Handeln in der Logistik ist dabei die Deutsche Post DHL. Das Unternehmen hat einen klaren Fahrplan mit festgesetzten Zielen. Bis zum Jahr 2050 will der weltweit führende Logistikkonzern seine gesamten logistikbezogenen Emissionen auf Null fahren.
Auch andere Unternehmen der Logistik-Branche sind hier bereits aktiv. DPD beispielsweise setzt auf klimaneutrale Paketzustellung ohne Mehrkosten für die Kunden. Dabei kommen u.a. Lastenräder zum Einsatz. Kühne & Nagel hat ebenfalls ein Klimaprogramm und bietet seit 2020 klimaneutrale Dienstleistungen an. Eine Vielzahl von Unternehmen setzen sich zunehmend für den Klimaschutz ein.
Zusammenarbeit mit dem Handel
Der Handel liegt nahe bei der Logistik. Hier geht es zu einem erheblichen Teil um den Transport der Waren zu den Filialen und deren dortige Lagerung und Bereitstellung für den Verkauf. Deshalb ist es unabdingbar, dass Logistik und Handel eng zusammenarbeiten und gemeinsam überlegen, wie sie kooperativ zum Erreichen der nationalen und internationalen Klimaziele beitragen können. Denn Konzepte wie beispielsweise die Nachtbelieferung, aber auch die Micro-Hubs erfordern eine Absprache und Planung aller Beteiligten.
Was der Handel hierbei und darüber hinaus noch zum Erreichen der Klimaziele beitragen kann, erläutert der nächste Beitrag dieser Blog-Serie.
Dieser und die folgenden Beiträge der Blog-Serie basieren auf der Keynote „Wo steht die Klimabewegung in Beschaffung, Produktion, Transport-Logistik und im Handel?“ am 6. Februar 2020 beim ICS Experts Symposium in Sinsheim.
Die Teile der Blog-Serie beschäftigen sich mit der konkreten Situation der Klimabewegung in den Bereichen Beschaffung, Produktion, Logistik und im Handel sowie der Frage der Finanzierung.
[1] https://www.dpdhl.com/de/presse/pressemitteilungen/2019/deutsche-post-dhl-group-sieht-massenmarktpotenzial-fuer-synthetische-kraftstoffe-in-5-bis-10-jahren.html
Leave a Reply