Die Steigerung der Produktivität und die Anpassung von Strukturen sind wichtige Säulen einer Volkswirtschaft, damit sie Wohlstand für die Gesellschaft bieten können – auch wenn das klassische Wachstum, wie es von den meisten Wirtschaftslenkern noch immer propagiert wird, nicht mehr im Mittelpunkt stehen sollte. Das bedeutet, dass der Wandel zur Normalität gehört. Kommunen mitten im Strukturwandel können davon ein Lied singen, was das für die öffentliche Hand und auch für die Bevölkerung bedeutet. Trotzdem tun sich auch in diesen Regionen mit wegbrechenden Industrien und Arbeitgebern Kommunen schwer, Ansiedlungen aus dem Logistikumfeld positiv gegenüber zu stehen. Woran liegt das? Zumal die Logistikwirtschaft mit einer insgesamt größeren Zahl an Arbeitsplätzen aufwartet als die gesamte Automobilindustrie?
Um diese Frage zu beantworten, wurde mit der vierten Logix-Veröffentlichung „Logistikimmobilien aus kommunaler Sicht“ ein Perspektivwechsel in der Diskussion vorgenommen, der das Verständnis der Akteure im Ansiedlungsprozess für- beziehungsweise untereinander verbessern soll. Im Mittelpunkt stand entsprechend, wie Kommunen die Ansiedlung von Logistik sehen und welche Erfahrungen sie gemacht haben. Das Resultat sind nutzwertige Tipps für Kommunen und ansiedlungswillige Unternehmen aus Sicht von Bürgermeistern/-innen beziehungsweise kommunalen Verantwortlichen.
Dafür wurden insgesamt sieben Interviews mit kommunalen Vertretern, bis auf eine Ausnahme alles Bürgermeister von Städten, geführt (siehe Tabelle), deren Kommunen unterschiedliche strukturelle Merkmale aufweisen und/oder vor verschiedenen Herausforderungen stehen.
Bei den Gesprächen standen drei Fragen im Mittelpunkt:
1. Was waren die Erwartungen der Kommune beziehungsweise Einwände der Bürger vor der Logistikansiedlung?
2. Welche positiven wie auch negativen Überraschungen haben Sie erlebt?
3. Welche Tipps können Sie anderen Kommunen und Unternehmen geben, um eine Logistikansiedlung erfolgreich zu gestalten?
Überwiegend waren die Erfahrungen mit der Logistik positiv. Dennoch ist in einer Kommune die Skepsis gegenüber der Logistik insbesondere hinsichtlich der Zahl und Art der Arbeitsplätze noch gegeben. In anderen führen konkrete Konflikte zu deutlicher Kritik an Betreibern beziehungsweise Nutzern aufgrund fehlender Berücksichtigung von nachgelagerten Elementen wie beispielsweise des Aufenthaltsbereiche für Lkw-Fahrer.
Aus diesen Erfahrungen lassen sich insgesamt drei Handlungsempfehlungen für Kommunen im Umgang mit der Ansiedlung von Logistik ableiten, die an dieser Stelle nur kurz in Form von Überschriften zusammengefasst werden:
1. Die Bürgerinnen und Bürger sollten frühzeitig über einen direkten Dialog eingebunden werden, um spätere Einwände zu vermeiden.
2. Mit Ehrlichkeit in der Kommunikation und Offenheit für Neues führt zu interessanten Lösungen.
3. Der gemeinsame Planungsprozess mit allen Akteuren zusammen statt gegeneinander vermeidet Reibungsverluste und Missverständnisse.
An die Ansiedlungsunternehmen haben die kommunalen Vertreter insgesamt vier Hauptanliegen, die den Prozess deutlich vereinfachen würden:
1. Transparenz und Verbindlichkeit sind in der Politik wichtig, ein schnelles Geschäft ist nicht nachhaltig.
Unternehmen, die sich für einen Standort interessieren, sollten Fragen konkret beantworten. Um so verständlicher das Ansiedlungsvorhaben ist, desto stärker kann sich ein Bürgermeister dafür einsetzen. Das umfasst auch die Angabe eines realistischen zeitlichen Ablaufs bei dem Projekt. Es ist nicht zielführend, wenn zeitlicher Druck ausgeübt wird und schlussendlich das Projekt nicht in Gang kommt. Ähnlich verhält es sich mit der Zahl der erwarteten Arbeitsplätze und deren Art, womit gerechnet wird. Zwar ist es möglich, dass bei umfassenden Versprechungen ein Zuschlag erfolgt. Sobald jedoch diese nicht eintreten, ist der Ruf ruiniert und damit die Wahrscheinlichkeit weiterer Ansiedlungen geringer. Hier hilft der Aufbau von nachhaltigem Vertrauen, das durch einen persönlichen und direkten Kontakt gefördert wird.
2. Empathie im Planungsprozess hilft im Weiteren, Konflikte zu vermeiden.
Aufwand entsteht nicht nur seitens der Ansiedlungsunternehmen, sondern auch in den Kommunen. Damit sollte darauf geachtet werden, dass qualifizierte und auch korrekte Bauanträge eingereicht werden, um den Aufwand auf beiden Seiten zu minimieren. So kann die Notwendigkeit für Verkehrskonzepte frühzeitig erkannt werden. Trotzdem sollte mit ausreichend Zeit für die Abstimmungsprozesse geplant werden – um so größer die Kommune, desto komplexer sind diese. Entsprechend sollte von oberflächlichen Anfragen abgesehen und vorher Informationen über Rahmenbedingungen eingeholt werden, bevor unnötig die Kommunen mit ihren Prozessen beginnt.
3. Die Bürgerinnen und Bürger sollten ernst genommen werden.
Die Bevölkerung verfolgt das Ziel, eine lebenswerte Stadt zu haben. Das bedeutet, dass nicht nur proaktiv die Vorbehalte und Vorurteile adressiert werden sollten. Auch sollten Ansiedlungsunternehmen zeigen, dass sie der Region verbunden sind. Das können Ausbildungsoffensiven für junge Menschen sein oder die Unterstützung sozialer Projekte. Auch Nachhaltigkeitsmaßnahmen schaden nie. Idealerweise bringt sich der „Neuling“ engagiert in der Kommune ein.
4. Kommunen sollten bei der Ansiedlung insoweit unterstützt werden, dass Anforderungen durch die Immobilie gemeinsam gelöst werden.
Den Ansiedlungsunternehmen ist meist bekannt, welche potenziellen Herausforderungen die Logistik bringen kann. Hilfreich ist aus diesem Grund, wenn sie bereits bei der Anfrage Lösungen anbieten, im Idealfall ein finanzielles Engagement beispielsweise
beim Infrastrukturausbau anbieten. Auch sollte vermieden werden, auf Verdacht Forderungen zu stellen (zum Beispiel einen Gleisanschluss), sie von der öffentlichen Hand bezahlen zu lassen und schlussendlich nicht zu nutzen. Das dient nicht einem guten Image.
In Summe führt Intransparenz zu erhöhter Skepsis und mehr Vorbehalten. Auch wenn die Logistik mit Erfolgsstorys aufwarten kann, werden diese durch Vorurteile überdeckt. Aus diesem Grund sollte die Kommune zunächst offen sein gegenüber Anfragen aus der Logistik. Um Enttäuschungen vorzubeugen, sollten auf der anderen Seite die Ansiedlungsunternehmen ehrlich und transparent kommunizieren. Den Experten ihres Fachs ist bekannt, dass Logistik nicht gleich Logistik ist.
Dabei ist es wichtig, dass sie mögliche Herausforderungen und Reibungspunkte bereits bei der Ansprache beziehungsweise spätestens in der Antragsphase antizipieren und Lösungen anbieten. Das reduziert die Skepsis seitens der Kommune. Insbesondere wenn die Bevölkerung bereits früh mit Unterstützung der Unternehmen eingebunden und von dem Vorhaben überzeugt werden soll, indem ein Engagement zur Region durch soziale und nachhaltige Projekte gezeigt wird, steigt die Akzeptanz. Dafür ist eine enge Zusammenarbeit der Stakeholder notwendig, um die potenziellen Reibungspunkte und möglichen Bedürfnisse erkennen und adressieren zu können. Ehrlichkeit in der Kommunikation und Transparenz im Planungsprozess sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren auf übergeordneter Ebene. Insgesamt können beide Parteien bei größerem Verständnis der jeweiligen Rahmenbedingungen nachhaltig profitieren.
Autoren: Prof. Dr. Christian Kille, Professor für Handelslogistik und Operations Management an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt, sowie Dr. Alexander Nehm, Geschäftsführer der Logivest Concept GmbH.
Die Logix-Studie kann kostenlos unter folgendem Link heruntergeladen werden:
https://www.logix-award.de/wp-content/uploads/2019/07/logix_Fallbeispiele_2019-neu.pdf